Aus den Ländern

Nur wenig Aussicht auf mehr Geld

14. Zukunftskongress Öffentliche Apotheke macht kaum Hoffnung auf bessere Honorierung

DÜSSELDORF/MÜNSTER (tmb) | Der Apothekerverband Nordrhein veranstaltete am 19. Februar 2022 seinen 14. Zukunftskongress Öffentliche Apotheke – online, koordiniert aus einem Studio in Münster. Die Statements der Bundestagsabgeordneten zeigten, dass die neue Bundesregierung über den Koalitionsvertrag hinaus offenbar noch keine Pläne für die Apotheken hat. Deutlich wurde allerdings, dass der Wunsch nach mehr Geld schwer zu erfüllen sein wird.
Foto: Maximilian König

Sabine Dittmar (MdB) sandte aus dem BMG eine Videobotschaft an die Kongressteilnehmer.

In einer vorab aufgezeichneten Videobotschaft würdigte Sabine Dittmar (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, die öffentlichen Apotheken als „zuverlässige Partner vor Ort“. Sie hätten sehr zur Pandemiebewältigung beigetragen, wofür Dittmar ausdrücklich dankte. Auch das Impfen in Apotheken sei als niedrigschwelliges Angebot wichtig. In der ersten Woche hätten 500 Apotheken Impfstoff bestellt. Das sei ein „sehr guter Anfang“, aber es gebe „noch Luft nach oben“, erklärte Dittmar und betonte, dass die Apotheken bei der Impfaufklärung auf ihre Erfahrung in der unabhängigen Beratung zurückgreifen könnten. Die Apotheken sollten ihre Kompetenz und den niedrigschwelligen Zugang künftig noch stärker in die Versorgung einbringen. Dabei sei sie auch gespannt, welche pharmazeutischen Dienstleistungen die Schiedsstelle definieren werde. Zu den Plänen der Regierung zitierte Dittmar nahezu wörtlich aus dem Koalitionsvertrag, dass integrierte Notfallzentren in unterversorgten Gebieten eingerichtet und der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) zu einem Sicherstellungsfonds weiterentwickelt werden soll.

Impfschwerpunkt Nordrhein

Gastgeber Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, hofft, dass die Politik als Lehre aus der Pandemie die Apotheken fördert. Er forderte, den Festzuschlag auf Rx-Fertigarzneimittel nachzubessern, damit die Apotheken weiterhin ihre Leistungen erbringen können. Nach Angaben von Preis würden bundesweit bereits 1000 Apotheker gegen das Corona-Virus impfen, davon 20 Prozent in Nordrhein. Dort hätten 25 Prozent der bundesweit 15.000 Corona-Impfungen in Apotheken stattgefunden. Preis erklärte, die Unterstützung von Dittmar als Ärztin für die Impfungen in Apotheken sei wichtig. Denn der Gegenwind der Ärzte hindere viele Apotheker zu impfen. Doch er hoffe, dass Ärzte und Apotheker die Pandemie „Seite an Seite“ bekämpfen.

Zuversicht beim Klimawandel

Der erste Vortrag führte zunächst weg von der Berufspolitik. Mit Blick auf den Klimawandel beschrieb Bestseller-Autor Frank Schätzing ein hoch-technologisches Szenario für das Jahr 2050 mit solarbetriebenen Schiffen, Autos und Flugzeugen, fliegenden Windkraftwerken, kohlendioxidabsorbierenden Bioreaktoren, biotechnologisch erzeugtem Fleisch, allgegenwärtigem Internet ohne Hardware und einer weltweiten Künstlichen Intelligenz zur Problemlösung. So könne die Menschheit den Klimawandel kontrollieren. Damit machte Schätzing Mut, eine Krise als Chance zu begreifen und neue Wege zu gehen.

Personalmangel wird richtig heftig

Diese Zuversicht konnte als nötige Vorgabe für den nächsten Vortrag verstanden werden. Denn Prof. Dr. Stefan Sell, Direktor des Instituts für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung, Hochschule Koblenz, beschrieb die Herausforderungen durch den Personalmangel – und hatte schlechte Botschaften. Der Arbeitsmarkt werde durch den Wertewandel mit einer viel größeren Bedeutung der Work-Life-Balance und im Gesundheitswesen zusätzlich durch die Feminisierung mit viel Teilzeitarbeit beeinflusst. Doch entscheidend sei der demografische Wandel, der die Angebots-Nachfrage-Entwicklung im gesamten Arbeitsmarkt grundlegend verändere. Über die Babyboomer, zu denen er selbst gehört, sagte Sell: „Wir waren immer zu viele, schon im Kindergarten.“ Damit habe es überall Konkurrenz gegeben und die Arbeitgeber hätten auswählen können. Doch dies ändere sich nun. Diese vielen Menschen verlassen in den nächsten Jahren den Arbeitsmarkt. Schon seit 2015 würden jedes Jahr über 300.000 Arbeitskräfte mehr aus dem Berufsleben ausscheiden als nachwachsen – und der Rückgang werde noch viel stärker. Bisher werde dies durch Migration, längere Lebensarbeitszeit und mehr Arbeit von Müttern überkompensiert. Doch Letzteres sei „an die Decke gestoßen“ und werde künftig nicht mehr entlastend wirken. Im Gesundheitswesen und besonders in der Pflege treffe dieses Problem auf einen deutlich steigenden Bedarf an Arbeitskräften, weil die Zahl der Pflegebedürftigen massiv zunehmen wird. Zu diesem quantitativen Mangel komme das qualitative Defizit des jahrzehntelangen Stillstands bei der Reform der Gesundheitsberufe. Es sei versäumt worden, die strenge Ordnung mit dem Arzt an der Spitze aufzubrechen und andere Gesundheitsberufe aufzuwerten, beklagte Sell. Zugleich mahnte er, der Import von Arbeitskräften sei ein Auslaufmodell. Denn wegen der demografischen Entwicklung in Osteuropa müsse man dabei „immer weiter ostwärts gehen“. Insgesamt folgerte Sell: „Es wird noch richtig heftig werden.“

Mehr Geld? – Nicht grundsätzlich …

Nach dem Vortrag fand die berufspolitische Diskussion mit den Bundestagsabgeordneten, moderiert von Ralph Erdenberger, statt. Doch diese Dramaturgie blieb ohne Erfolg. Der naheliegende Gedanke, dass die Apotheken wegen des Personalmangels mehr Geld brauchen, um angemessene Gehälter zu zahlen, kam in der Diskussion nicht genug zum Tragen. Preis forderte, die Politik solle in die Versorgung der Menschen investieren. Dabei seien die Apotheken eine wichtige Stelle. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut (SPD) erklärte, die Zahl der Studienplätze müsse erhöht werden und die Berufe müssten attraktiver werden. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Paula Piechotta entgegnete, mehr Studienplätze seien in gewissem Umfang sinnvoll, würden aber nichts bringen, wenn die Arbeitsbedingungen nicht besser werden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Georg Kippels forderte ein neues Grundverständnis für mehr Arbeit im Team und mehr eigenverantwortliche Tätigkeit für Ausbildungsberufe. Zur Forderung von Preis, die Bürokratie in Apotheken abzubauen, zeigte sich Heidenblut offen, er könne aber nicht sagen, wie dies gelinge. Kippels erklärte, dass Bürokratie teilweise durch das Bemühen um Patientensicherheit ausgelöst werde. Hier entstehe ein Spannungsfeld. Entlastungen, die sich in der Pandemie bewährt haben, seien aber sinnvoll, betonte Kippels. Zur Forderung die Präqualifizierung abzuschaffen, erklärte Piechotta, Qualität müsse nachvollziehbar sein. Kippels ergänzte, Patientenvertreter würden mit Blick auf die Qualität vermutlich erklären, es könne gar nicht genug Bürokratie geben. Piechotta und Kippels verwiesen auf angebliche Chancen, die Bürokratie mithilfe der Digitalisierung zu vereinfachen. Daraufhin klagte Preis über zu viel Misstrauen. Es gehe um weniger Staat und mehr Verantwortung für die Freien Berufe, die damit zu attraktiven Arbeitsplätzen würden.

… aber vielleicht für pharmazeutische Dienstleistungen

Zu den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen erklärte Preis, das Schiedsverfahren könne „vielleicht bis Sommer oder Herbst“ dauern, ohne dies zu erläutern. Wichtig sei, dass diese Leistungen nicht nur Spezial­fälle betreffen sollten, sondern die großen Volkskrankheiten. Doch für ein flächendeckendes Angebot seien mehr als die vorgesehenen 150 Millionen Euro pro Jahr nötig. Daraufhin zeigte sich Heidenblut offen für eine Nachbesserung. Wenn die Schiedsstelle „nur klein-klein“ entscheide, sei eventuell auch mehr Geld für weitere Leistungen möglich. Piechotta sieht den größten Bedarf bei der Polypharmazie. Doch mehr Geld könne es nur für spürbare Versorgungsverbesserungen geben. Kippels ergänzte, statt „Auf­satteln“ sei „Umschichten“ gefragt. Die Effizienz des Mitteleinsatzes müsse geprüft werden. Heidenblut erklärte dagegen, für neue Leistungen müsse es auch mehr Geld geben. Angesichts dieser Debatte mahnte Preis, nicht in Sparorgien zu verfallen. Denn Deutschland habe die Pandemie gut gemeistert, weil Steuergeld ins Gesundheitssystem geflossen sei.

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag fragte der Oppositionspolitiker Kippels, welche Verbesserung Notfallzentren bringen sollen. Der Gedanke sei „zu kurz gesprungen“. Bei der Neuorganisation des Notdienstes sei stattdessen eine telemedizinische Ersteinschätzung sinnvoll. Heidenblut entgegnete, die Zentren seien für Standorte gedacht, an denen nicht mehr genug Ärzte und Apotheken vorhanden seien. |

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