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Glaubenssache E-Rezept

Foto: Philip Kottlorz Fotografie

Julia Borsch, Chefredakteurin der DAZ

Ab dem 1. Juli 2023 soll es einen weiteren Einlöseweg für E-Rezepte geben. Es soll dann möglich sein, sie mittels der Versicherten­karte in der Apotheke abzurufen (siehe S. 16). Aber mal ganz ehrlich: Locken News zum E-Rezept eigentlich noch irgendwen hinter dem Ofen vor? So richtig dran glauben, dass es zeitnah wirklich flächendeckend eingeführt wird, tut doch die Mehrheit von uns Apothekern ohnehin nicht mehr. Daran dürfte auch die neue Abrufmöglichkeit nichts ändern. Und außer ausländischen Versendern und ein paar „Enthusiasten“ – es gibt zwischen beiden auch Schnittmengen – wartet doch auch kaum jemand aufs E-Rezept. Nicht einmal die Patientinnen und Patienten vermissen es. Dabei könnten für sie die elektronischen Verordnungen Vorteile haben: So sind zum Beispiel Wiederholungsverordnungen möglich. Das Rezept kann zudem vorab in die Apotheke der Wahl geschickt werden. Und zwar nicht wie bisher in Form einer Kopie oder eines Fotos, sondern die Apotheke, die zum Abruf berechtigt wird, hat sofort Zugriff auf die Originalverordnung. Außerdem können mit einem E-Rezept alle verordneten Positionen unabhängig voneinander in verschiedenen Apotheken eingelöst werden. Bislang gilt bei mehreren auf einem Verordnungsblatt verschriebenen Arzneimitteln: alles oder nichts. Insbesondere in Zeiten massiver Liefereng­pässe kann das für die Patientinnen und Patienten sehr hilfreich sein.

Weil die Einführung des E-Rezepts von vorne bis hinten eine kommunikative Kata­strophe war und ist, wissen die Patientinnen und Patienten aber gar nichts von den Möglichkeiten, die ihnen entgehen. Auch den Leistungserbringern wurden die potenziellen Vorteile der elektronischen Verordnungen nicht klar kommuniziert, weswegen ihnen das E-Rezept bestenfalls egal ist oder sie es wie einige kassenärztliche Vereinigungen ablehnen, ja sogar blockieren.

Oder gibt es etwa kaum Vorteile? Denn dadurch, dass versucht wurde, den analogen Prozess mehr oder weniger 1 : 1 in die digitale Welt zu übersetzen, kann eine elektronische Verordnung viele Mehrwerte aktuell gar nicht bieten, die potenziell in ihr stecken könnten. Beispiel gefällig? Eigentlich könnten, ja müssten E-Rezepte absolute Sicherheit vor Form­fehlern bieten. Es können aber im Moment auch E-Rezepte, auf denen die Dosierungs­angabe oder „Dj“ fehlt, in der Apotheke landen, weil das betreffende Feld gar kein Pflichtfeld ist. Hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung so festgelegt. Es ist aktuell auch keine Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) oder des elektronischen Medikationsplans (eMP) aus den Verordnungsdaten möglich, weil die Daten unterschiedliche Spezifikationen haben. Und eine Liste, in der alle verordneten Arzneimittel einfach gespeichert werden, gibt es bislang auch nicht. Eigentlich ist alles wie bisher, in vielen Fällen fällt nicht einmal das Papier weg, weil E-Rezepte noch mehrheitlich ausgedruckt werden.

In einigen Punkten soll immerhin nach­gebessert werden, der Entwurf für ein Digitalgesetz liegt seit Kurzem vor. Demzufolge sollen Daten so strukturiert werden, dass sie für verschiedene TI-Anwendungen nutzbar sind. Dann könnten, wenn der Patient nicht widerspricht, ePA und eMP automatisiert aus Verordnungs- und Dispensierdaten befüllt werden. Immerhin etwas. Außerdem soll das E-Rezept 2024 flächendeckend kommen – diesmal wirklich. Aber wer glaubt das schon?

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