- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 37/2023
- Das geht ans Herz
Arzneimittel und Therapie
Das geht ans Herz
Wie Schwermetalle kardiotoxisch wirken
Kardiovaskuläre Erkrankungen gehören nach wie vor zu den führenden Todesursachen weltweit. Nicht nur falsche Ernährung, mangelnde Bewegung und Rauchen erhöhen das Risiko für Herzkrankheiten. In einer Stellungnahme der American Heart Association werden drei Elemente genannt, die als Umweltkontaminanten ebenfalls einen Beitrag leisten [1]. Dazu gehören die Schwermetalle Blei und Cadmium sowie das Halbmetall Arsen. Zwar kommen alle drei natürlich in der Erdkruste vor, durch menschliche Intervention werden sie jedoch freigesetzt und können in erhöhten Konzentrationen in die Nahrungskette gelangen.
Die Ionen aller drei Elemente werden aus Staub, Nahrungsmitteln und Wasser gut über die Lunge und mäßig über den Gastrointestinaltrakt absorbiert. Während Arsen jedoch innerhalb einiger Tage oder Wochen in methylierter Form über den Urin wieder ausgeschieden wird, reichern sich anorganisches Blei und Cadmium im Körper an. Blei lässt sich auch Jahrzehnte nach der Aufnahme noch in den Knochen nachweisen. Cadmium akkumuliert vor allem in Leber und Nieren. Von diesen Depots im Körper können die Schwermetalle auch Jahre nach der Exposition noch freigesetzt werden. Anorganisches Arsen und Cadmium gelten als krebserregend für den Menschen (Einstufung in Kategorie 1 der Internationalen Agentur für Krebsforschung [IACR]) und Blei als wahrscheinlich krebserregend (IARC Kategorie 2A). Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass Menschen mit erhöhten Arsen-, Blei- und Cadmium-Konzentrationen in Blut oder Urin ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen haben. Mehrere Untersuchungen in verschiedenen Ländern fanden erhöhte Inzidenzen für kardiovaskuläre Erkrankungen allgemein, koronare Herzkrankheiten und Schlaganfälle. Erhöhte Exposition gegenüber den drei toxischen Elementen ist insgesamt mit einer erhöhten kardiovaskulären Sterblichkeit assoziiert.
Veränderungen auf molekularer Ebene
Was sich auf Populationsebene durch vermehrte Fälle von Herzkrankheiten bemerkbar macht, beginnt auf molekularer Ebene mit der Eigenschaft der zweiwertigen Cadmium– und Blei-Ionen, für den Körper essenzielle zweiwertige Ionen zu ersetzen. Blei kann die Stelle von Calcium einnehmen und damit den Elektrolythaushalt in bestimmten Geweben stören. Cadmium ähnelt Zink und ist in der Lage, es in verschiedenen Enzymen und Metalloproteinen auszutauschen. Beide Schwermetalle stehen zudem im Verdacht, Kupfer zu ersetzen. Die Funktion der Enzyme wird dadurch eingeschränkt. Hiervon betroffen sind unter anderem antioxidative Enzyme wie die Superoxiddismutase. Verlieren diese Enzyme ihre Aktivität, nimmt der oxidative Stress in der Zelle zu und es kommt vermehrt zu Lipidperoxidation. Diese wiederum fördert die Bildung arteriosklerotischer Plaques. Auch Arsen greift in den Fettmetabolismus ein. Makrophagen beginnen, vermehrt Fette einzulagern, und bilden Schaumzellen an Gefäßwänden. Arsen beeinträchtigt außerdem die Calcium-Homöostase im Herzmuskel und kann so Herzrhythmusstörungen verursachen. Schwermetallexposition korreliert zudem mit der Ausschüttung von Entzündungsmarkern. Histondeacetylasen und Histonacetyltransferasen katalysieren epigenetische Modifizierungen. Auch sie enthalten Zink-Ionen und können durch Cadmium und Blei in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Ein klarer Grenzwert, unterhalb dessen im Vergleich zu einer nicht exponierten Bevölkerung kein kardiovaskulärer Schaden zu erwarten wäre, lässt sich für keines der drei Metalle ableiten. Es scheint daher folgerichtig, die Exposition der Bevölkerung so weit wie realistisch möglich zu reduzieren. Dies ist in der Zweiten Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung vom 20. Juni 2023 erfolgt. Die Verordnung legt Qualitätskriterien für Trinkwasser fest. Grenzwerte werden unter anderem für Pestizide, mikrobiologische Verunreinigungen und organische Lösungsmittel, aber auch für Schwermetalle festgelegt. Der bisherige Grenzwert für Blei und Arsen beträgt 0,01 mg/l und gilt bis zum 11. Januar 2028, danach gilt für Blei 0,005 mg/l und für Arsen 0,004 mg/l. Der Grenzwert für Cadmium liegt bei 0,003 mg/l und bleibt unverändert. Reduziert wurde dafür der Grenzwert für Chrom von bisher 0,025 mg/l auf 0,005 mg/l, der ab dem 12. Januar 2030 gelten soll. Die Grenzwerte anderer Schwermetalle wie Quecksilber (0,001 mg/l), Uran (0,01 mg/l) und Nickel (0,02 mg/l) wurden nicht gesenkt [2]. Da es sich um natürlich vorkommende Elemente handelt, lässt sich ihr Auftreten in der menschlichen Umwelt nicht vollkommen eliminieren. Wohl aber können menschliche Aktivitäten, die eine Anreicherung der Schwermetalle in bestimmten Ökosystemen fördern, kontrolliert werden (Bergbau, Metallindustrie, Müllverbrennung, Ausbringung von Klärschlamm als Düngemittel).
Belastung in Lebens-, Genuss- und Arzneimitteln
Neben Trinkwasser sind Lebensmittel eine Hauptquelle für die Schwermetallexposition von Menschen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) untersucht in seiner MEAL-Studie (Mahlzeiten für die Expositionsabschätzung und Analytik von Lebensmitteln) das Vorkommen von potenziell toxischen Stoffen in einer breiten Palette von Nahrungsmitteln. Insgesamt lag die Belastung aller untersuchten Lebensmittel mit Blei und Cadmium deutlich unter 1 mg/kg. Zu den stärker mit Blei und Cadmium belasteten Lebensmitteln zählen einige Pilzarten, Kakaopulver, dunkle Schokolade, Muscheln, Algen und Gemüsechips. Relativ hohe Blei-Mengen wurden zudem in manchen Gewürzen (z. B. Paprika- und Pfefferpulver) und Leber gefunden. Hohe Cadmium-Gehalte konnten in Sonnenblumenkernen und Leinsamen nachgewiesen werden [3]. Sehr hohe Arsen-Gehalte von über 1 mg/kg wurden in einigen Fischarten und Algen gefunden. Auch Reis ist eine Arsen-Quelle, was vor allem in Bevölkerungen problematisch ist, deren Ernährung hauptsächlich darauf basiert. Kaum belastet mit den drei toxischen Elementen waren Eier, Milchprodukte, Früchte und Fruchtsäfte [4].
Kein Lebensmittel, aber doch eine Quelle für Cadmium ist die Tabakpflanze. Sie hat die Eigenschaft, Cadmium aus dem Boden aufzunehmen und in ihren Blättern zu akkumulieren. Dabei geht sie so effizient vor, dass die Cadmium-Konzentration der Blätter die des Bodens überschreiten kann. Raucher reichern daher etwa zweimal soviel Cadmium in ihrem Körper an wie Nichtraucher [5]. Auch einige andere Pflanzen akkumulieren das Schwermetall. Dazu gehören Sonnenblumen, Raps und Indischer Senf [6, 7]. Was problematisch für die Lebensmittelgewinnung ist, kann auf der anderen Seite genutzt werden, um Cadmium aus kontaminierten Böden gezielt abzureichern.
Neben Lebens- und Genussmitteln können auch Arzneimittel, etwa aus der ayurvedischen Medizin, Schwermetalle enthalten (s. Kasten „Bleivergiftung durch ayurvedische Heilmittel“).
Bleivergiftung durch ayurvedische Heilmittel
Ayurveda ist eine traditionelle indische Heilkunst. Rasa Shastra bezeichnet dabei die Praktik, pflanzliche Medikamente mit Mineralien, Metallen und Edelsteinen zu kombinieren. Die Erfahrung, dass dies nicht unbedingt heilsam ist, machte eine 39-jährige Amerikanerin am eigenen Leib. Die Frau suchte mehrmals mit Bauchschmerzen, Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen und Erschöpfung eine Notaufnahme auf. Ihr Hämoglobin-Wert lag bei 67 g/l (Normwert: 115 bis 155 g/l). Ein Blutausstrich zeigte basophile Tüpfelung der Erythrozyten, leichte Mikrozytose und Hypochromasie. Die Erythrozyten waren also zu klein, unzureichend mit Hämoglobin beladen und nicht ausreichend gereift. Die behandelnden Ärzte vermuteten zunächst gastrointestinale Blutungen als Ursache, konnten bei weiteren Untersuchungen jedoch keine Anzeichen dafür finden. Bei näherer Befragung gab die Frau an, seit über einem Jahr täglich ayurvedische Pillen eingenommen zu haben, um ihre Unfruchtbarkeit zu behandeln. Die Blutuntersuchung ergab Bleiwerte von 55 µg/ml, normal sind Werte von unter 2 µg/ml. Klinische Symptome treten ab etwa 40 µg/ml auf. Zu den von Blei beeinflussten Enzymen gehören auch Enzyme des Häm-Synthesewegs, was die beobachtete Anämie erklären kann. Die Frau stellte übrige Pillen und Duftstoffe für eine Analyse zur Verfügung. Elf von 17 untersuchten Pillen enthielten hohe Bleikonzentrationen. Vier enthielten zudem Quecksilber. Eine Untersuchung von 2008 hatte bereits gezeigt, dass rund 21% aller im Internet erworbenen ayurvedischen Mittel (n = 193) Schwermetalle enthielten (19,2% Blei, 4,1% Quecksilber, 1,6% Arsen). Die Patientin erhielt für fünf Tage eine Chelattherapie mit Dimercaptobernsteinsäure. Ihre Bleiwerte sanken auf 19,5 µg/ml kurz nach der Therapie und 12,1 µg/ml ein Jahr später. Sechs Monate nach der Therapie lagen ihre Hämoglobin-Werte wieder im Normalbereich (119 g/l). Chelatbildner entfernen jedoch nur das Blei aus dem Blut. In Knochen abgelagertes Schwermetall verbleibt dort für Jahrzehnte und kann unter bestimmten Bedingungen wieder freigesetzt werden [8, 9].
Exposition verringern
Neben den kardiotoxischen Eigenschaften und ihrer Kanzerogenität wirken die drei Metalle auch auf andere Organsysteme toxisch. Zudem muss berücksichtigt werden, dass sich anorganische und organische Spezies in ihrer Absorption und Toxizität meist unterscheiden. Eine Chelat-Therapie kann die Schwermetallbelastung besonders exponierter Personen reduzieren und ihr Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen senken. Chelatbildner mit hoher Affinität zu Schwermetallionen wie EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure) oder DMSA (Dimercaptobernsteinsäure) komplexieren Blei und Cadmium. Die Komplexe werden anschließend über den Urin ausgeschieden. Raucher und Vielverzehrer bestimmter Lebensmittel haben eine effektive Möglichkeit, ihre Exposition gegenüber kardiotoxischen Metallen selbst zu reduzieren. Ansonsten können Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit die Grundbelastung der Menschen senken und einen Beitrag zur Vermeidung von kardiovaskulären Erkrankungen leisten. |
Literatur
[1] Lamas GA et al. American Heart Association Council on Epidemiology and Prevention; Council on Cardiovascular and Stroke Nursing; Council on Lifestyle and Cardiometabolic Health; Council on Peripheral Vascular Disease; and Council on the Kidney in Cardiovascular Disease. Contaminant Metals as Cardiovascular Risk Factors: A Scientific Statement From the American Heart Association. J Am Heart Assoc 2023;12(13):e029852, doi: 10.1161/JAHA.123.029852
[2] Zweite Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung. BGBl 2023 I Nr. 159 vom 23. Juni 2023, www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/159/VO
[3] Fechner C et al. Results of the BfR MEAL Study: In Germany, mercury is mostly contained in fish and seafood while cadmium, lead, and nickel are present in a broad spectrum of foods. Food Chem X 2022;14:100326, doi: 10.1016/j.fochx.2022.100326
[4] Hackethal C et al. Total arsenic and water-soluble arsenic species in foods of the first German total diet study (BfR MEAL Study). Food Chem 2021;346:128913, doi: 10.1016/j.foodchem.2020.128913
[5] Kozak K, Antosiewicz DM. Tobacco as an efficient metal accumulator. Biometals 2023;36(2):351-370, doi: 10.1007/s10534-022-00431-3
[6] Shi G et al. Cadmium accumulation and growth response to cadmium stress of eighteen plant species. Environ Sci Pollut Res Int 2016;23(22):23071-23080, doi: 10.1007/s11356-016-7545-9
[7] Benavides BJ et al. Cadmium phytoextraction by Helianthus annuus (sunflower), Brassica napus cv Wichita (rapeseed), and Chyrsopogon zizanioides (vetiver). Chemosphere 2021;265:129086, doi: 10.1016/j.chemosphere.2020.129086
[8] Gitelman J et al. Lead toxicity from Ayurvedic medicines. CMAJ 2023;195(30):E1010-E1012, doi: 10.1503/cmaj.230592
[9] Saper RB et al. Lead, mercury, and arsenic in US- and Indian-manufactured Ayurvedic medicines sold via the Internet. JAMA 2008;300(8):915-923, doi: 10.1001/jama.300.8.915
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.