Arzneimittel und Therapie

Medikation unter der Lupe

Tipps und Tricks für die Medikationsanalyse – Fall 11: So viele Einnahmezeitpunkte – wer blickt da noch durch?

Erweiterte Medikationsberatung ist eine der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, die Apotheken ihren Patientinnen und Patienten mit Polymedikation anbieten können. Herzstück ist eine Medikationsanalyse. Sie ist die Basis für das Erkennen und Lösen von arznei­mittelbezogenen Problemen. Neben einem strukturierten Vorgehen ist detektivischer Spürsinn gefragt. Mit unserer crossmedialen Serie „Medikation unter der Lupe“ fordern wir diesen Spürsinn heraus.
Foto: MaG8 – unsplash.com

Einmal im Monat stellen wir in der DAZ und auf DAZ.online einen Fall vor, der teils auf tatsächlichen Gegebenheiten, teils auf Ergänzungen und Fiktion beruht, und geben Anregungen für Lösungen. Dann sind Sie gefragt. Wie würden Sie vorgehen, um die Probleme in den Griff zu bekommen? Ihren Lösungs­ansatz können Sie dann in einem Webinar mit unseren Autorinnen und Autoren diskutieren, die ihrerseits einen Vorschlag präsentieren werden. Das Webinar zu unserem elften Fall, den hier Apothekerin Ina Richling, PharmD, vorstellt, startet am 20. September 2023 um 20.00 Uhr.

Der Fall

subjektive Parameter und Haupt­beschwerden:

Herr A. B., ein 45-jähriger Patient mit einem rapide progredienten Parkinson-Syndrom, wurde in letzter Zeit aufgrund der motorischen Verschlechterung des Parkinsons mehrfach stationär aufgenommen und ist zurzeit auch bei einem Neurologen in Behandlung. Das juvenile Parkinson-Syndrom wurde vor etwa vier Jahren das erste Mal diagnostiziert. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Frau kümmert sich mit ihm um seine Medika­tion. Beide sind mit der Situation – und vor allem mit der Polymedikation und den vielen Einnahmezeitpunkten – überfordert. Unter Pramipexol und Rotigotin entwickelte sich eine Impulskontrollstörung (Spielsucht). Für das Gespräch wurden die beiden Medi­kationspläne (Neurologe, Entlass­medikation) und der Entlassbrief aus dem Krankenhaus mitgebracht. Als Hauptbeschwerden gibt der Patient Schlafstörungen, Übelkeit und Verstopfung an.

objektive Parameter:

  • Blutdruck: 120/90 mmHg
  • Puls: 65 Schläge/Minute
  • Serumkreatinin: 0,67 mg/dl
  • eGFR (CKD-EPI): > 90 ml/min/1,73 m2
  • Creatinkinase: 549 U/l

Die Medikation laut Medikationsplan des Neurologen zeigt Tabelle 1.

Tab. 1: Medikation von Herrn A. B. laut Medikationsplans des Neurologen
Wirkstoff
Handelsname
Stärke
Form
morgens
mittags
abends
zur Nacht
Hinweise
Carbidopa
Levodopa/Carbidopa-neuraxpharm 100/25 mg
25 mg
Tabletten
Levodopa
100 mg
→ 1,25 Tabletten 7:00 Uhr, 1,25 Tabletten 10:00 Uhr, 1,25 Tabletten 13:00 Uhr, 1,25 Tabletten 15:00 Uhr, 1,25 Tabletten 19:00 Uhr
Levodopa
Madopar LT
100 mg
Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen
0
0
0
1
Benserazid
25 mg
Amantadin hydrochlorid
Amantadin Stada 100 mg Tabletten
100 mg
Tabletten
½
0
0
½
Opicapon
Ongentys 50 mg Hartkapseln
50 mg
Kapseln
0
0
0
1
Abstand zu Levodopa min. 1 Stunde
Clozapin
Clozapin Puren 25 mg Tabletten
25 mg
Tabletten
0
0
0
½
Safinamid
Xadago 100 mg
100 mg
Tabletten
1
0
0
0
Pause
Carbidopa
Levocomp 200 mg/50 mg Tabletten
50 mg
Tabletten
0
0
0
1
Levodopa
200 mg
Clonazepam
Rivotril 0,5 mg
0,5 mg
Tabletten
0
0
0
½

Auszüge aus dem neurologischen Befund aus dem Entlassbrief:

  • allgemeine Hypokinese (Bewegungsarmut)
  • linksbetonter Rigor (Muskelsteifheit; Grad 0 bis 3): Grad 2 (mäßig)
  • leichter Ruhetremor und Halte­tremor (Zittern)
  • linksbetonte Bradydiadochokinese (Patient kann eine entgegengesetzte Bewegung nur sehr langsam machen)
  • kleinschrittiges Gangbild
  • leichte Dysarthrie (eingeschränkte Sprechmotorik) vom hypokinetischen Typ mit verminderter Pro­sodie (Ausdrucksmerkmale beim Sprechen)
  • Stimmung und Antrieb etwas reduziert
  • Wert auf der UPDR-Skala (Unified Parkinson‘s Disease Rating Scale) zur Verlaufsbeobachtung bei Morbus Parkinson: III: 46

Die UPDR-Skala ist ein Instrument zur Verlaufsbeurteilung bei Parkinson. Sie ist unterteilt in verschiedenen Bereiche: kognitive Funktionen, Verhalten und Stimmung, Aktivitäten des täglichen Lebens und motorische Fähigkeiten. Die Einordnung erfolgt nach einer Befragung (Interview). 199 Punkte sind möglich und das schlechteste Ergebnis, 0 Punkte bedeutet keine Behinderung. Bei der motorischen Untersuchung (Teil III der Skala) erreicht der Patient 46 von maximal 56 Punkten.

Die Medikation laut Entlassbrief zeigt Tabelle 2.

Tab. 2: Angaben zur Medikation von Herrn A. B. laut Entlassbrief
Handelsname
Stärke
Einnahme
Hinweis
Nacom Tabletten
100 mg
25 mg
1,25 um 7:00 Uhr, 1,25 um 10:00 Uhr, 1,25 um 13:00 Uhr, 1,25 um 15:00 Uhr, 1,25 um 19:00 Uhr
Leponex Tabletten
25 mg
0-0-½
Ongentys
50 mg
0-0-1
Levocom retard 1A-Pharma
200 mg
50 mg
0-0-0-1
Rivotril
0,5 mg
0-0-0-½
Madopar LT
100 mg
25 mg
0-0-0-1
zusätzlich eine halbe Madopar LT bei Bedarf bis dreimal täglich während motorischer Off-Zeiten
Xadago
100 mg
1-0-0

Durch die Rabattverträge der Krankenkasse und gesetzte Aut-idem-Kreuze bekommt der Patient:

  • Isicom Tabletten mit Carbidopa/Levodopa 100 mg/25 mg
  • Dopadura C 200 mg/50 mg retard mit Carbidopa/Levodopa Retard­tabletten
  • Madopar LT 100 mg/25 mg Tabletten zur Herstellung einer Suspen­sion zum Einnehmen
  • Safinamid (Xadago) 100 mg Tabletten
  • Opicapon (Ongentys) 50 mg Kapseln
  • Amantadin Stada 100 mg Tabletten
  • Clozapin Puren 25 mg Tabletten
  • Clonazepam (Rivotril) 0,5 mg Tabletten

Zusätzlich nimmt A. B. bei Bedarf Metoclopramid 10 mg Tabletten gegen die Übelkeit und Metamizol-Tabletten bei Kopfschmerzen ein.

Tipps und Tricks

Bei der Bearbeitung dieses Falles ist die Durchführung eines Medikationsabgleichs notwendig. Es sollte auf die Hauptbeschwerden des Patienten eingegangen werden. Welche Therapie­ziele werden mit der Arzneimittel­therapie verfolgt, welche arzneimittelbezogenen Probleme (ABP) liegen vor und wie sollten diese priorisiert werden? Auf folgende Probleme sollte geachtet werden:

  • Einnahmezeitpunkte und -intervalle
  • Dosierungen
  • ungeeignete Darreichungsform
  • Doppelmedikation, Pseudodoppelmedikation
  • Kontraindikationen (Alter, Geschlecht, Nierenfunktion …)
  • Interaktionen
  • fehlendes Arzneimittel trotz Indikation
  • Probleme mit Therapie- und Ein­nahmetreue
  • mögliche unerwünschte Arznei­mittelwirkungen
  • Aufbewahrung der Medikation

Lösungswege

Apothekerin Ina Richling, Menden, wird am 20. Sep­tember 2023 um 20.00 Uhr mit Ihnen im Webinar Lösungswege in diesem fiktiven Patientenfall diskutieren.

Das Webinar ist buchbar unter https://akademie.dav-medien.de/medikation-unter-der-lupe-fall-11/

Das Webinar ist kostenfrei für Abonnenten der DAZ und Scholz online sowie für DPhG-Mitglieder.

Alle anderen zahlen 35,00 Euro für die Teilnahme. |

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