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Metformin
Die Nummer 1 unter den oralen Antidiabetika hat noch mehr zu bieten
Ungefähr neun Millionen Menschen in Deutschland sind von der Diagnose Diabetes mellitus betroffen. Davon entfallen ca. 8,7 Mio. auf einen Typ-2-Diabetes, der durch einen relativen Mangel an Insulin oder eine Insulinresistenz gekennzeichnet ist. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegt, die Inzidenzen steigen werden und der Therapie eine zunehmend größere Bedeutung zukommen wird [1].
Ziel einer Diabetestherapie ist nicht nur die Senkung der Blutglucosewerte für eine primäre Symptomfreiheit, sondern auch langfristig die Vermeidung von Sekundärkomplikationen, die als Folge von Mikro- und Makroangiopathien in Form von Erblindungen, Neuropathien, Amputationen sowie Dialysepflichtigkeit durch Niereninsuffizienz das Krankheitsbild des fortgeschrittenen Diabetes mellitus prägen. Besonders im Fokus der Therapie steht die Verringerung des kardiovaskulären Risikos, das bei Typ-2-Diabetikern zwei- bis dreifach erhöht ist und ca. 35% der Patienten betrifft [2].
Es existieren verschiedene Wirkstoffgruppen oraler Antidiabetika, deren Vertreter entsprechend ihrer Wirkungsweise in die insulinotropen und nicht-insulinotropen Wirkstoffe unterteilt werden. Wichtigster Parameter des therapeutischen Ansprechens und Einstellens der Patienten mit Typ-2- Diabetes ist der HbA1c-Wert (physiologisch < 5,7%). Im pathophysiologischen Kontext wird ein Wert unter 7% angestrebt, um mikro- und makrovaskuläre Spätschädigungen signifikant zu reduzieren [2].
Metformin gehört zu den nicht-insulinotropen Antidiabetika. Aufgrund seines Wirkmechanismus (im Detail s. u.) resultiert ein sehr vorteilhaftes Wirkungsprofil, das neben einer zuverlässigen Senkung der Blutglucosewerte (ca. 1 bis 2% HbA1c-Werte) faktisch ohne Hypoglykämierisiko auch eine Gewichtsreduktion sowie ein kardioprotektives Potenzial aufweist. Da Metformin auch ideale Kombinationsbedingungen mit sowohl insulinotropen wie auch nicht-insulinotropen Wirkstoffen bietet, ist es das Therapeutikum der ersten Wahl bei Diabetes mellitus Typ 2.
Metformin besitzt eine Biguanid-Struktur (s. Abb.) und repräsentiert dabei den letzten verbliebenen Wirkstoff der Klasse der antidiabetischen Biguanide. Die erste Entdeckung der blutzuckersenkenden Eigenschaften von Guanidinen datiert mehr als 100 Jahre zurück. Getriggert von dieser Erkenntnis wurden in den 1920er-Jahren synthetische Guanidin-Derivate erzeugt und auf ihre blutzuckersenkende Wirksamkeit untersucht. Da viele dieser Derivate aufgrund von Toxizitäten oder anderen unerwünschten Wirkungen für eine klinische Entwicklung ausschieden, kamen ab den 1950er-Jahren Biguanide, neben Metformin insbesondere Buformin und Phenformin als stärker wirksame und besser verträgliche Arzneistoffe in den Fokus der Forschung. Diese fanden nach ihrer Zulassung in den 60er-Jahren (Metformin 1968) den Weg in die klinische Anwendung. Seit den 70er-Jahren häuften sich allerdings Hinweise, dass unter einer Therapie mit Biguaniden Laktatazidosen bei den behandelten Patienten gehäuft auftreten. Daraufhin versuchte man durch Anwendungsbeschränkungen dieser Problematik zu begegnen – aus heutiger Sicht im Blindflug, denn der molekulare Wirkmechanismus der Biguanide war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Letztlich aber wurden Buformin und Phenformin 1978 in (West-)Deutschland vom Markt zurückgezogen. Im Kontext dieser Skepsis gegenüber den Biguaniden erhielt Metformin erst im Jahr 1994 seitens der FDA eine Zulassung zur Therapie in den USA. Diese kritische Wahrnehmung des Metformins wandelte sich aber entscheidend, als im Jahr 1998 mit der UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) die sehr positive Langzeitwirkung von Metformin hinsichtlich Kardioprotektion und Gesamtmortalität nachgewiesen werden konnte [3]. Es zeigte sich in dieser Zehnjahresstudie an über 4000 Typ-2-Diabetikern, dass unter Metformin, verglichen mit Insulin und Sulfonylharnstoffen, die klinischen Endpunkte der krankheitsbezogenen Mortalität am stärksten reduziert wurden. Die Studie legte den Grundstein für die Empfehlung von Metformin als Primärtherapeutikum bei Typ-2-Diabetes und hat somit entscheidend zur Neubewertung des Biguanids beigetragen.
Metformin in der Therapie des Typ-2-Diabetes
Die Nationale Therapeutische Versorgungsleitlinie zum Typ-2-Diabetes mit Stand 2021 [4] berücksichtigt neben der Pharmakotherapie der Leitsymptomatik Hyperglykämie auch Einflussfaktoren durch prognostisch relevante Begleiterkrankungen, z. B. der Hypertonie, Hyperkoagulabilität sowie Dyslipidämien. Die primären Therapieziele sind dabei die Verringerung der Diabetes-assoziierten Komplikationen durch eine langfristige Senkung des HbA1c-Wertes sowie die Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens kardiovaskulärer sowie renaler Ereignisse.
Metformin gilt dabei als Mittel der ersten Wahl, welches abhängig von individuellen Risikofaktoren entweder als Monotherapie (Patienten ohne erhöhtes Risiko) oder in Kombination (Patienten mit Risiko für renale oder kardiovaskuläre Erkrankungen) eingesetzt werden soll. Dabei sind die Kombinationen mit den ebenfalls nicht-insulinotropen SGLT-2-Inhibitoren (Gliflozinen) oder einem GLP-1-Rezeptoragonisten (Glutiden) vorrangig. Sollte das individuelle Therapieziel innerhalb von drei bis sechs Monaten nicht erreicht sein, kann ein zusätzlicher Arzneistoff eingesetzt werden. Auf dieser therapeutischen Stufe sind dann auch Sulfonylharnstoffe sowie Dipeptidyl-Peptidase-4-Inhibitoren (DPP4-Hemmer = Gliptine) zu berücksichtigen. Auch eine Kombination von Metformin mit Insulin ist für Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion oder einer diabetogenen Medikation (Glucocorticoide) aufgelistet [4].
Die Kombination von Metformin mit anderen Wirkstoffen wurde auch in der kürzlich veröffentlichten GRADE-Studie untersucht. In dieser auf ca. zehn Jahre ausgelegten Studie mit früh an Typ-2-Diabetes erkrankten amerikanischen Patienten wurde die Effektivität und Sicherheit diverser Kombinationen verglichen. Es zeigte sich, dass eine Kombination aus Metformin mit Liraglutid (GLP-1-Agonist) oder mit dem Basalinsulin Glargin effektiver im Erreichen der HbA1c-Zielwerte war als die Kombinationen von Metformin mit dem Sulfonylharnstoff Glimepirid oder dem DPP4-Inhibitor Sitagliptin [5]. Hinsichtlich kardiovaskulärer Komplikationen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede, während wie zu erwarten die Kombination mit Sulfonylharnstoffen ein erhöhtes hypoglykämisches Risikopotenzial aufwies [6]. Da zu Studienbeginn die SGLT-2-Inhibitoren noch nicht zugelassen waren, sind direkte Vergleiche zu den heute eher favorisierten Kombinationen leider nicht abzuleiten.
Pharmakokinetik
Metformin wird nur in oraler Form (in erster Linie als Tabletten, wobei auch ein Saft verfügbar ist) verabreicht. Der maximale Wirkstoffspiegel im Blut wird nach ca. 2,5 Stunden erreicht. Die Bioverfügbarkeit beträgt dabei ca. 50 bis 60%. Der Transport durch Zellmembranen findet hauptsächlich mittels organischen Kationentransportern (OCT) statt. Der Wirkstoff wird nicht metabolisiert und dominant renal ausgeschieden. Dabei findet neben der glomerulären Filtration auch eine tubuläre Sekretion statt, deren Einschränkung in einer Wirkstoffakkumulation resultiert, welche die Gefahr einer Laktatazidose erhöht. Dementsprechend muss bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion die Dosis angepasst werden [7, 8].
Komplexe Wirkmechanismen
Obwohl Metformin seit Jahrzehnten in der Diabetestherapie angewendet wird, sind die Erkenntnisse zu dessen Wirkmechanismus erst in den letzten Jahren in ihrer Komplexität deutlich geworden. Metformin beeinflusst vielfältige Glucose-Stoffwechselvorgänge, allerdings wird seine antidiabetische Aktivität grundsätzlich drei Wirkmechanismen zugeschrieben. Neben der Verzögerung der Glucose-Aufnahme aus dem Verdauungstrakt sowie der Erhöhung der Glucose-Aufnahme in muskuläres Gewebe hat die Reduktion der Gluconeogenese in der Leber eine besondere Bedeutung (Abb.) [7].
Im Verdauungstrakt wird die Aufnahme von Glucose, unter anderem durch eine von Metformin induzierte vermehrte Expression von Inkretinen, wie dem Glucagon like Peptide 1 (GLP-1) verzögert. Vor diesem Hintergrund erscheint die Kombination von Metformin mit Gliptinen (DPP-4-Inhibitoren) funktionell vorteilhaft, so dass durch ihren gehemmten proteolytischen Abbau Inkretine vermehrt zur Verfügung stehen. Metformin beeinflusst auch das Mikrobiom, was mit einer veränderten Glucose-Verwertung einhergehen könnte. Aufgrund dieser „lokalen“ Wirkung, die auch durch eine starke Akkumulation des Wirkstoffs im GI-Trakt zu erklären ist, hat sich eine orale Verabreichung als optimal erwiesen [8 – 10].
Weiterhin wird Metformin ein gewisser Einfluss auf die Aktivität der Glucose-Transporter (GLUT) zugesprochen, die für eine erhöhte Glucose-Aufnahme ins Gewebe verantwortlich sind, wodurch wiederum der Glucose-Gehalt im Blut gesenkt wird [7, 10].
Der dritte, und vermutlich wichtigste Wirkmechanismus basiert auf der Hemmung der hepatischen Gluconeogenese. Dies geschieht hauptsächlich durch die nichtkompetitive Inhibierung der mitochondrialen Glycerol-3-phosphat-Dehydrogenase (mGPD). Die mGPD ist für die Bereitstellung des Glucose-Präkursors Dihydroxyaceton essenziell, der aus Glycerol-3-Phosphat generiert wird. Weiterhin führt die Hemmung der mGPD zu einer zytosolischen Akkumulation von NADH, welches wiederum die Lactat-Dehydrogenase hemmt. Die Lactat-Dehydrogenase ist für die Konversion von Lactat zu Pyruvat, einem weiteren wichtigen Baustein für die Gluconeogenese, zuständig. Schlussendlich wird durch die Inhibierung der mGPD direkt der Gehalt an Dihydroxyaceton, und indirekt durch die Änderung des intrazellulären Redoxstatus, die Verfügbarkeit von Pyruvat gesenkt. Damit fehlen zwei essenzielle Grundbausteine der hepatischen Neusynthese von Glucose [11].
Außerdem aktiviert Metformin die AMP aktivierte Proteinkinase (AMPK). Dies scheint weniger relevant für die direkten antidiabetischen Effekte des Metformins. Da die AMPK aber an der Regulation diverser energetischer Stoffwechselprozesse sowie an Immunprozessen beteiligt ist, wird deren Aktivierung durch Metformin für diverse pleiotrope Effekte verantwortlich gemacht (s. u.) [8].
Die Nebenwirkungen
Metformin ist grundsätzlich ein gut verträglicher Arzneistoff. Die einzig nennenswerten „sehr häufig“ auftretenden Nebenwirkungen betreffen den GI-Trakt. Dabei kann es gerade bei Therapiebeginn oder unter hohen Metformin-Dosierungen zu Übelkeit, Durchfall, Erbrechen oder einer ähnlichen Symptomatik kommen. Um diese Nebenwirkungen möglichst gering zu halten, empfiehlt sich eine einschleichende Dosierung oder die Tagesdosis auf mehrere Einnahmen aufzuteilen. Ebenfalls „häufig“, also bei 1 bis 10% der Patienten, können Geschmacksänderungen auftreten, während alle weiteren Nebenwirkungen als „sehr selten“ klassifiziert werden und somit weniger als jeden 10.000sten Patienten betreffen. Unter diesen Nebenwirkungen befindet sich allerdings auch die schwerwiegende Laktatazidose [7, 12].
Bei der Laktatazidose handelt es sich um eine potenziell letale Nebenwirkung, die unter anderem Folge einer kritischen Akkumulation von Lactat und einer in der Regel daraus resultierenden Absenkung des Blut pH-Werts ist. Wie beim Wirkmechanismus beschrieben, wird durch Hemmung der mGPD indirekt der Lactat-Spiegel erhöht, welches bei nierengesunden Patienten normalerweise unbedenklich ist. Bei einer mangelnden renalen Elimination von Metformin allerdings kann diese Erhöhung des Lactat-Spiegels kritische Ausmaße annehmen. Um eine Laktatazidose zu behandeln, hat sich eine möglichst zeitnahe Dialyse als sehr wirksame Methode erwiesen [11, 13, 14].
Wichtige Wechselwirkungen
Da das Risiko einer Laktatazidose hauptsächlich erhöht ist, wenn Metformin im Körper kumuliert, finden sich unter den potenziell problematischen Wechselwirkungspartnern hauptsächlich Medikamente, die die Nierenfunktion beeinträchtigen. Als Beispiele sind NSAR, COX-2-Hemmer, ACE-Hemmer sowie AT-II-Rezeptorantagonisten aufgeführt. Weitere Medikamente, die den Wirkstoffspiegel von Metformin beeinflussen können, sind Inhibitoren (z. B. Verapamil) und Induktoren (z. B. Rifampicin) der organischen Kationentransporter, deren Gabe eine Dosisanpassung von Metformin notwendig machen können. Aber auch Alkohol kann das Laktatazidoserisiko erhöhen [7, 12].
Kontraindikationen
Die Kontraindikationen von Metformin beziehen sich ebenfalls hauptsächlich auf die Vermeidung der Laktatazidose. So sind in den Fachinformationen u. a. folgende Gegenanzeigen aufgeführt: eine bereits vorliegende Azidose, eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion, sei es durch akute Zustände wie Dehydration oder Schock, oder durch chronische Zustände wie eine schwere Niereninsuffizienz (7, 12). Dabei ist erwähnenswert, dass Metformin seit 2016 nur noch bei schwerer Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min) kontraindiziert ist, während es bis zu diesem Zeitpunkt bereits bei einer mittelschweren Niereninsuffizienz (GFR 30 – 59 ml/min) als kontraindiziert galt [15]). Weiterhin ist Metformin bei Alkoholismus, Leberinsuffizienz oder bei möglichen Gewebe-hypoxischen Zuständen kontraindiziert [7, 12].
Auch wenn in Tierexperimenten Metformin keine negativen Einflüsse auf eine Schwangerschaft gezeigt hat, sollte aufgrund der limitierten Datenlage eine Diabetestherapie in der Schwangerschaft eher mit Insulin erfolgen. Einer Anwendung von Metformin in der Stillzeit gegenüber geben sich die Fachinformationen zurückhaltend, während das Embryotox-Portal empfiehlt, dass unter Metformin uneingeschränkt gestillt werden darf [7, 12, 16].
so war das
- Metformin ist das Erstlinien-Therapeutikum zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2, insbesondere bei übergewichtigen Patienten.
- Metformin senkt nicht-insulinotrop die Blutglucosewerte über verschiedene Wirkmechanismen, wie durch eine verminderte Glucose-Resorption aus dem GI-Trakt, eine erhöhte Glucose-Aufnahme ins Muskelgewebe und vor allem durch eine Verminderung der hepatischen Gluconeogenese.
- Metformin ist gut verträglich und weist kein Hypoglykämie-Risiko auf.
- Laktatazidose ist eine seltene, aber gefürchtete Nebenwirkung der Metformin-Anwendung, die aber bei einer regelmäßigen Nierenfunktionskontrolle der Patienten relativ sicher auszuschließen ist.
- Anwendungsbeschränkungen umfassen vor allem Wechselwirkungen mit Arzneistoffen und Kontraindikationen, die das Laktatazidose-Risiko erhöhen.
- Metformin zeigt diverse pleiotrope Effekte und kann möglicherweise noch bei anderen Krankheiten eingesetzt werden.
Dosierungen von Metformin
Erwachsene: Metformin findet man als Hydrochlorid in der Monotherapie in Einzeldosen von 500 mg, 850 mg oder 1000 mg z. B. als Glucophage®, Juformin®, Metfogamma® und in diversen Generika. Das Einstellen eines Patienten auf eine Metformin-Therapie sollte dem Prinzip „start low, go slow“ folgen, bis eine optimale Dosierung gefunden worden ist. Die Monotherapie beginnt in der Regel mit einer Initialdosis von 500 mg oder 850 mg zwei- bis dreimal täglich. Nach ca. 14 Tagen sollte die Dosierung in Abhängigkeit des Blutglucosespiegels angepasst werden. Metformin soll stets nach dem Essen eingenommen werden. Zusammen mit einer langsamen Dosisanpassung lassen sich so gastrointestinale Probleme deutlich reduzieren. Die maximale empfohlene Tagesdosis beträgt 3 g Metforminhydrochlorid, verteilt auf drei Gaben. Auch bei Umstellung von einem anderen oralen Antidiabetikum auf Metformin sollte nach Absetzen des bisherigen Medikaments diesem Schema gefolgt werden [7, 12].
Kinder und Jugendliche: Metformin darf bei Kindern ab einem Alter von zehn Jahren eingesetzt werden, wobei die Initialdosis 500 mg oder 850 mg einmal täglich beträgt. Auch für diese Patienten sollte nach ca. 14 Tagen die Dosierung abhängig von den Blutzucker-Werten angepasst werden. Die maximale empfohlene Tagesdosis beträgt 2 g Metforminhydrochlorid, verteilt auf zwei oder drei Gaben [7, 12].
Nierenfunktion: Grundsätzlich muss die Dosierung von Metformin auch an die Nierenfunktion angepasst werden. Dafür muss zu Beginn der Therapie und mindestens einmal jährlich die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bestimmt werden. Bei einer nur leicht eingeschränkten Nierenfunktion mit einer GFR von 60 bis 89 ml/min muss die Dosierung noch nicht zwangsweise geändert werden. Bei einer stärker eingeschränkten Nierenfunktion muss allerdings die Dosierung angepasst werden, so dass bei einer GFR von 45 bis 59 ml/min auf 2 g Metforminhydrochlorid Tagesmaximum, sowie bei einer GFR von 30 bis 44 ml/min auf 1 g reduziert werden muss. Bei einer glomerulären Filtrationsrate unter 30 ml/min ist Metformin kontraindiziert (s. o.) [7, 12].
Metformin zur Therapie anderer Erkrankungen
Der mittlerweile größtenteils aufgeklärte Wirkmechanismus des Metformins, durch Eingriff in metabolische Aktivitäten antidiabetische Effekte zu entfalten, erscheint in den letzten Jahren nur als Spitze des Eisberges weitaus komplexerer Wirkungen. Beispielhaft wird dies in einer hochrangig publizierten Studie deutlich [17], die aufzeigt, wie breit der Einfluss von Metformin auf die Signalkaskaden der Leberzellen ist. Ein sogenanntes pleiotropes Wirkspektrum des Metformins ist daher realistisch und hat einen wahren Hype zur Aufklärung potenzieller Wirkungen dieses Arzneistoffes bei weiteren Erkrankungen forciert. Durch die breite Anwendung des Wirkstoffes können solche Hypothesen durch umfangreiche retrospektive klinische Betrachtungen zudem aktiv befeuert werden. Nur beispielhaft können hier einige ausgewählte Zusammenhänge in kurzer Prägnanz erwähnt werden.
Polyzystisches Ovar-Syndrom
Das polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS) ist eine relativ häufig auftretende Hormonstörung von Frauen im gebärfähigen Alter, welches sich durch einen erhöhten Spiegel männlicher Sexualhormone auszeichnet und durch morphologisch/kosmetische Veränderungen sowie funktionelle Einschränkungen (Schwangerschaft) gekennzeichnet ist. Das PCOS geht mit einer erhöhten Insulinresistenz einher, wodurch bei den Betroffenen häufig ein Diabetes mellitus Typ 2 auftritt. Metformin wird seit Jahren im Off-Label-Use, unter spezifischer Einwilligung der Patientinnen zur Behandlung des PCOS verwendet und so auch durch internationale Leitlinien empfohlen, insbesondere bei Übergewichtigen. Metformin senkt die beim polyzystischen Ovar-Syndrom oft krankhaft gesteigerte Testosteron-Produktion und eröffnet den Patientinnen eine Möglichkeit zur Schwangerschaft. Aktuelle Studien zur Wirkung von Metformin fokussieren beispielsweise prädiktive Faktoren des Therapieansprechens [18].
Metformin und Krebs
Seit ca. zwei Jahrzehnten wird intensiv untersucht, inwieweit Metformin auch Effekte gegen maligne Tumorerkrankungen entfaltet. Erkenntnisse dazu stammen einerseits aus retrospektiven klinischen Betrachtungen, die zeigen, dass Metformin-behandelte Patienten geringere Tumor-Inzidenzen unterschiedlicher Entitäten aufweisen. Andererseits konnten auch auf In-vitro-Ebene verminderte Wachstumsraten von Tumorzellen durch Metformin nachgewiesen werden. Übersichtsarbeiten geben einen sehr guten Einblick in dieses komplexe Szenario [9, 10], welches sich in einer unüberschaubar hohen Zahl von Publikationen widerspiegelt. Grundsätzlich sind solche antitumorale Effekte des Metformins molekular erklärbar und direkt oder indirekt mit der Aktivierung der AMPK verbunden. Bekannt ist, dass die Aktivierung von AMPK zur Hemmung von mTORC1, einem Schlüsselmolekül der Zellproliferation führt. Ebenfalls AMPK-abhängig wird der Tumorsuppressor p53 durch Metformin aktiviert [19]. Auf funktioneller Ebene, aber offensichtlich unabhängig von AMPK, hemmt Metformin proliferative Signale des Insulin-like Growth Factors an seinem Rezeptor sowie die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS). Metformin induziert hingegen Apoptose und Autophagie der Tumorzellen. Weiterhin wird durch Hemmung von NF-ĸB die Bildung proinflammatorischer Zytokine und auch so eine Tumorprogression unterdrückt [9, 10]. Zu diesen spezifischen antitumoralen Aktivitäten des Metformins kommen noch indirekte Effekte durch antidiabetische Wirkungen, bei denen durch die Blutglucose-Senkung metabolische Aktivitäten der Tumore beeinträchtigt werden. Trotz der unbestrittenen Zusammenhänge einer geringeren Tumorinzidenz und Tumorentwicklung unter Metformin-Gabe herrscht noch keine Klarheit, die eine Anwendung von Metformin außerhalb einer Diabetes-Therapie zur Tumorprophylaxe rechtfertigen würde. Diskussionen über genetische Polymorphismen von Patienten, die ein Ansprechen auf eine solche Therapie bedingen oder auch ausschließen stehen dabei genauso im Mittelpunkt wie die Notwendigkeit kontrollierter prospektiver klinischer Studien zur Metforminwirkung in der Onkologie.
Metformin und COVID-19
Für Infektionen mit SARS-CoV-2 gilt Diabetes mellitus als Komorbidität, die schwere Verläufe der viralen Infektion forciert und auch zur erhöhten Mortalität beiträgt. Ausdruck dafür ist die Tatsache, dass Diabetes-Patienten deutlich erhöhte Level an Entzündungsmarkern unter COVID-19-Erkrankung aufweisen. Die Untersuchung der Beeinflussung der SARS-CoV-2-Infektionsverläufe durch eine Diabetestherapie, und in diesem Zusammenhang vorrangig Metformin, ist naheliegend. Auf molekularer Ebene verspricht Metformin durch Aktivierung der AMPK sogar kausale antivirale Effekte, da die AMPK durch Phosphorylierung des ACE-2 also der zellulären Eingangspforte der Viren, zu dessen konformativen Änderung führt, wodurch die virale Invasivität vermindert wird [20]. Eine große Zahl retrospektiver klinischer Betrachtungen führte zu der Hypothese, dass Metformin das Risiko schwerer Krankheitsverläufe senken und auch die Mortalitätsrate reduzieren kann [21]. Zu erwähnen ist hierbei, dass nicht alle Studien diese protektive Wirkung des Metformins stützten, bzw. solche Untersuchungen sich auch auf andere antidiabetische Wirkstoffe mit ähnlichem Outcome erstreckten [22]. Für eine valide Aussage zur Wirkung von Metformin zum Schutz vor SARS-CoV-2 werden Ergebnisse prospektiver klinischer Studien benötigt.
Metformin und Anti-Aging
Weitaus spekulativer erscheinen dahingegen die oftmals auch Wunsch-getriggerten Hypothesen, nach denen Metformin die Zellalterung aufhalten und so als Anti-Aging-Wirkstoff agieren kann.
Aus molekularer Sicht erscheint dies nicht unlogisch, da die o. g. Effekte des Metformins zur Blockierung von mTOR, seine antientzündlichen Wirkungen über Inhibition von NF-ĸB sowie verminderte Level an ROS durchaus eine Verlängerung des Lebenszyklus von Zellen induzieren sollten. Obwohl dies teilweise durch In-vitro-Daten belegt werden kann, zeigen sich bereits auf dieser Ebene deutliche Unsicherheiten. So profitieren beispielsweise junge Zellen, alte Zellen hingegen werden durch Metformin geschädigt [23]. Hierzu existieren nur wenige, nicht sehr überzeugende Tierexperimente, die aber immer im Rahmen dieser Überlegungen zitiert werden. Aussagefähige klinische Studien zur Wirkung von Metformin als Anti-Aging-Substanz fehlen jedoch bisher oder sind wenig aussagefähig. So ist die seit Jahren angekündigte Studie „Targeting Aging with Metformin“ (TAME) bisher nicht gestartet, die „Metformin in Longevity Study“ (MILES) hat keine Aussagefähigkeit für Nicht-Diabetiker. Für eine umfassende Betrachtung von Metformin in diesem Kontext sei auf einen aktuellen Review verwiesen [24]. Es lässt sich resümieren, dass über die unbestritten positiven Effekte des Metformins auf die Lebenserwartung von Diabetespatienten hinausgehende „Wunderwirkungen“ der Lebenszeitverlängerung eher unrealistisch, zumindest aus heutiger Sicht nicht bewiesen sind.
Fazit
In der Leitlinien-gerichteten Pharmakotherapie von Typ-2-Diabetikern führt kein Weg an Metformin vorbei. Das erklärt, warum Metformin in Deutschland, aber auch weltweit das am meisten verschriebene orale Antidiabetikum ist. Es gibt nur wenig Kontraindikationen, die gegen eine Anwendung von Metformin sprechen, das mit seinem Wirkungsprofil, seiner guten Verträglichkeit und einem günstigen Therapiepreis punktet. 55 Jahre nach seiner Markteinführung in Deutschland ist Metformin in der Diabetes-Therapie wichtiger denn je. Die verschiedenen Stoffwechselvorgänge, die durch Metformin beeinflusst werden, versprechen vielfältige pharmakologische Aktivitäten auch über den Diabetes-Kontext hinausgehend, so dass Metformin in vielen anderen Indikationen intensiv untersucht wird. Metformin wird ohne Zweifel noch einige Überraschungen parat haben und steht dabei als Inbegriff für das „repurposing“ das heißt die Neuentdeckung und Nutzung alter Arzneistoffe in neuen Indikationen. |
Ergänzung
Als weitere „sehr seltene“ Nebenwirkung wird die Vitamin-B12-Malabsorption und Senkung des Serumspiegels klassifiziert. Dies kann entweder zu einem veränderten Blutbild führen oder auch die Entstehung von Polyneuropathien begünstigen, welche eine häufige Begleiterscheinung bzw. eine langfristige mögliche Diabetes-Komplikation sind. Somit sollte bei Risikopatienten, wie zum Beispiel Veganern, Patienten die PPI einnehmen, Resorptionsstörrungen durch Darmerkrankungen haben oder lange hoch dosiert mit Metformin behandelt werden, der Vitamin-B12-Spiegel überwacht werden. Bei Mangel muss substituiert werden [1–3].
Literatur
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[2] Metformin-ratiopharm 1.000 mg Filmtabletten; 2023 [Stand: 17.01.2023]. Verfügbar unter: https://www.ratiopharm.de/assets/products/de/label/Metformin-ratiopharm%201.000%20mg%20Filmtabletten%20-%201.pdf?pzn=823919.
[3] Glucophage® 500 mg/- 850 mg/- 1000 mg Filmtabletten Fachinformation [Stand: 17.01.2023]. Verfügbar unter: https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/prod-cerebro-ifap/media_all/86698.pdf.
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[7] Glucophage® 500 mg/- 850 mg/- 1000 mg Filmtabletten Fachinformation, Stand: 17. Januar 2023, https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/prod-cerebro-ifap/media_all/86698.pdf
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