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Management
Kommunikative Intelligenz in der Apotheke
Mit rhetorischer Finesse Verbalattacken abwehren
Strategie 1: Immer schön ruhig bleiben
Das ist die erste Bürgerpflicht: immer schön ruhig und sachlich bleiben. Es wäre kontraproduktiv, unfaire Attacken mit gleicher oder ähnlicher Münze heimzuzahlen. Das heißt freilich nicht, dass sich die Apothekenleitung und die Mitarbeiter jede kommunikative Gemeinheit gefallen lassen müssen. Es mag Situationen geben, in denen sie das „Kampf“-Gespräch mit dem Kunden beenden müssen, weil jede Möglichkeit eines sachlichen Gesprächsverlaufs ausgeschlossen ist. Bevor es so weit ist, sollte die Apothekenleitung in sich gehen, tief durchatmen und sich fragen, ob sie eine Chance sieht, das Gespräch wieder ins sachlichere Fahrwasser zu geleiten.
Übrigens: Dieser und alle weiteren Impulse gelten natürlich nicht nur für die Apothekenleitung, sondern auch für die Apothekenmitarbeiter.
Um konkret zu verbleiben: Die Apothekenleitung baut innere Kraft und Widerstandsfähigkeit auf, indem sie fest mit beiden Füßen auf dem Boden steht und sich so quasi erdet. Der angriffslustige Kunde nimmt sie als im wahrsten Sinne des Wortes „standfesten“ Gesprächspartner wahr, die von ihren Argumenten und sich selbst überzeugt ist.
Zum anderen empfiehlt es sich, im Moment der verbalen Attacke möglichst langsam und tief ein- und auszuatmen, um die Sauerstoffzufuhr ins Gehirn zu optimieren und den Kohlendioxidgehalt im Blut abzusenken. So gelingt es der Apothekenleitung, die Konzentrationsfähigkeit hochzuhalten.
Strategie 2: Ständig Blickkontakt halten
Die Erdung und die richtige Atmung helfen dabei, ruhiger zu werden, die Selbstsicherheit hochzufahren und den Kopf frei zu haben für eine angemessene und schlagfertige Erwiderung. Wie diese im Detail ausfällt, ist vom Inhalt des Kundenangriffs abhängig. Wahrscheinlich jede Apothekenleitung kennt Situationen, in denen sie sich einer verbalen Attacke ausgeliefert sah und es ihr die Sprache verschlagen hat. Erst nachdem der Kunde die Apotheke verlassen hat, fällt ihr die passende Antwort auf die Unverschämtheit ein. „Warum bin ich nicht darauf gekommen, als ich es so dringend nötig hatte!“ Darum besteht auch die zweite Strategie (noch) nicht in der Überlegung, welche konkreten schlagfertigen Entgegnungen geeignet sind, die Verbalangriffe zu kontern. Wichtig ist vielmehr, Souveränität aufzubauen und auszustrahlen, etwa indem die Apothekenleitung den Blickkontakt hält und sich das Ziel setzt, den aggressiven Kunden mit dem Blickkontakt in seine Schranken zu verweisen. Ein stabiler Blickkontakt wird in der Regel vom Gegenüber als Zeichen für Standfestigkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit wahrgenommen.
Strategie 3: Dem Gegenüber den Wind aus den Segeln nehmen
Wenn Kunden verbal über die Stränge schlagen, helfen ungewöhnlich-unerwartete Reaktionen weiter. Dazu taucht die Apothekenleitung kurzzeitig in das Tal des Schweigens ab, sodass sich der Kunde verbal austoben kann. Es kommt vor, dass dieser sich durch diese Schweigeminute seiner selbst und seines übertriebenen und unangemessenen kommunikativen Verhaltens bewusst wird und seine Angriffe zurückfährt oder sogar einstellt.
Oder die Apothekenleitung stimmt dem Kunden zu. Natürlich – das ist eine bekannte Strategie bei Kundeneinwänden, doch bei heftigen Verbalattacken eher eine unübliche Vorgehensweise. Wer sich kommunikativen Angriffen ausgesetzt sieht, tendiert meistens dazu, in eine Verteidigungsposition zu verfallen oder mit ähnlichen Repliken zu reagieren. Die Zustimmung kommt für den angreifenden Kunden eher unerwartet, er ist dann oft verblüfft und verunsichert.
Eine weitere Option der Strategie, dem Gegenüber den Wind aus den Segeln zu nehmen, besteht darin, den konstruktiven Dialog anzumahnen, etwa: „Ich gebe Ihnen vollkommen recht darin. Und darum liegt mir daran, einen konstruktiven Weg einzuschlagen. Was halten Sie davon, wenn wir das Problem wie folgt lösen: …“
Damit sind wir im Bereich der schlagfertigen und nützlichen Formulierungen angekommen, die die Apothekenleitung in der Kontroverse mit dem Kunden zur Anwendung bringen kann.
Strategie 4: Nützliche Formulierungen sammeln
Wie gesagt: Die besten Antworten fallen einem häufig erst zu spät ein. Darum ist es zielführend, wenn sich die Apothekenleitung mit dem Team berät und die Situationen sammelt, die alle Beteiligten im Laufe der Zeit im Umgang mit unfairen Kunden erfahren haben. So kristallisieren sich Muster heraus, die vielleicht typisch sind für die Verbalattacken, die im Apothekenalltag drohen. Der entscheidende Schritt ist, sich für diese mit einiger Wahrscheinlichkeit wiederauftretenden Situationen nutzbringende Formulierungen zu überlegen, die sich in möglichst vielen kommunikativen Zusammenhängen anwenden lassen. Ein Beispiel, das auf den Kommunikationsstrategen Karsten Bredemeier zurückgeht, lautet: „Unser Gespräch entfernt sich gerade von unserem eigentlichen Ziel. Unser gemeinsames Ziel ist es doch, eine gemeinsame Lösung für unser Problem zu finden. Lassen wir also bitte die persönlichen Interessen außen vor. Die wesentlichen Argumente sind ...“ Diese Formulierung lässt sich in zahlreichen kommunikativen Konfliktsettings einsetzen, ohne dem Angreifer die Schuld zu geben. Sie stellt eine Gemeinsamkeit zwischen der Apothekenleitung und dem Kunden her und betont, dass primär mit partnerschaftlicher Kooperation eine Lösung gefunden werden kann.
Strategie 5: Nützliche Formulierungen üben
Hilfreich ist es, den Einsatz solcher Formulierungen im Rollenspiel zu trainieren. Selbstverständlich kann ein Rollenspiel niemals die authentische Kundensituation hundertprozentig simulieren. Trotzdem lässt sich auf die Weise Sicherheit aufbauen. Es ist dann nicht das erste Mal, dass die Apothekenleitung Sätze sagt, wie „Anscheinend ist es mir noch nicht gelungen, Sie zu überzeugen, lassen Sie mich darum nochmals die Vorteile dieses Produkts zusammenfassen …“ oder wie „Was ist denn der Grund für Ihre Aufgeregtheit? Sie haben ja recht mit Ihrer Beschwerde, und mein Vorschlag ist, dass wir uns jetzt gemeinsam auf den Lösungsweg begeben“.
Strategie 6: Den Ansprechpartner wechseln
Ist der Eskalationsgrad zu weit vorangeschritten und dreht sich die Auseinandersetzung im ausweglosen Kreis, sollte der Gesprächspartner gewechselt werden: „Entschuldigen Sie, Herr Kunde, wir haben da einen Kollegen, der sich darin viel besser auskennt als ich.“ Durch einen anderen Ansprechpartner werden unfaire Kunden manchmal dazu motiviert, verbal abzurüsten und ihr Anliegen sachlicher zum Ausdruck zu bringen. Dieser Wechsel ist keine Kapitulation, sondern lediglich die logische Konsequenz der Einsicht, dass die zwei Gesprächskontrahenten auf keinen gemeinsamen Nenner kommen können. |
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