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Aus den Ländern
„Arzneimittelversorgung von Kindern am seidenen Faden“
AVNR warnt vor weiterer Verschlechterung der Lieferengpasssituation
Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes und Nationalen Paralympischen Komitees (DBS) e. V., Friedhelm Julius Beucher, hob in seinem Grußwort die Wichtigkeit der Apothekerinnen und Apotheker in der persönlichen Betreuung ganz besonders auch behinderter Menschen hervor: „Ihr helft den Menschen!“ Ganz besonders herzlich bedankte er sich für die Partnerschaft auf Landesebene mit den Apothekerorganisationen in Nordrhein-Westfalen (NRW), die vom 13. bis 16. September 2023 erneut den Behindertensport auf der Rehacare, der weltweit größten Messe für Rehabilitation und Pflege, aktiv unterstützen werden.
Unhaltbare Verhältnisse in der Arzneimittelversorgung
„Die Arzneimittelversorgung von Kindern und Babys im kommenden Winter hängt am seidenen Faden, einem immer dünner werdenden Faden. Was das bedeutet, können die Menschen jetzt schon bei der Abholung von Medikamenten in unseren Apotheken tagtäglich erleben“, betonte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein e. V. (AVNR) beim Sommerempfang. „Immer mehr Medikamente werden per Sonderzulassung aus dem Ausland in hektischer Weise importiert und zugelassen – und das unter Außerachtlassung jeglicher Sicherheitsaspekte. Ganz ohne Beipackzettel oder mit Beipackzetteln, die aber per KI übersetzt wurden und nur der Zulassung des Ursprungslands entsprechen – wenn überhaupt –, Kinderantibiotika ohne Dosierlöffel, Asthmamittel in komplett französischer Aufmachung, ohne jegliche deutsche Beschriftung – übrigens nur, um den Rabattvertrag einer deutschen Krankenkasse bedienen zu können, sind nur einige Beispiele dieser unhaltbaren Verhältnisse“, kritisierte Preis in seinem gesundheitspolitischen Statement. Apothekerinnen und Apotheker und ihre Apothekenteams würden von Tag zu Tag immer mehr bangen, eine leitliniengerechte und sichere Arzneimitteltherapie der Patienten sicherstellen zu können. „Die Arzneimittelversorgung verschlechtert sich weiter. So sind die Lieferengpässe gemäß BfArM-Liste innerhalb eines Jahres um über 25 Prozent auf aktuell über 500 gestiegen. Innerhalb von fünf Jahren sogar um über 150 Prozent“, konstatierte Preis.
Mehrere Tausend Arzneimittel nicht lieferbar
„Schon diese Zahlen untermauern die äußerst alarmierende Situation jetzt und im kommenden Winter. Allerdings spiegelt die Zahl auf dieser Liste nicht das wahre Ausmaß wider. Denn viele fehlenden Arzneimittel werden in dieser Liste nicht erfasst. Der Apothekerverband Nordrhein e. V. geht von mehreren Tausend nicht lieferbaren Arzneimitteln aus. Eine Umfrage des Apothekerverbandes Nordrhein hat im ersten Quartal dieses Jahres ergeben, dass mittlerweile jedes zweite Rezept von Lieferengpässen betroffen ist“, sagte Preis.
Allein in NRW seien Tag für Tag über 300.000 Patienten mit ihren Medikationen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln betroffen. Um trotzdem die Versorgung der Patienten sicherzustellen, bedeute das für Apotheken einen enormen Personalaufwand. „Für diesen enormen Mehraufwand sieht das aktuelle Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) ein lächerliches Almosen von 50 Cent für das Lieferengpass-Management vor – eine Beleidigung für uns als Apothekerinnen und Apotheker und unsere Teams“, stellte Preis klar. Nach Berechnungen der ABDA betrage der jährliche Gesamtstundenaufwand für das Management von Lieferengpässen rund 5,62 Mio. Stunden.
Mehrbelastung der Apotheken forciert Apothekenschließungen
„Betriebswirtschaftlich stark verschärfend komme noch hinzu, dass unser apothekerliches Abgabehonorar schon quasi zwei Jahrzehnte einen permanenten Stillstand erlebt. Und nicht nur das: Seit dem 1. Februar 2023 müssen die Apotheken laut Gesetz einen um 23 Cent auf 2 Euro erhöhten Kassenabschlag pro Rx-Packung zahlen – Geld, das den Apotheken vor Ort fehlt“, so Preis. Mit der Erhöhung des Apothekenabschlags seit dem 1. Februar werde jede Apotheke mit 600 Euro pro Monat zusätzlich belastet. Das mache allein in den elf Monaten des Jahres 2023 rund 115 Millionen Euro Belastung aus. Das Geld fehle zur Versorgungssicherung und bei der Nachwuchsgewinnung. Preis forderte daher Politik und Krankenkassen erneut nachdrücklich auf, die Apotheken nicht kaputtzusparen und das seit mehr als zehn Jahren geltende Fixhonorar endlich zu erhöhen.
Apothekenanzahl besorgniserregend im Sinkflug
Preis machte auch deutlich, dass sich die Zahl der Apotheken bundes- und landesweit weiter besorgniserregend im Sinkflug befindet: „Ein Signal für die immer dünner werdenden betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind allein die 1250 Apothekenschließungen in Deutschland seit unserem letzten Sommerempfang im September 2019. Damit hat sich die traurige Prognose aus 2019 bewahrheitet, weniger als 18.000 Apotheken zu haben. Aktuell sind es 17.825 (Stand: 30. Juni 2023), 2009 waren es noch über 20 Prozent mehr. Mit Blick aufs Rheinland stellte Preis fest: „Zum Ende des Jahres werden wir sehr wahrscheinlich weniger als 2000 Apotheken in Nordrhein haben, aktuell sind es 2027, im Jahr 2009 waren es noch 2507 Apotheken und somit fast 25 Prozent mehr.“ Schon jetzt würde Deutschland bei der Apothekendichte im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern zählen, betonte Preis.
Weniger Apotheken müssen immer mehr Menschen versorgen
Mit Verweis auf die wachsende Bevölkerungsanzahl machte Preis deutlich: „Immer weniger Apotheken, die zusätzlich auch unter einem extremen Fachkräftemangel leiden, müssen immer mehr Menschen versorgen – auch weil die Bevölkerungszahl in Deutschland entgegen der Prognosen weiter gestiegen ist. So nahm in fünf Jahren von 2017 bis 2021 die Zahl der Bürger um fast 10 Prozent zu, die eine Apotheke statistisch versorgt“, so Preis. Nicht geirrt hätten sich die Forscher bei der stark zunehmenden Alterung unserer Bevölkerung. Deutschland werde immer älter und damit auch die zu versorgenden Patienten und Kunden in den Apotheken. So sei die Zahl der zu versorgenden über 60-jährigen Bürger im Fünf-Jahres-Zeitraum 2017 bis 2021 bereits um fast 15 Prozent und die der über 80-jährigen sogar um über 30 Prozent pro Apotheke gestiegen. Gerade weil diese Patienten viele Medikamente bekommen, sei ihre Betreuung und Beratung in den Apotheken auch wesentlich aufwendiger als bei jüngeren Patienten. Dieser Trend sei weiter anhaltend, konstatierte Preis. Nach Berechnungen des AVNR werde es bis 2045 über alle Altersgruppen zu einem Anstieg bei den Arzneimittelabgaben, pharmazeutischen Beratungen und Dienstleistungen in den Apotheken von über 30 Prozent kommen. Allein bei den besonders beratungsintensiven über 70-Jährigen führte dies sogar zu einem Anstieg von über 70 Prozent, so Preis. |
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