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Beratung

Immer schön feucht halten

Wie Hyaluronsäure bei trockenen Augen helfen kann

Trockene Augen sind nach wie vor eine Herausforderung in der pharmazeutischen Beratung. Betroffene leiden vor allem unter juckenden, brennenden und schmerzenden Augen. Hyaluronsäure-haltige Tränenersatzmittel sollen helfen, die Beschwerden schnell und effektiv zu lindern. Doch Hyaluronsäure ist nicht gleich Hyaluronsäure. Worauf ist zu achten? | Von Duc Son Nguyen

Immer mehr Menschen leiden unter dem Sicca-Syndrom, also unter trockenen Augen. Zu den Beschwerden zählen gerötete, brennende, müde oder juckende Augen. Einige Betroffene berichten von einem Fremdkörpergefühl oder gar Schmerzen. Für die Entstehung trockener Augen gibt es multifaktorielle Ursachen. So können die Einnahme von ­Medikamenten, Erkrankungen oder auch Umweltreize die Symptomatik auslösen. Ebenso veränderte Lebens- und Arbeitsgewohnheiten, wie die Zunahme von Bildschirmtätigkeiten oder steigender Konsum digitaler Medien, haben zum Anstieg der Prävalenz in der Bevölkerung beigetragen. Im Wesentlichen wird das trockene Auge durch eine Benetzungsstörung der Augenoberfläche verursacht. Dabei wird entweder nicht genügend Tränenflüssigkeit produziert, ihre Zusammensetzung hat sich geändert oder sie verdunstet zu schnell. Hierbei sind auch Mischformen aus zum Beispiel vermehrter Verdunstung und verminderter Tränenproduktion bekannt [1, 2].

Die Tränenflüssigkeit befeuchtet aber nicht nur die Cornea. So spült der Tränenfilm Fremdkörper fort und bildet eine Gleitschicht für das obere Augenlid. Die wässrige Phase versorgt die Cornea mit Nährstoffen, antimikrobielle Bestandteile schützen das Auge vor Infektionen. Unbehandelt können trockene Augen daher zu Entzündungen und Schädigungen führen. In der Apotheke kann den Patienten aber mit Tränenersatzmitteln geholfen werden. Diese sollen den Mangel an benetzender Tränenflüssigkeit ausgleichen oder sie gar ersetzen. Ziel der Behandlung ist es, das Auge vor dem weiteren Austrocknen zu schützen. Zur Standardtherapie gehören dabei Hyaluronsäure-haltige Präparate. Im Vergleich zu anderen Filmbildnern kann diese ein Vielfaches ihres Gewichts an Wasser binden und so das Auge besonders gut feucht halten [1, 2, 4].

Hyaluronsäure – der Klassiker

Hyaluronsäure oder auch Hyaluronan ist ein langkettiges, lineares Polysaccharid, welches physiologisch im menschlichen Körper vorkommt. Es findet sich unter anderem in der Haut, in der Gelenkflüssigkeit und im Glaskörper des Auges. Für die pharmazeutische Verwendung wird Hyaluronsäure industriell durch Fermentation von Streptokokken-Stämmen biotechnologisch hergestellt [5, 6].

Zur Behandlung von trockenen Augen eignet sich Hyaluronsäure besonders gut, weil sie stark befeuchtend wirkt und mucoadhäsiv ist. So zeichnen sich die langen Polymere durch eine große Hydrathülle aus und binden damit besonders viel Wasser. Außerdem haftet Hyaluronsäure durch ihre mukoadhäsiven Eigenschaften gut auf der Augenoberfläche und sorgt so für eine bessere Stabilität und Verweildauer des Tränenfilms. Diese stabilisierende Eigenschaft ist ab einer Konzentration von 0,1% gegeben. Zusätzlich wirkt Hyaluronsäure antioxidativ, verringert den Verlust von Oberflächenepithel und unterstützt die Zellregeneration der Cornea.

Ein weiterer Vorteil der Hyaluronsäure ist ihr viskoelastisches, thixotropes Fließverhalten, über welches nur sie als einzige der in Tränenersatzmitteln eingesetzten viskositätserhöhenden Filmbildner verfügt. Durch diese rheologischen Eigenschaften sinkt die Viskosität des Produktes beim Lidschlag, steigt aber beim geöffneten Auge wieder an [4, 6]. In der Beratung heißt das, …

  • das Produkt verteilt sich durch Lidschlag schneller gleichmäßig,
  • das Produkt ist länger wirksam, Nachtropfen ist seltener notwendig und
  • die Schlierenbildung wird reduziert.

Die Bedeutung der Konzentration

Den Patienten steht hierbei eine Vielzahl an Produkten mit meist 0,1 bis 0,4% Hyaluronsäure zur Verfügung. Während die 0,1%-Formulierung noch als Augentropfen vorliegen, handelt es sich bei höheren Konzentrationen in der Regel um Tropfgele [7]. Hierbei gilt, je konzentrierter und damit viskoser die Formulierung, desto länger ist die Verweildauer auf der Augenoberfläche. Gleichzeitig dauert es aber länger, bis sich das Produkt auf dem Auge homogen verteilt und die Sicht wieder klar wird. In der Beratung sollte darauf hingewiesen werden.

Die Bedeutung der Kettenlänge

Bedingt durch das Herstellverfahren kann die Kettenlänge und damit auch die molare Masse der Hyaluronsäure variieren. Dabei sind die rheologischen Parameter wie Viskosität und Fließverhalten direkt von der Kettenlänge und Konzentration abhängig. In den Produktinformationen werden in der Regel nur Angaben zur Konzentration der Hyaluronsäure gemacht. Dadurch kann die Wirksamkeit von Produkten gleicher Konzentration sehr unterschiedlich empfunden werden [4].

Aufbau des Tränenfilms

Der Tränenfilm besteht aus drei Schichten: einer obersten Lipidschicht, einer mittleren wässrigen Schicht und der Mucinschicht. Letztere grenzt an die Cornea an und sorgt für die Haftung des Tränenfilms auf der Hornhaut. In der mittleren wässrigen Schicht befinden sich wichtige Enzyme und Nährstoffe. Die oberste Schicht wiederum verhindert durch ihren Lipidanteil ein schnelles Verdunsten der wässrigen Schicht [3]. Tatsächlich finden sich in 60 bis 80% der Fälle Veränderungen in der Lipidschicht [1].

Befeuchtung mit Osmoprotektion

Der instabile Tränenfilm ist bei trockenen Augen assoziiert mit erhöhter Osmolarität. Als Schutz vor den Auswirkungen hyperosmolarer Tränen wurden daher Hyaluronsäure-haltige Präparate mit osmoprotektiven Zusätzen, wie Ectoin (z. B. Hylo dual®, Hylo dual intense®) oder auch Trehalose (Thealoz®Duo) entwickelt. Diese sogenannten kompatiblen Solute helfen bei der Wiederherstellung des osmotischen Gleichgewichts und schützen damit die Epithelzellen der Hornhaut. Der Wirkmechanismus basiert auf der sogenannten „preferential exclusion“, welche auch bei der Gefriertrocknung von Arzneimitteln genutzt wird. Die Zusatzstoffe binden hierbei verstärkt Wassermoleküle und sorgen so gleichzeitig für eine schützende Hydratationshülle um Proteine und Zellen [6, 8, 9]. Dadurch komplementieren Zusätze wie Ectoin und Trehalose die hygroskopischen Eigenschaften von Hyaluronsäure und wirken zusätzlich:

  • schützend und stabilisierend auf Zellmembranen.
  • Sie schützen Proteine vor Denaturierung durch Umwelteinflüsse,
  • stabilisieren die wässrige Schicht des Tränenfilms,
  • schützen die Lipide in der oberen Schicht des Tränenfilms und
  • reduzieren inflammatorische Prozesse.

Eine etwas andere Hyaluronsäure

Entscheidend für die Wirksamkeit von Hyaluronsäure in Tränenersatzmitteln sind drei Eigenschaften:

  • der Polymerisationsgrad (Kettenlänge),
  • die Konzentration und
  • die Viskoelastizität.

Besonders die viskoelastischen Eigenschaften der Hyaluronsäure nehmen dabei maßgeblich Einfluss auf deren Wirkung.

Mit Ocutears® Hydro+ bietet die Firma Santen GmbH als einer von wenigen Herstellern eine mit 0,4% hochkonzen­trierte Formulierung an, bei der quervernetzte Hyaluronsäure eingesetzt wird. Die hohe Konzentration soll die Tränenfilmstabilität erhöhen, was wiederum in einer längeren Verweildauer auf der Augenoberfläche und reduzierter Applikationsfrequenz resultiert. Durch die Quervernetzung der Hyaluronsäure wird zudem eine höhere Viskoelastizität der Formulierung erreicht. Dadurch lässt sich das Produkt wie andere Tropfgele beim Lidschlag gut verteilen. In verschiedenen Studien konnte eine Überlegenheit der quervernetzten Hyaluronsäure gegenüber der linearen Form bei der Behandlung des Sicca-Syndroms beobachtet werden. Allerdings waren die Probandenzahlen in den Studien mit weniger als 100 Teilnehmern sehr niedrig angesetzt [5, 10 – 13].Die Tabelle zeigt eine Auswahl konservierungsmittelfreier Tränenersatzmittel.

Tab.: Auswahl konservierungsmittelfreier Tränenersatzmittel
Produkt
Hyaluronsäure (HA)
Weitere befeuchtende, pflegende und/oder osmoprotektive Komponenten
Artelac® Splash EDO
0,2% lineare HA
Doppelherz system Augentropfen Hyaluron 0,3%
0,3% lineare HA
Aloe vera
Hyaluron-ratiopharm® Gel Augentropfen
0,3% lineare HA
Hylo-Vision SafeDrop® Vital
0,15% lineare HA
Augentrosttinktur
Ocutears® Hydro+
0,4% quervernetzte HA
Opticalm Plus
0,2% lineare HA
Hypromellose
Systane Hydration
lineare HA; k. A. zur Konzentration
Polyethylenglykol 400, Propylenglykol, Hydroxypropyl-Guar
Tears Again® Hyaluron Augentropfen 0,3% Gel
0,3% lineare HA
Thealoz® duo
0,15% lineare HA
Trehalose
VisuXL® Gel
0,4% quervernetzte HA
Coenzym Q10, Vitamin E
Vividrin® Ectoin® MDO®
0,24% lineare HA
Ectoin

Weitere Tränenersatzmittel

Neben der Hyaluronsäure werden noch weitere Filmbildner therapeutisch eingesetzt. Diese unterscheiden sich in erster Linie durch ihre Viskosität:

  • Polyvinylalkohol (PVA),
  • Polyvinylpyrrolidon/Povidon (PVP),
  • Cellulosederivate (Methylcellulose, Hydroxyethylcellulose, Carboxymethylcellulose) und
  • Carbomere (Polyacrylsäure).

Auf einen Blick

  • Viskosere Tränenersatzmittel haften besser und wirken damit länger auf der Augenoberfläche als dünnflüssige Präparate.
  • Sehr hochviskose Produkte eignen sich vor allem bei Anwendung über Nacht.
  • Konservierungsmittel bergen das Risiko, die Hornhaut der Augen zu schädigen und Allergien hervorzurufen. Konservierungsmittelfreie Produkte vermeiden dieses Risiko.
  • Es besteht keine Gefahr eines Gewöhnungs­effekts bei Tränenersatzflüssigkeiten. Dennoch sollte bei dauerhaften Beschwerden ein Augenarzt konsultiert werden.
  • Die Verwendung von Tränenersatzmitteln bei trockenen Augen ist eine symptomatische Behandlung. Bei andauernden Beschwerden sollte ein Augenarzt konsultiert und die Ursache gefunden werden.
  • In der Praxis dominiert die Verwendung von Hyaluronsäure, wobei andere Tränenersatzflüssigkeiten grundsätzlich nicht schlechter sind.

PVA und PVP sind nur geringviskos und eignen sich daher bei leichteren Symptomen. Die Cellulosederivate sind viskoser als PVA und PVP, wodurch sie eine im Vergleich längere Wirksamkeit und geringere Applikationsfrequenz ermöglichen. Hochviskos sind dann Carbomere, die, wie Hyaluronsäure, dem Mucin der innersten Schicht des Tränenfilms ähneln und hierdurch mukoadhäsive Eigenschaften besitzen. In einigen Produkten werden mehrere Filmbildner oder auch Verdickungsbildner hinzugefügt. Durch eine längere Retentionsrate schützen sie das Auge noch besser vor Austrocknung und reduzieren so Symptome [6, 14, 15]. |
 

Literatur

 [1] Leitlinie Nr. 11: Trockenes Auge. Leitlinie des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V. und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, 2019, www.dog.org/wp-content/uploads/2009/09/leit11.pdf

 [2] Das trockene Auge – eine ernstzunehmende Krankheit. Information des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V. und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, 2021, cms.augeninfo.de/fileadmin/pat_brosch/sicca.pdf

 [3] Rose O, Pfister E. Wenn der Tränenfilm das Auge nicht mehr benetzen kann. DtschApothZtg 2014;154(3):46

 [4] Rose O, Pfister E. Entscheidungshilfen für die Therapie des trockenen Auges. DtschApothZtg 2014;154(3):50

 [5] Fachinformation zu quervernetzter Hyaluronsäure, Medizinische Fachabteilung der Santen GmbH, 2022, beim Verfasser

 [6] Korbmacher JP, Geerling G. Therapie des Trockenen Auges, Spektrum Augenheilkd. 2021;35:177-194

 [7] Groß D, Childs M, Piaton J-M. Comparison of 0.2% and 0.18% hyaluronate eye drops in patients with moderate to severe dry eye with keratitis or keratoconjunctivitis, Clin Ophthalmol 2017;11:631-638

 [8] Chiambaretta F, Doan S, Labetoulle M, Rocher N, Fekih LE, Messaoud R, Khairallah M, Baudouin C. A randomized, controlled study of the efficacy and safety of a new eyedrop formulation for moderate to severe dry eye syndrome, Eur J Ophthalmol 2017;27:1-9

 [9] Bilstein A, Heinrich A, Rybachuk A, Mösges R. Ectoine in the Treatment of Irritations and Inflammations of the Eye Surface, BioMed Research International, DOI:10.1155/2021/8885032; 2021;4:1-16

[10] Cagini C, Torroni G, Fiore T, Cerquaglia A, Lupidi M, Aragona P, Iaccheri B. Tear Film Stability in Sjögren Syndrome Patients Treated with Hyaluronic Acid Versus Crosslinked Hyaluronic Acid-Based Eye Drops, J Ocul Pharmacol Ther 2017;33:539-542

[11] Posarelli C, Passani A, Del Re M, Fogli S, Toro MD, Ferreras A, Figus M. Cross-Linked Hyaluronic Acid as Tear Film Substitute, J Ocul Pharmacol Ther 2019;35:381–387

[12] Postorino EI, Rania L, Aragona E, Mannucci C, Alibrandi A, Calapai G, Puzzolo D, Aragona P. Efficacy of eyedrops containing cross-linked hyaluronic acid and coenzyme Q10 in treating patients with mild to moderate dry eye, Eur J Ophthalmol 2018;28:25-31

[13] Williams DL, Mann BK. Efficacy of a crosslinked hyaluronic acid-based hydrogel as a tear film supplement: a masked controlled study, PloS one, 2014;9:e99766.

[14] Johnson ME, Murphy PJ, Boulton M. Carbomer and sodium hyaluronate eyedrops for moderate dry eye treatment, Optom Vis Sci 2008;85:750-757

[15] Baudouin C, Cochener B, Pisella P-J, Girard B, Pouliquen P, Cooper H, Creuzot-Garcher C. Randomized, phase III study comparing osmoprotective carboxymethylcellulose with sodium hyaluronate in dry eye disease, Eur J Ophthalmol 2012;22:751-761

[16] Lauer-Taxe® Datenstand 01.02.2022

Autor

Apotheker Duc Son Nguyen, Pharmaziestudium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Aufbaustudium Diplom-Pharmazie in Jena und Nürnberg, aktuell tätig als Industrieapotheker im Bereich pharmazeutische Technologie und Qualitätssicherung.

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