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DAZ aktuell
Gut verpackt ist halb recycelt
Was es bei nachhaltigeren Arzneimittelverpackungen zu beachten gilt
DAZ: Warum brauchen wir mehr Recycling bei Arzneimittelverpackungen?
Stern: Das wird am Beispiel von Blistern deutlich: Diese gewähren eine hohe Produktsicherheit, können nach jetzigem Stand aber nur verbrannt werden, da es sich um fest verbundene Materialkombinationen handelt. Gemäß dem Vorschlag einer neuen Verpackungsverordnung der EU-Kommission müssen Verpackungen künftig recyclingfähig sein.
DAZ: Welche Änderungen ergeben sich aus diesem Vorschlag?
Stern: Der Vorschlag sieht vor, dass Verpackungen von Arzneimitteln, In-vitro-Diagnostika und Medizinprodukten ab 2035 zu mindestens 70% recyclingfähig sein müssen. Wir begrüßen, dass bei diesen drei Produktkategorien eine um fünf Jahre längere Übergangsfrist vorgesehen ist als bei anderen Produkten. Allerdings können wir davon ausgehen, dass bei einem Großteil der Arzneimittel die Verpackung umgestellt werden muss, wenn der Vorschlag umgesetzt wird.
DAZ: Die Verpackung ist Teil der jeweiligen Arzneimittelzulassung. Vor welche Hürden stellt es Hersteller, wenn neue Regularien Änderungen bei Arzneimittelverpackungen vorschreiben?
Kroth: Im Bestandsmarkt bedeutet ein Wechsel des Verpackungsmaterials, regulatorisch in vielen Punkten wieder bei null anzufangen. Zeit- und ressourcenintensive Untersuchungen wie Stabilitätsprüfungen müssen wiederholt werden. In Gesprächen mit Politikern hören wir bisweilen, bis 2035 sei noch sehr viel Zeit. Die vergeht aber schnell, wenn man sein gesamtes Produktportfolio dreijährigen Stabilitätsuntersuchungen unterziehen muss. Einige Generikahersteller haben Zehntausende zugelassene Produkte.
DAZ: Welche Ansätze auf regulatorischer oder politischer Ebene sind denkbar, um Hersteller bei der Umstellung der Verpackungen zu unterstützen?
Kroth: Denkbar ist etwa, Anforderungen gemeinschaftlich abzuarbeiten und zum Beispiel wirkstoffspezifische Untersuchungen zu beauftragen. Ebenfalls sehen wir Potenzial für regulatorische Vereinfachungen. Muss beispielsweise jede Verpackungsart an jeder Darreichungsform getestet werden, oder genügt ein gemeinsamer Test für die 200-mg-, 400-mg- und 600-mg-Zäpfchen? Zu solchen Vereinfachungen haben wir kürzlich ein Papier mit dem Titel „Verwaltungsvereinfachung“ vorgelegt. Gerade mittelständische Unternehmen werden die Herausforderungen in der verfügbaren Zeit und unter den aktuell geltenden rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen nicht allein bewältigen können.
DAZ: Da sich Patientinnen und Patienten nicht aktiv für nachhaltigere Produkte entscheiden können, ist Nachhaltigkeit im Bereich der verschreibungspflichtigen Präparate kein Wettbewerbsvorteil. Welche Anreizsysteme sind in diesem Segment vorstellbar?
Kroth: Ein wichtiger Anreiz wäre, wenn in Ausschreibungsverfahren neben dem Preis auch nachhaltiges Wirtschaften berücksichtigten würde. Wir sind hierzu mit den Krankenkassen im Dialog, stehen aber vor dem Problem, dass Nachhaltigkeit nicht klar definiert ist. Bedeutet nachhaltige Produktion den Einsatz erneuerbarer Energie, die Kontrolle von Lieferketten, den Ausschluss von Kinderarbeit oder den Einsatz von in der Umwelt unauffälligen Wirkstoffen – oder alles? Im OTC-Bereich könnte Nachhaltigkeit durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein. Aktuell dürfen Unternehmen entsprechende Informationen aber nicht auf dem Etikett anbringen und die Verbraucher darüber informieren, ob ein Produkt etwa plastikfrei verpackt, vegan, halal oder „bio“ ist. Hier bräuchte es eine entsprechende Gesetzesänderung hin zu einem gut verständlichen, festen Deklarierungssystem.
DAZ: An welchen Lösungen für nachhaltigere Verpackungen arbeiten Arzneimittelhersteller bereits?
Stern: Es gibt verschiedene Ansätze, etwa Tiefziehblister aus Monomaterialien oder Papierblister. Auch Röhrchen für Brausetabletten aus biobasierten Materialien oder Sekundärverpackungen aus Graspapier wurden entwickelt. Allerdings sind diese Ansätze in der Regel teurer als herkömmliche Verpackungsmaterialien. Die erforderlichen Preisaufschläge können im GKV-System von den Herstellern nicht weitergegeben werden.
DAZ: Ließe sich auch Rezyklat, also aufbereitetes Recycling-Plastik, in Arzneimittelverpackungen verwenden?
Stern: Rezyklat lässt sich für viele Produktgruppen einsetzen und damit sinnvoll im Stoffkreislauf halten. Allerdings können in Rezyklat auch Einschlüsse von Fremdmaterialien enthalten sein, was bei Arzneimittelverpackungen fatale Folgen haben kann. Insofern ist es gut, dass die EU-Kommission in dem Verordnungsvorschlag Arzneimittel, In-vitro-Diagnostika und Medizinprodukte vom verpflichtenden Einsatz von Rezyklat ausgenommen hat.
Mehr Geld für nachhaltigere Arzneimittel?
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Arzneimitteln für die Verbraucher, und sind sie dafür bereit, mehr Geld auszugeben? Mit dieser Frage beschäftigte sich der BAH-Gesundheitsmonitor „Nachhaltigkeit“, der im Dezember 2022 veröffentlicht wurde. Darin wurden circa 1000 Personen im November 2022 befragt, wie wichtig für sie die klimaneutrale und nachhaltige Herstellung von Produkten für den alltäglichen Bedarf sowie von Produkten aus der Apotheke ist. Die Umfrage ergab, dass ein transparentes Nachhaltigkeitslogo für zwei Drittel der Befragten ein Grund wäre, entsprechend gekennzeichnete Produkte bevorzugt zu kaufen. Mehr als 40% waren bereit, für nachhaltig produzierte Arzneimittel mehr Geld auszugeben. Ein Preisaufschlag von 5 oder 10% fand breite Akzeptanz unter ihnen.
Über 80% der Teilnehmenden schätzten die Recyclingfähigkeit von Arzneimittelverpackungen als (sehr) wichtig ein. Gezielt Arzneimittel einkaufen, deren Verpackung recycelt werden kann, würden sieben von zehn Befragten.
DAZ: NovoNordisk hat im Vereinigten Königreich ein Rücknahmesystem für leere Pens geschaffen. Welches Potenzial hat solch ein spezifisches Recyclingsystem für Pharmazeutika?
Kroth: Solche Systeme zu organisieren ist nicht trivial. Damit die Wertigkeit der Kunststoffe erhalten bleibt, sollte sortenrein gesammelt werden. In den Apotheken müssten entsprechende Sammelbehälter aufgestellt werden. Soll großflächig produktrein gesammelt werden, müssen sehr viele Behälter bereitstehen. Bevor man diesen Aufwand eingeht, sollte zunächst die Ökobilanz des gesamten Prozesses überprüft werden. Schließlich müssen die zurückgenommenen Materialien auch transportiert, gereinigt und aufgearbeitet werden. Das ist nicht in allen Fällen die ökologisch beste Lösung.DAZ: Inwiefern ist Glas eine besser recycelbare und damit nachhaltigere Verpackungsalternative im Vergleich zu Blistern?
Kroth: Glas ist sehr gut recycelbar. Gegen Glas spricht allerdings das hohe Gewicht, durch welches beim Transport höhere Emissionen anfallen. Ähnlich wie bei Getränkeflaschen müssten Arzneimittelbehältnisse aus Glas ausreichend oft wiederverwendet werden, bevor sie ökologisch vorteilhaft sind. Geht ein Gefäß vorher kaputt, geht die Rechnung nicht mehr auf. Es bleibt eine Einzelfallfrage.
Stern: Einige Unternehmen testen derzeit den Einsatz von Glas- statt Kunststofftiegeln für Kosmetika. Der CO2-Fußabdruck der Produkte wird dadurch nicht unbedingt kleiner. Auch wenn wir es uns wünschen: Einfach ist die Frage nach nachhaltigeren Verpackungen leider nicht zu beantworten.
DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! |
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