Arzneimittel und Therapie

Klinische Studien nötig

Ein Interview

Dass Antibiotikaresistenzen nicht nur durch den Gebrauch von Antibiotika selbst, sondern auch durch weitere Substanzklassen gefördert werden können, klingt beunruhigend. Doch was lässt sich aus der beschriebenen Studie von Wang et al. für die Praxis ableiten? Wir haben Prof. Dr. Lisa Maier zu ihrer Einschätzung der Studienergebnisse befragt.

Prof. Dr. Lisa Maier ist Professorin für Mikrobiom-Wirts-Interaktionen an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen.

DAZ: Sind Ihnen solche Effekte auch von anderen Substanzen oder Substanzklassen bekannt?

Maier: In den letzten Jahren wurden für viele weitere Medikamentenklassen hemmende Effekte auf Darmbakterien beschrieben [1], insbesondere für Antimetabolite, Antipsychotika, aber auch z. B. für Calciumkanalblocker. Bakterienspezies, die resistenter gegen Antibiotika sind, sind in der Regel auch resistenter gegen diese Substanzklassen. Dies deutet darauf hin, dass sich auch hier die Resistenzmechanismen zumindest teilweise überlagern. Es ist somit denkbar, dass Bakterien, wenn sie diesen Medikamenten ausgesetzt sind, Resistenzen entwickeln, die schließlich zu Kreuzresistenzen gegenüber Antibiotika führen könnten. So detailliert und überzeugend wie in der Studie von Wang et al. wurde dies jedoch für diese Substanzklassen noch nicht gezeigt.

DAZ: Wie relevant für die Praxis schätzen Sie diese Effekte ein? Könnten Antibiotika bei Patienten, die Antidepressiva einnehmen, weniger wirksam oder unwirksam sein?

Maier: Die Studie von Wang et al. beschränkt sich ausschließlich auf Arbeiten in vitro, also im Reagenzglas. Im Patienten spielen viele weitere Faktoren eine Rolle, die erst verstanden werden müssen. So gibt es z. B. auch In-vitro-Studien, die genau das Gegenteil zeigen: Fluoxetin ist z. B. in der Lage, die Biofilmbildung durch den uropathogenen Erreger Proteus mirabilis zu verringern, was sich positiv auf eine Antibiotikatherapie auswirken könnte [2]. Letztendlich benötigen wir die entsprechenden klinischen Studien, um diese Fragen beantworten zu können.

DAZ: Prof. Dr. Maier, herzlichen Dank für Ihre Einschätzung! |

Literatur

[1] Maier L et al. Extensive impact of non-antibiotic drugs on human gut bacteria. Nature 2018;555(7698):623-628, doi: 10.1038/nature25979

[2] Nzakizwanayo J et al. Fluoxetine and thioridazine inhibit efflux and attenuate crystalline biofilm formation by Proteus mirabilis. Sci Rep 2017;7(1):12222, doi: 10.1038/s41598-017-12445-w

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