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Beratung

Alkohol ist doch eine Lösung

Händedesinfektionsmittel schützen vor Infektionen und schonen die Haut

Im Jahre 1847 erkannte der Arzt Ignaz Semmelweis, dass die Händedesinfektion mit Chlorkalk vor dem Kindbettfieber schützt, und legte damit den Grundstein für unser heutiges Verständnis von Hygiene und Prävention im Gesundheitswesen. Angefeindet von damaligen Kollegen, erlebte der Pionier die Anerkennung seiner Erkenntnisse nicht mehr. Chlorkalk wird heutzutage nicht mehr verwendet. Die hygienische Händedesinfektion mit Alkohol-Wasser-Lösungen zählt jedoch zu den wirksamsten Maßnahmen, um Infektionsketten zu unterbrechen und vorzubeugen [1, 2]. | Von Judith Esch 

In der Hornschicht der Epidermis sowie den Talgdrüsen siedeln unzählige Mikroorganismen, die in Symbiose mit der Haut leben und dem Organismus normalerweise nicht schaden. Zu ihnen gehören unter anderem Staphylokokken, Streptokokken und Propionibakterien. Sie bilden die residente Flora der Hautmikrobiota, die vor eindringenden Krankheitserregern schützt. Mikroorganismen, die über den Kontakt mit der Umwelt auf die Haut gelangen, verbleiben dort nur vorübergehend. Diese transiente Flora kann jedoch nach Umgang mit infizierten Patienten oder kontaminierten Gegenständen pathogene Erreger enthalten, die auf andere Personen übertragen werden oder den Träger selbst infizieren [3, 4].

Potenziell pathogene Erreger inaktivieren

Hände stellen die wichtigsten Überträger von Infektionserregern dar. Die adäquate Händehygiene gilt als eine der wesentlichsten Maßnahmen, um Infektionen innerhalb und auch außerhalb medizinischer Einrichtungen zu vermeiden [5]. Die hygienische Händedesinfektion hat zum Ziel, die transiente Flora schnell und effektiv so weit zu reduzieren, dass von ihr keine Infektionsgefahr mehr ausgeht [2, 6]. Im Gegensatz dazu richtet sich die chirurgische Händedesinfektion auch gegen die residente Flora [6]. Bakterien, die auf der Hautoberfläche keinen Schaden anrichten (zum Beispiel Staphylococcus epidermidis), können nosokomiale Infektionen auslösen, wenn sie bei einer Operation ins Körperinnere gelangen [4].

Auch die chirurgische Händedesinfektion kann eine mikrobielle Flora nur stark reduzieren. Eine vollständige Inaktivierung aller Mikroorganismen ist durch eine Desinfektion nicht möglich [5]. Die WHO formuliert folgende Indikationen für eine hygienische Händedesinfektion: vor und nach einem Patientenkontakt, vor aseptischen Tätigkeiten und nach Kontakt mit infektiösem Material [2]. Auch wenn sich die Indikationen vorrangig an medizinisches Personal richten, profitieren auch Personen im privaten Umfeld von einer Händedesinfektion. Im Alltag lässt sich im Krankheitsfall das Risiko reduzieren, selbst Erreger zu übertragen oder sich bei anderen anzustecken [5, 7]. Wie effektiv eine Händedesinfektion ist, hängt nicht nur von der Wirkstoffzusammensetzung des jeweiligen Desinfektionsmittels ab. Auch die richtige Menge, Technik und Einwirkzeit sowie der Hautzustand spielen eine wesentliche Rolle (s. Kasten „Hände richtig desinfizieren“) [6].

Hände richtig desinfizieren

Um die Hände effizient desinfizieren zu können, sollten sie von groben Schmutz gereinigt sein. Uhren und Schmuck ablegen und die trockenen Hände mit ausreichend Desinfektionsmittel vollständig benetzen. Nach der im Poster „Schritte der hygienischen Händedesinfektion“ gezeigten Reihenfolge Handflächen, Handrücken und die Finger und Fingerkuppen einreiben und die Bewegungen jedes Schrittes fünfmal wiederholen. Die Hände sollten die ganze Zeit feucht bleiben. Die Einwirkzeit richtet sich nach dem Erregerspektrum, das inaktiviert werden soll. Bakterien und Hefen werden wirksam nach 30 Sekunden inaktiviert [6, 33]. Wir stellen Abonnenten der DAZ das Poster zum Download zur Verfügung: geben Sie einfach den Webcode L4JU8 direkt in die Suchfunktion auf DAZ.online ein.

Arzneimittel oder Biozidprodukt?

Um Händedesinfektionsmittel für medizinische Zwecke verlässlich zu bewerten und zu überwachen, wurden diese in der Vergangenheit ausschließlich durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen. Seit der Einführung des Biozidrechts 2016 zählen alle neu entwickelten Händedesinfektionsmittel in der gesamten Europäischen Union zu den Bioziden und unterliegen in Deutschland der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Dennoch werden zukünftig Händedesinfektionsmittel mit der Indikation Krankheitsprävention weiterhin nach Arzneimittelrecht geprüft und zugelassen.

Geprüfte Desinfektionsmittellisten

Die Wirksamkeitsprüfung von Desinfektionsmitteln mit medizinischer Zweckbestimmung beruht auf den europäischen Normen und in Deutschland auch auf den Methoden des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH) sowie der Leitlinie der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) e. V. und des Robert Koch-Instituts [8]. Diese Wirksamkeitsprüfung bildet auch die Grundlage für die Aufnahme in die Desinfektionsmittellisten des Robert Koch-Instituts (RKI-Liste) und des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH-Liste) [9]. Die RKI-Liste wird in Deutschland für behördlich angeordnete Desinfektionsmaßnahmen herangezogen. Für den routinemäßigen Einsatz im humanmedizinischen Bereich ist die VAH-Liste ausgerichtet [10]. Ob ein Desinfektionsmittel auch für die chirurgische Händedesinfektion geeignet ist, kann der VAH-Liste oder der Deklaration des Präparates entnommen werden.

Bakterizid – fungizid – viruzid?

Die Wirksamkeit von Händedesinfektionsmitteln wird durch die Angabe der Wirkspektren spezifiziert. Die Mindestanforderung umfasst eine bakterizide und levurozide (gegen Hefepilze, z. B. Candida albicans) Wirksamkeit. Auch Bakterien mit Antibiotikaresistenzen wie der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) werden sicher erfasst. Das Robert Koch-Institut definiert für seine Desinfektionsmittelliste den Wirkungsbereich A, der wirksam gegen Bakterien, einschließlich Mykobakterien, Pilze und Sporen ist sowie die Wirkungsbereiche begrenzt viruzid (wirksam gegen behüllte Viren) und B (wirksam gegen behüllte und unbehüllte Viren) [6, 11].

Zu den behüllten Viren gehören unter anderem SARS-CoV-2(Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2)- und HI-Viren (Human immunodeficiency virus) [12].

Daneben führte der Arbeitskreis Viruzidie beim Robert Koch-Institut, bestehend unter anderem aus Mitgliedern der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten und des Verbundes für Angewandte Hygiene, die Einstufung begrenzt viruzid PLUS ein. Die Gründung dieser Kategorie war erforderlich, da die unbehüllten Noro-, Rota- und Adenoviren zwar eine größere Stabilität als behüllte Viren aufweisen, die jedoch nicht an die der Enteroviren heranreicht, die unter die Kategorie viruzid fallen [13].

Alkohol für die Hände

Besonders im medizinischen Bereich sollten nur Händedesinfektionsmittel verwendet werden, deren Wirksamkeit durch ausgewiesene Stellen belegt ist [12]. Das Robert Koch-Institut und der Verbund für Angewandte Hygiene empfehlen Händedesinfektionsmittel auf Alkoholbasis. Diese bieten den Vorteil einer schnellen Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit und fehlender sensibilisierender Potenz. Eingesetzt werden Alkohol-Wasser-Gemische mit den Alkoholen Ethanol, Propan-1-ol und/oder Propan-2-ol sowohl bei der hygienischen als auch bei der chirurgischen Händedesinfektion. Letztere benötigt eine längere Einwirkzeit von 1,5 Minuten, wobei nicht nur die Hände, sondern auch die Unterarme mit desinfiziert werden. Anschließend erfolgt eine einminütige Lufttrocknung, bevor die OP-Handschuhe angelegt werden [2]. Die schnelle und breite antimikrobielle Wirkung beruht auf der Denaturierung von Proteinen, die zu einer irreversiblen Schädigung der Erregermembran führt [14, 15]. Alkohole wirken gegen Bakterien, Pilze und Viren [15]. Gegen bakterielle Sporen (Bacillus, Clostridium), Helminthen und Protozoen sind sie allerdings wirkungslos [9, 11]. Bei gleicher Konzentration ist Propan-1-ol der wirksamste der drei Alkohole [2]. Der optimale bakterizide Wirkbereich liegt bei Propan-1-ol zwischen 50 und 60%, bei Propan-2-ol zwischen 60 und 85% und bei Ethanol zwischen 70 und 80%. Gegen unbehüllte Viren wie das Norovirus sind höhere Konzentrationen von Ethanol und Propan-2-ol erforderlich (über 80%), wobei die Wirksamkeit bei Letzterem nicht verlässlich ist. Propan-1-ol inaktiviert dagegen bereits ab 50% Noroviren zuverlässig. Synergistisch kombiniert, können jeweils niedrigere Konzentrationen eingesetzt werden (s. Tab. 1).

Reiner Ethanol (über 99%) ist dagegen weder bakterizid noch viruzid, da Wasser nötig ist, um seine Wirksamkeit zu vermitteln [14]. Tuchsysteme sind keine geeignete Alternative zur alkoholischen Händedesinfektion, auch wenn sie mit geprüften Desinfektionsmitteln getränkt sind, da ihre Wirkung dem Händewaschen gleichkommt [6].
 

Tab. 1: Ausgewählte Desinfektionsmittel für die hygienische Händedesinfektion [11, 26 – 32]
Produktname
Wirkstoffe in 100 g Lösung
Wirkungsbereich bzw. Einwirkzeit in Sekunden
Angaben nach RKI
Angaben nach jeweiligem Hersteller1
RKI gelistet/
VAH-gelistet
Anmerkungen
Wirkungs­bereich A2
bakterizid
mykobakterizid
levurozid
begrenzt viruzid/begrenzt viruzid PLUS
viruzid
Sterillium®
Bode Chemie
Propan-2-ol 45,0 g
Propan-1-ol 30,0 g
Mecetroniumetil­sulfat 0,2 g
30
30
30/–
15/60
ja/ja
enthält remanenten Wirkstoff, Farb- und Duftstoffe
Sterillium®classic pure
Bode Chemie
Propan-2-ol 45,0 g
Propan-1-ol 30,0 g
Mecetroniumetilsulfat 0,2 g
30
30
30/–
15/60
ja/ja
enthält remanenten Wirkstoff, farbstoff- und parfümfrei
Sterillium® med
Bode Chemie
Ethanol 99% 85,0 g
30
30 + fungizid
30/–
15/30
ja/ja
farbstoff- und parfümfrei
Sterillium® Virugard
Bode Chemie
Ethanol 99% 95,0 g
30
30 + fungizid
30/-
15/60
120
120
ja/ja
farbstoff- und parfümfrei
Sterillium® pure
Bode Chemie
Propan-2-ol 45,0 g
Propan-1-ol 30,0 g
30
15/60
nein/ja
farbstoff- und parfümfrei, besonders für sensible Haut geeignet
desderman®
Schülke & Mayr
Ethanol 96% 78,2 g
30
30
30/–
15/15
60
ja/ja
farbstoff- und parfümfrei
desderman® care
Schülke & Mayr
Ethanol 96% 89,1 g
30
60 + fungizid
15/15
30
nein/ja
farbstoff- und parfümfrei, enthält Dexpanthenol und Vitamin E
desmanol® pure
Schülke & Mayr
Propan-2-ol 75,0 g
30
15/120
nein/ja
farbstoff- und parfümfrei, enthält Dexpanthenol
desmanol® care
Schülke & Mayr
Propan-2-ol 70,0 g
Ethanol 96% 9,9 g
30
30
15/60
ja/ja
farbstoff- und parfümfrei,
enthält Dexpanthenol
Promanum® pure
B. Braun
Ethanol 100% 73,4 g
Propan-2-ol 10,0 g
30
30
30/–
15/30
ja/ja
farbstoff- und parfümfrei
Softa-Man®
B. Braun
Ethanol 100% 45,0 g
Propan-1-ol 18,0 g
30
30
30/–
15/30
ja/ja
farbstofffrei, enthält Dexpanthenol, Bisabolol und Allantoin
Softa-Man® acute
B. Braun
Ethanol 100% 45,0 g
Propan-1-ol 18,0 g
30
30
–/–
15/30
60
60
ja/ja
farbstoff- und parfümfrei
Softa-Man® pure
B. Braun
Ethanol 100% 45,0 g
Propan-1-ol 18,0 g
30
–/–
15/–
nein/ja
farbstoff- und parfümfrei, enthält Dexpanthenol, Bisabolol und Allantoin
Skinman® Soft Protect FF
Ecolab
Ethanol 89,0 g
30
30/–
15/30
30
nein/ja
farbstoff- und parfümfrei, enthält Vitamin E und Dexpanthenol
Descoderm
Dr. Schuhmacher
Propan-2-ol 63,1 g
= Isopropanol 70% (V/V)
30
30
–/–
30/–
ja/ja
farbstoff- und parfümfrei
Aseptoman® Med
Dr. Schuhmacher
Ethanol 65,0 g
30
30
–/–
15/30
ja/ja
farbstoff- und parfümfrei

1 alle Herstellerangaben beruhen auf VAH/DVV/DIN EN-Prüfmethoden

2 nach RKI: bakterizid, mykobakterizid, fungizid

Hautverträglicher als Händewaschen

Hartnäckig hält sich in vielen Köpfen die Fehlannahme, dass eine häufige Händedesinfektion die Haut schädigt und Händewaschen schonender ist. Handwaschpräparate enthalten oberflächenaktive Substanzen, die bei häufiger Anwendung den Hydrolipidmantel der Hautoberfläche angreifen. Hautfette und Feuchthaltefaktoren gehen verloren, wodurch die Haut austrocknet. Entzündliche Hautveränderungen können die Folge sein.

Händedesinfektionsmittel auf Alkoholbasis beeinträchtigen die Hautbarriere viel weniger, da der Alkohol zwar auch Fette löst, diese jedoch auf der Haut verbleiben. Zusätzlich enthalten sie rückfettende Substanzen, welche den austrocknenden Eigenschaften des Alkohols entgegenwirken. Brennen beim Desinfizieren die Hände, ist dies ein Zeichen für eine vorgeschädigte Haut, verursacht durch Reinigungs­mittel und mangelhafte Handpflege.

Alkoholhaltige Desinfektionsmittel sind deutlich besser verträglich als häufiges Händewaschen [2, 6, 12]. Im Gesundheitswesen sollte das Händewaschen daher nur vor Arbeitsbeginn, bei sichtbarer Verschmutzung und nach dem Toilettengang erfolgen [12]. Absolut notwendig ist es außerdem immer dann, wenn Bakteriensporen oder Helminthen im Spiel sind, da sie nur durch den mechanischen Reinigungsvorgang entfernt werden [6].

Zusatzstoffe in Desinfektionsmitteln

Alkoholische Händedesinfektionsmittel können Zusatzstoffe enthalten, welche die Wirksamkeit und Verträglichkeit optimieren. So steigern Phosphor- oder Zitronensäure die viruzide Aktivität. Zur Wirkverstärkung werden häufig außerdem weitere Alkohole wie Butan-1-ol oder Propan-1,2-diol zugesetzt. Glycerol bindet im Stratum corneum Feuchtigkeit und stabilisiert die Barrierefunktion der Haut [14]. Antiseptische Substanzen wie Chlorhexidin, Octenidin, Polihexanid, quartäre Ammoniumverbindungen oder Biphenyl-2-ol zählen zu den remanenten Wirkstoffen, die nach der Verdunstung des Alkohols auf der Haut verbleiben. Studien konnten keine klinisch relevante Wirksamkeit, die signifikant über die der Alkohole hinausgeht, nachweisen. Bei Chlorhexidin kann es zudem zu einer starken Toleranzentwicklung der Erreger kommen. Deshalb ist der Zusatz in alkoholischen Hände­desinfektionsmitteln nicht empfohlen [14, 16]. Wenigen Produkten sind immer noch Farb- und Duftstoffe beigemischt, auf die wegen des Allergierisikos verzichtet werden sollte [17].

Sechs Hinweise zur Händedesinfektion

  • Das optimale Desinfektionsmittel besteht aus: Alkohol(e) + Wasser + Pflegesubstanz.
  • Gepflegte, gesunde Hände sind Voraussetzung für eine wirksame Desinfektion.
  • Weniger waschen, häufiger desinfizieren und dazwischen: cremen, cremen, cremen.
  • Immer dann desinfizieren, wenn das Risiko besteht, sich selbst oder andere mit Krankheitserregern zu kontaminieren.
  • Feucht genug und lang genug desinfizieren.
  • Händedesinfektion schützt vor Infektionen.

Wund- oder Hautantiseptika zur hygienischen Händedesinfektion?

Wundantiseptika enthalten Octenidin (octenisept®), Poli­hexanid (Prontosan®) oder Povidon-Iod (Betaisodona® Lösung, Braunol® Lösung). Octenidin und Povidon-Iod werden auch in Hautantiseptika zur Keimreduktion der Haut vor medizinischen Eingriffen eingesetzt. Bei dieser Indikation wird Octenidin (octeniderm®) mit den beiden Alkoholen Propan-1-ol und Propan-2-ol kombiniert. Ein weiteres Hautantiseptikum ist Kodan® Tinktur forte, das Propan-1-ol, Propan-2-ol und Biphenyl-2-ol enthält. Neben Povidon-Iod sind auch Kodan® Tinktur forte und octeniderm® aufgrund des Alkoholgehalts für die hygienische Händedesinfektion zugelassen, letztere jedoch nur, wenn keine „speziellen“ Händedesinfektionsmittel zur Verfügung stehen [18 – 23]. Iod, das aus der Komplexverbindung Polyvinylpyrrolidon (Povidon-Iod, PVP-Iod) freigesetzt wird, färbt jedoch stark, kann zu Überempfindlichkeitsreaktionen führen und wird über die Haut resorbiert. Bei Schilddrüsenerkrankungen ist es kontraindiziert (2, 15, 20].

Octenidin, Polihexanid und Biphenyl-2-ol gehören wie oben beschrieben zu den remanenten antiseptischen Wirkstoffen, deren Zusatz in Händedesinfektionsmitteln keinen klinischen Nutzen bringt [14, 16].

Desinfizieren ohne Alkohol?

„Frei von Alkohol“, „Ohne Alkohol“. Damit werben Hersteller auf Desinfektions-Handschaumpräparaten von Tempo® und Sagrotan®. Als desinfizierenden Inhaltsstoff enthalten die Präparate Milchsäure [24]. Nach dem Verbund für Angewandte Hygiene sind Produkte für die indizierte Händedesinfektion, die nicht VAH- oder RKI-gelistet sind oder deren Formulierungen nicht auf Alkohol basieren, nicht empfehlenswert [25]. Auch das Robert Koch-Institut sieht die Anwendung kritisch [8].

Welche Hautpflege nach der Händedesinfektion?

Eine effektive Händedesinfektion setzt eine gesunde Haut voraus. Versteckt in kleinsten Rissen trockener, geschädigter Haut, können Desinfektionsmittel die Krankheitserreger weniger wirksam erreichen. Die Anwendung von alkoholischen Händedesinfektionsmitteln anstelle häufigen Händewaschens und eine auf den Hauttyp abgestimmte Hautpflege helfen insbesondere in medizinischen Berufen, eine gesunde Haut zu erhalten (s. Tab. 2). Hier unterscheidet das Robert Koch-Institut zwei Produkttypen, um die Haut optimal zu versorgen. Hautschutzpräparate werden während der Arbeit aufgetragen und schützen vor Irritationen. Hautpflegepräparate sollen nach der Arbeit die Haut regenerieren [2]. Die Wirksamkeit der Händedesinfektionsmittel wird nicht beeinträchtigt. Selbst bei schmutziger, fettiger Haut bleibt die Wirkung überwiegend erhalten [6]. Um einer Sensibilisierung vorzubeugen, sollten Produkte zum Einsatz kommen, die frei von Duft- und Konservierungsstoffen sind. Harnstoff eignet sich nicht als Inhaltsstoff von Hautschutzpräparaten, da er penetrationsfördernd wirkt. Aufgrund der Kontaminationsgefahr sollten Hautpflege- und Hautschutzpräparate zudem aus Spendern oder Tuben verwendet werden [2].
 

Tab. 2: Ausgewählte parfümfreie Handschutz- und Handpflegepräparate [28-32]. Nach Herstellerangaben sind die Hautschutz- und Hautpflegeprodukte mit den jeweiligen Händedesinfektionsmitteln der eigenen Firma kompatibel.
Haupt­anliegen
Hauttyp/Hautzustand
Präparat (Beispiele)
normal
trocken
zu Allergien neigend
strapaziert
Hautschutz
+
+
+
+
Baktolan® protect + pure Hartmann
+
+
+
sensiva® protective cream Schülke & Mayr
+
sensiva® protective emulsion Schülke & Mayr
+
+
+
+
Silonda® Protect Ecolab
+
+
Descolind® Expert protect cream Dr. Schumacher
Hautpflege
+
+
+
+
Baktolan® balm pure Hartmann
+
+
Baktolan® lotion pure Hartmann
+
+
sensiva® dry skin balm Schülke & Mayr
+
+
+
sensiva® regeneration cream Schülke & Mayr
+
+
+
Trixo®-lind pure B. Braun
+
+
Silonda® Sensitive Ecolab
+
+
Descolind® Expert light cream Dr. Schumacher
+
+
+
Descolind® Expert intense cream Dr. Schumacher
+
Descolind® Pure light cream Dr. Schumacher
++
Descolind® Pure intensive cream Dr. Schumacher

Fazit

Die alkoholische Händedesinfektion ist eine einfache und wirksame Maßnahme, sich selbst und andere Menschen vor Infektionen zu schützen. Immer noch ist eine verstärkte Aufklärung insbesondere in medizinischen Bereichen notwendig, um hartnäckige Fehlannahmen zu beseitigen und Anwendungsfehler zu korrigieren. So kann die Compliance erhöht und vor allem das Risiko von nosokomialen Infektionen gesenkt werden. |

Literatur

 [1] Best M, Neuhauser D. Ignaz Semmelweis and the birth of infection control. Qual Saf Health Care 2004;13(3):233-234

 [2] KRINKO-Empfehlung. Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Bundesgesundheitsbl. 2016;59:1189-1220, www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Downloads/Haendehyg_Rili.pdf?__blob=publicationFile

 [3] Grice EA, Segre JA. The skin microbiome. Nat Rev Microbiol. 2011;9(4):244-253.

 [4] Pistone D, Meroni G, Panelli S et al. A Journey on the Skin Microbiome: Pitfalls and Opportunities. Int J Mol Sci 2021;22(18):9846

 [5] Maßnahmen zur Händehygiene. Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 2012;17

 [6] Dichtung und Wahrheit – von Mythen, Irrtümern und Begleitumständen zur Händedesinfektion. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Epidemiologisches Bulletin. 2019;19

 [7] Wann ist es sinnvoll, Desinfektionsmittel im Privathaushalt zu verwenden? Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, www.infektionsschutz.de/hygienetipps/desinfektionsmittel/#c6393

 [8] Quo vadis Händedesinfektionsmittel: Arzneimittel oder Biozidprodukt? Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 2021;17

 [9] Wirkungsbereiche der Händedesinfektionsmittel – ein Beitrag zum Internationalen Tag der Händehygiene. Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 2014;18

[10] Robert Koch-Institut. Vorwort zur Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren. Bundesgesundheitsbl 2017;60:1270-1273

[11] Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren. Bundesgesundheitsbl. 2017;60:1274-1297, Stand Oktober 2017

[12] Sonsmann FK, Wilke A, Niknam S et al. Pflege Kolleg 6 – Händehygiene. Procare 2022;27(4):35-47

[13] Schwebke I, Arvand M, Eggers M et al. Empfehlung zur Auswahl viruzider Desinfektionsmittel - eine neue Stellungnahme des Arbeitskreises Viruzidie beim RKI. www.krankenhaushygiene.de/referate/d13b4982da4e67a8f40f1d8c674171ed.pdf

[14] Wirkstoffe der alkoholischen Händedesinfektion – ein Beitrag zum Internationalen Tag der Händehygiene. Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 2016;17

[15] Wendt C, Hof H. Desinfektion und Sterilisation; in Hof H, Schlüter D, ed. Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. 8th ed. Stuttgart, Thieme, 2022:719-735

[16] Robert Koch-Institut. Bedeutung und Häufigkeit von Toleranzen gegenüber bioziden Wirkstoffen in Antiseptika und Desinfektionsmitteln. Epidemiologisches Bulletin. 2020;39.

[17] Schwarzkopf A. Hygienemanagement in der Pflege; in Jassoy C, Schwarzkopf A, ed. Hygiene, Infektiologie, Mikrobiologie. 3rd ed. Stuttgart, Thieme; 2018:192-218.

[18] Produktinformation octenisept® Wund-Desinfektion, abgerufen am 30.08.23

[19] Produktinformation Prontosan® Wound Spray, abgerufen am 30.08.23

[20] Fachinformation Betaisodona® Lösung, abgerufen am 30.08.23

[21] Produktinformation Braunol®, abgerufen am 30.08.23

[22] Produktinformation octeniderm® farblos, abgerufen am 30.08.23

[23] Produktinformation kodan® Tinktur forte farblos, abgerufen am 30.08.23

[24] Produktinformation Tempo®/Sagrotan® Hand-Desinfektionsschaum, abgerufen am 30.08.23, www.dm.de/sagrotan-handdesinfektionsschaum-reisegroesse-p4251758413581.html

[25] Verbund für Angewandte Hygiene e. V. Qualitätskennzeichen für den Einkauf von Händedesinfektionsmitteln. Stand 04/2020, https://vah-online.de/files/download/news/200430_VAH_Haendedesinfektion_Einkauf.pdf

[26] Desinfektionsmittelliste des Verbundes für Angewandte Hygiene e. V., https://vah-liste.mhp-verlag.de/

[27] Robert Koch-Institut. Nachtrag zur Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren. Bundesgesundheitsbl 2022;65:730-735, Stand März 2022

[28] Produktinformationen Händedesinfektion/Hautpflege BODE Chemie/Hartmann

[29] Produktinformationen Händedesinfektion/Hautpflege Schülke & Mayr

[30] Produktinformationen Händedesinfektion/Hautpflege B. Braun

[31] Produktinformationen Händedesinfektion/Hautpflege Ecolab

[32] Produktinformationen Händedesinfektion/Hautpflege Dr.Schumacher

[33] Verbund für Angewandte Hygiene e. V. Richtige Händedesinfektion.

https://vah-online.de/files/images/poster/Haendedesinfektion_Anleitung_2021_A4.pdf

Autorin

Judith Esch studierte Pharmazie in Münster. Neben ihrer Tätigkeit in der Offizin und dem Studium an der Freien Journalistenschule Berlin arbeitet sie als freie Autorin für die DAZ.

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