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Länder verstehen Apotheken-Sorgen

Gesundheitsausschuss des Bundesrats fordert zahlreiche Änderungen am ALBVVG-Entwurf

ks/jb | Der Entwurf für das „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungs­gesetz“ (ALBVVG) muss aus Sicht der Gesundheitsexperten der Länder nachgebessert werden – gerade mit Blick auf die Regelungen, die Apotheken betreffen. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates hat in der vergangenen Woche eine Reihe von Empfehlungen hierfür vorgelegt. Dabei geht es unter anderem um besseren Retax-Schutz, Schluss mit der Präqualifizierung – und eine auskömmliche Apothekenvergütung.

Nachdem das ALBVVG Anfang April das Bundeskabinett passiert hat, ist seine nächste Station der Bundesrat. Am 12. Mai wird das Plenum der Länderkammer eine Stellungnahme zu den Gesetzgebungsplänen der Ampelkoalition beschließen. Vergangene Woche hat der Gesundheitsausschuss des Bundesrats seine Empfehlungen fürs Plenum vorgelegt. Sie enthalten eine ganze Reihe von Änderungs­vorschlägen, die für Apotheken von Interesse sind. Teilweise betreffen sie die Engpässe, einige gehen aber auch darüber hinaus. Dabei zeigt sich wie schon in so manchen Gesetzgebungsverfahren zuvor: In den Ländern treffen die Sorgen der Apotheken auf offenere Ohren als in der Bundespolitik.

So schlossen sich beispielsweise zehn Länder einem Vorstoß aus Rheinland-Pfalz an, dass bei einem Austausch wegen eines Lieferengpasses nach den in einem neuen § 129 Absatz 2a SGB V geplanten Vorgaben keine Retaxation stattfinden darf. Denn diese bedeut­same Klarstellung, die während der Pandemie galt und auch in der Übergangsregelung im Sozialgesetzbuch V vorgesehen ist, ist im ALBVVG-Entwurf nicht mehr zu finden. Für die Antragsteller aus den Ländern ist aber klar: „Die Apotheken benötigen für diesen Austauschprozess Rechtssicherheit und zuverlässige Rahmenbedingungen.“

Zwei Verfügbarkeitsanfragen am Tag sollen reichen

Empfohlen wird zudem ein weiterer Schliff an den erweiterten Austauschregeln: Statt die Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels durch „zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen“ beim Großhandel festzustellen, sollten „zwei täglich einmalig durchzuführende Verfügbarkeitsanfragen“ Voraus­setzung für den leichteren Austausch sein. So sieht es ein Antrag aus Nordrhein-Westfalen vor, den 13 Länder unterstützen. Die Begründung: Eine Abfrage je Patient bringe keinen zusätz­lichen Erkenntnisgewinn, führe aber zu Verzögerungen in der Versorgung und erzeuge insbesondere bei häufig verordneten und von Lieferengpässen betroffenen Arzneimitteln zusätzlichen, unnötigen bürokratischen Aufwand. Dies sei speziell vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels kritisch.

Kein Null-Retax bei Wirkstoff- und Dosierungsäquivalenz

Ein weiterer breit getragener Antrag aus Baden-Württemberg und NRW geht zudem das Thema Nullretax an. In § 129 Abs. 4 SGB V, der Retax-Regeln im Rahmenvertrag betrifft, soll folgendes klargestellt werden: „Die Höhe einer zulässigen Beanstandung darf bei Wirkstoff- und Dosierungsäquivalenz die preisliche Differenz zwischen dem abgegebenen und dem nach Maßgabe des Rahmenvertrages abzugebenden Arzneimittel nicht überschreiten.“ In der Begründung wird ausgeführt, dass der Rahmenvertrag zwar Fallgruppen vorsehe, in denen nicht (voll) retaxiert werden dürfe. Die Praxis zeige jedoch, dass dies nicht ausreiche, um Retaxationen „auf ein dem Ziel der Regelungen angemessenes Maß zu beschränken“. Hierdurch würden Apotheken über Gebühr benachteiligt und damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung insgesamt bedroht.

Vergütungsfragen auf den Tisch

Überdies gibt es Anträge, die den im Fall eines engpassbedingten Austausches vorgesehenen 50-Cent-Zuschlag in der Arzneimittelpreisverordnung adressieren. Sie kommen zum einen aus NRW und Baden-Württemberg sowie aus Brandenburg. Zu beiden enthalten sich nur zwei Länder (Sachsen-Anhalt und Sachsen). Der grundsätzliche Tenor: Die Apotheken brauchen insgesamt eine adäquate Ver­gütung – und nicht 50 Cent, die den Arbeitsaufwand fürs Engpassmanagement ohnehin nicht abbilden.

So heißt es etwa im Antrag von NRW und Baden-Württemberg: „Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Vergütung der Apotheken insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Energiekosten sowie der Infla­tion auf eine auskömmliche Grundlage zu stellen, um die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung auch zukünftig dauerhaft zu sichern. Hierzu ist es nach Auffassung des Bundesrates insbesondere erforderlich, die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung entsprechend anzupassen sowie Anpassungsmechanismen für sich ändernde Rahmenbedingungen, wie insbesondere Inflation oder Lohnkostensteigerungen, zu schaffen und speziell Apotheken in Regionen mit drohender Unterversorgung gezielt zu stärken.“

Der Brandenburger Antrag bittet die Bundesregierung unter anderem, „gemeinsam mit den Ländern neue Finanzierungskonzepte für Apotheken zu erarbeiten, die insbesondere die flächendeckende Arzneimittelversorgung im Fokus haben.“

Und es gibt noch eine dritte Empfehlungsvariante: Ein Antrag aus Bayern und NRW, der sich zum Gesetzentwurf im Allgemeinen äußert. Ein Punkt stellt dabei fest, dass die geplante 50-Cent-Aufwandsentschädigung die zusätzlichen Kosten der Apotheken nicht abdeckt. „Der Bundesrat fordert daher, im weiteren Gesetzgebungs­verfahren diesen Betrag fakten- und evidenzbasiert anzuheben, um den zusätzlichen Arbeitsaufwand für Apotheken realistisch zu kompensieren.“

Keine Mehrheit fand übrigens ein Antrag aus Rheinland-Pfalz, den Engpasszuschlag für die Apotheken auf 1 Euro zu erhöhen.

Betriebserlaubnis schlägt Präqualifizierung

Ein weiterer Antrag aus NRW spricht sich dafür aus, dass künftig für die Abgabe von apothekenüblichen Hilfsmitteln für Apotheken keine Präqualifizierung mehr erforderlich sein soll. Hier soll künftig die Apothekenbetriebserlaubnis ausreichen, um nachzuweisen, dass die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Lediglich Bayern und Sachsen enthielten sich zu diesem Antrag – alle anderen Länder stellten sich dahinter.

Begründet wird dies u. a. damit, dass Apotheken im Gegensatz zu anderen mit Hilfsmitteln versorgenden Stellen, wie z. B. Sanitätshäuser, der staatlichen Überwachung unterliegen und per Gesetz an die Apothekenbetriebsordnung sowie die damit einhergehenden hohen räumlichen und sachlichen Voraussetzungen gebunden sind. Insofern führe die Präqualifizierung speziell bei Apotheken zu einer nicht erforderlichen Doppelregulierung und unnötigen Bürokratie, ohne damit einen Mehrwert zu einer sichereren oder qualitativ höherwertigeren Patientenversorgung zu leisten. Zudem konterkarierten die derzeitigen Regelungen die eigentliche Absicht einer qualitativ hochwertigen Versorgung mit den benötigten apothekenüblichen Hilfsmitteln in Teilen, heißt es weiter. Der Präqualifizierungszwang führe nämlich dazu, dass ein Teil der Apotheken aus Ressourcengründen den bürokratischen Aufwand der Präqualifizierung nicht eingehe und damit auf die Abgabe von apothekenüblichen Hilfsmitteln verzichte. Speziell in ländlichen Gebieten, in denen es keine alternativen Abgabestellen für Hilfsmittel gebe, sei eine erschwerte Versorgung die Folge. Allerdings soll vor dem Hintergrund, dass die Apothekenbetriebserlaubnis nunmehr als Präqualifizierungsnachweis dient, die Versorgung mit apothekenüblichen Hilfsmitteln analog zu den Anforderungen für die Arzneimittelversorgung in das Qualitätsmanagement der Apotheke aufgenommen werden.

Mit einem ebenfalls nicht engpass­bezogenen Aspekt des ALBVVG befasst sich ein Antrag aus Sachsen. Hier spricht man sich dafür aus, die Pläne, den Pflichthinweis für die OTC-Werbung genderkonform zu gestalten ad acta zu legen. Der gewählte Ansatz sei zweifelsohne gut gemeint, die vorgeschlagene Formulierung greife jedoch zu kurz, heißt es in dem Antrag. So bleibe beispielsweise vollkommen unklar, wer genau in der Apotheke gefragt werden soll. Darüber hinaus werde auch das Ziel gender­gerechter Sprache, außer Frauen und Männern auch alle anderen Personen gleichzustellen, nicht erreicht. In Ermangelung eines besser geeigneten eigenen Vorschlags sollte an der bis­herigen – über viele Jahre bewährten – Formulierung festgehalten werden.

Nun bleibt abzuwarten, wie die Abstimmung im Bundesratsplenum ausfällt. Auch wenn es den Empfehlungen des Ausschusses folgen sollte, ist damit leider nicht viel gewonnen, da das ALBVVG nicht zustimmungspflichtig ist. Der Bundestag kann sich von den Ländern zwar anregen, aber nicht ausbremsen lassen.

ABDA fühlt sich verstanden

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening begrüßte die Empfehlungen aus den Ländern ausdrücklich: „Die Ratschläge aus den Gesundheitsministerien der Bundesländer bekommen unsere volle Unterstützung. Man sieht hier sehr deutlich, dass die Expertinnen und Experten aus den Landesministerien viel näher an den wirklichen Problemen und Heraus­forderungen im Versorgungsalltag sind. Die Bundesländer haben schlichtweg verstanden, wie groß der Druck auf den Apothekenteams nach der Coronaviruspandemie und durch die Lieferengpasskrise ist. Sie haben auch verstanden, dass wir unbedingt sofort finanzielle und bürokratische Entlastungen brauchen, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Man kann nur hoffen, dass das Plenum des Bundesrates diesen sehr weisen Empfehlungen folgt. Sollte dieser Bundesratsbeschluss zustande kommen, sollten sich die Abgeordneten des Bundestages die Empfehlungen ihrer Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern sehr genau anschauen und schnellstmöglich in das Gesetz einbringen.“ |

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