Wirtschaft

ARZ Haan-Tochter unter Verdacht

FAZ-Bericht über mutmaßlichen Abrechnungsbetrug / ARZ Haan weist Vorwürfe zurück

tmb | „Mutmaßlicher Millionenbetrug mit Corona-Test-Rechnung“ – diese Schlagzeile fand sich am 1. November über einem ganzseitigen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Dass mit den vom Staat bezahlten Corona-Tests einiges schief lief, ist nichts Neues – allerdings taucht in diesem Bericht das Apothekenrechenzen­trum ARZ Haan auf: Eines seiner Tochterunternehmen wird als „möglicher Akteur und gleichzeitig Geschädigter“ genannt. Es geht zwar nicht um system­relevante Beträge, aber durchaus um unangenehme Fragen.

Die Recherche der FAZ liest sich wie ein Wirtschaftskrimi. Hier die Kurzfassung der Geschichte, wie sie sich nach Angaben der Zeitung zugetragen haben könnte.

Ausgangspunkt ist die WDS GmbH in Dortmund, die vor allem Pflegekräfte schult und berät und in der Pandemie groß bei Corona-Tests eingestiegen sei. Zur Finanzierung dieses immer größer werdenden Geschäfts soll die WDS Rechnungen an das Abrechnungsunternehmen RZH verkauft haben, das eine 100-prozentige Tochter der ARZ Haan AG ist. Die RZH soll diese Rechnungen im Rahmen einer Factoringfinanzierung übernommen haben, also Geld dafür gezahlt haben. Dabei bestehe der Verdacht, dass darunter reine Scheinrechnungen waren. Die Rechnungen sollen nicht mit Verträgen oder Auftragsbestätigungen belegt worden sein. Die FAZ wirft zudem die Frage auf, ob Mitarbeiter der RZH dies wussten und der WDS sogar angeboten hätten, dass die WDS Scheinrechnungen einreichen könne. Nach Darstellung der FAZ könnte sogar ein früherer Finanzvorstand der ARZ Haan davon gewusst haben. Er habe das Unternehmen inzwischen verlassen und bestreite alle Vorwürfe.

Es liege eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen einen früheren Geschäftsführer der WDS vor. Darin wird diesem vorgeworfen, über 17 Monate hinweg Scheinrechnungen im Gesamtwert von 15,16 Mio. Euro eingereicht zu haben. Diese Anzeige habe zu einem Ermittlungsverfahren geführt. Die FAZ schreibt außerdem, dass sich ein Hinweisgeber bei der Finanzaufsicht Bafin über den Umgang mit den Rechnungen beschwert habe. Die RZH habe die Werthaltigkeit der Rechnungen kaum hinterfragt und selten versucht, das Geld einzutreiben. Vor dem Ende des Jahres 2021 sollen Rechnungen sogar storniert und auf andere Empfänger umgeschrieben worden sein. Denn sonst wäre zum Bilanzstichtag aufgefallen, dass die Zahlungen überfällig waren. Die FAZ verweist in diesem Zusammenhang auf das Ergebnis des ARZ-Haan-Konzerns für 2021 mit einem Rekordgewinn von 10,4 Mio. Euro vor Steuern. Der Gewinn wäre deutlich geringer ausgefallen, wenn die von der WDS übernommenen Forderungen in Höhe von damals 9 Mio. Euro als uneinbringlich abgeschrieben worden wären.

WDS-Insolvenz mit Wendung

Das nächste Kapitel beginnt im September 2022, als die WDS Insolvenz anmeldete. Dabei soll die RZH Forderungen in Höhe von 16 Mio. Euro angemeldet haben, darunter die erwähnten 15,16 Mio. Euro aus mutmaßlichen Scheinrechnungen, so die FAZ. Der Insolvenzverwalter habe diese Forderungen jedoch bestritten. Der Streit soll mit einer neuen Wendung beendet worden sein. Denn die ARZ Consulting, ebenfalls eine Tochtergesellschaft der ARZ Haan, kaufte die insolvente WDS. Die ARZ Haan habe aber in der Außendarstellung nicht auf das vorherige Insolvenzverfahren der WDS hingewiesen.

Im Zusammenhang mit ihren Recherchen wirft die FAZ auch die Frage auf, welche Kontrollmaßnahmen die Apotheker- und Ärztebank getroffen hat. Denn diese ist Miteigentümerin und Kreditgeberin der ARZ Haan. Die FAZ weist auch auf die große Bedeutung der Rechenzentren für das Funktionieren des Gesundheitswesens hin und leitet daraus ab, dass eine intensive Kontrolle angebracht sei.

ARZ Haan bezieht Stellung

Die ARZ Haan AG reagierte umgehend mit einer Stellungnahme auf den FAZ-Bericht. Darin heißt es, die ARZ Consulting habe die WDS im April 2023 übernommen, „um ihr Portfolio im Bereich Pflege zu erweitern“. Dies sei im Rahmen eines Insolvenzplans mit Kapitalschnitt erfolgt. Dabei seien Anteile in Höhe von 500.000 Euro durch die ARZ Consulting erworben worden. Die Forderungen der Gläubiger seien gemäß Quote bedient und das Insolvenzverfahren aufgehoben worden. Die erfreuliche Entwicklung der WDS seit der Übernahme zeige, dass dies „strategisch wie wirtschaftlich“ der richtige Schritt gewesen sei.

Die gegenüber der RZH erhobenen Betrugsvorwürfe weist die ARZ Haan zurück: „Es liegen uns dazu keinerlei Hinweise oder gar Beweise vor“. Auch der Verdacht, Rechnungen seien storniert und umgeschrieben worden, sei nicht korrekt. „Sämtliche Forderungen sind in den Jahresabschlüssen der ARZ-Gesellschaften korrekt aus­gewiesen“. Sollten sich Vorwürfe gegen ehemalige WDS-Verantwortliche erhärten, werde man „natürlich vollumfänglich zur Aufklärung beitragen und etwaige Ansprüche geltend machen“. Die ARZ Haan weist darauf hin, dass im Zuge der Neustrukturierung der WDS alle seinerzeit Verantwortlichen nicht mehr im Unternehmen seien. Sämtliche Prozesse innerhalb der WDS seien den üblichen Standards angepasst worden. Dort werde nach denselben verbindlichen Richt­linien wie in der ganzen Unter­nehmensgruppe gearbeitet. |

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