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So will Lauterbach die Liefer- und Versorgungsengpässe bekämpfen
Mehr Aufgaben für BfArM-Beirat / Für die Kassen wird es teurer / Neue Pauschale für Apotheken
Lieferengpässe vermeiden, die Versorgung mit Kinderarzneimitteln verbessern und den Produktionsstandort EU stärken – so lautet die Zielrichtung des Eckpunktepapiers. Eingangs stellt das BMG zunächst fest, dass die Zahl der Lieferengpässe bei Arzneimitteln in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Zudem gebe es versorgungsrelevante Engpässe. Ihre Ursachen sind vielfältig: Die Globalisierung und starker Kostendruck bei der Generika-Industrie hätten bei einer Vielzahl von Wirkstoffen und Arzneimitteln bereits zu einer Konzentration auf wenige Herstellungsstätten, überwiegend in Drittstaaten geführt, so das BMG. Dies berge das Risiko von Lieferkettenunterbrechungen und strategischen Abhängigkeiten in sich – hakt es an einer Stelle, kann dies bekanntlich schnell massive Folgen haben. Weitere Gründe seien unerwartet steigende Nachfragen und Produktions- und Lieferverzögerungen für Vorprodukte.
Auch wenn nicht jeder Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass führe, gelte es, Lieferengpässe früh zu erkennen und gegenzusteuern, heißt es weiter. Das BMG verspricht: „Wir wollen Versorgungsengpässe entschieden bekämpfen und Maßnahmen ergreifen, um Lieferketten und Versorgungssicherheit zu stärken.“ Einen Fokus will es dabei auf Kinderarzneimittel setzen.
Die Eckpunkte im Überblick
Kinderarzneimittel: Der Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll eine Liste von Arzneimitteln erstellen, die für die Sicherstellung der Versorgung von Kindern erforderlich sind. Für diese Arzneimittel dürfen zukünftig keine Rabattverträge abgeschlossen und keine Eingruppierungen in Festbetragsgruppen vorgenommen werden. Bestehende Festbeträge werden aufgehoben. Das Preismoratorium für diese Arzneimittel soll angepasst werden. Als neue Preisobergrenze wird das 1,5-Fache eines aktuell bestehenden Festbetrags festgelegt. Die Krankenkassen sollen die Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln bis zum 1,5-fachen Festbetrag übernehmen.
Apotheken: Für Arzneimittel, bei denen der BfArM-Beirat eine kritische Versorgungslage festgestellt hat, sollen die vereinfachten Austauschregelungen nach § 1 Abs. 3 der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung verstetigt werden. Zudem soll es für Apotheken, die bei solchen versorgungskritischen Arzneimitteln eine Rücksprache mit dem Arzt halten müssen, eine Aufwandspauschale in Form eines in der Arzneimittelpreisverordnung verankerten Zuschlags in Höhe von 0,50 Euro geben.
Können die verordneten Medikamente nur noch in Kleinpackungen abgegeben werden oder müssen aus Großpackungen ausgeeinzelt werden, werden die Versicherten bei der Zuzahlung entlastet.
Rabattverträge und Vorratshaltung: Bei Rabattvertragsausschreibungen soll eine Standortberücksichtigung eingeführt werden. Zunächst müssen Krebsarzneimittel und Antibiotika mit EU-Wirkstoffproduktion bevorzugt werden. Später können weitere Wirkstoffe und Indikationen folgen. Zudem ist zur Verbesserung der Versorgungssicherheit für rabattierte Arzneimittel vertraglich eine mehrmonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung vorgesehen.
Festbetrags-Arzneimittel mit wenigen Anbietern: Sind in einer Festbetragsgruppe nur noch wenige Anbieter, hat der BfArM Beirat die Versorgungslage zu prüfen und kann bei einem sich abzeichnenden Versorgungsengpass die Empfehlung aussprechen, den Festbetrag auf das 1,5-Fache anzuheben oder die Festbetragsgruppe aufzulösen.
Zudem soll die Grenze für die Zuzahlungsbefreiung bei Festbeträgen angehoben werden. Künftig soll die Befreiung schon bei einem Preis gelten, der mindestens 20 Prozent niedriger ist als der Festbetrag – bislang liegt die Grenze bei 30 Prozent.
Verfahren zur frühen Erkennung von Versorgungsengpässen: Der BfArM-Beirat bekommt zusätzliche Informationsrechte gegenüber der Industrie und Großhändlern und beobachtet kontinuierlich den Markt bei versorgungskritischen Arzneimitteln. Das BfArM kann dann zukünftig Empfehlungen an das BMG geben, auf deren Grundlage das Ministerium weitere Wirkstoffe bzw. Indikationen den neuen Ausnahmeregelungen bei Festbeträgen, Rabattverträgen und bei der Apothekenabgabe unterstellen kann.
Evaluierung: Um die Auswirkungen auf die Versorgung beurteilen zu können, sollen die Maßnahmen zum 31. Dezember 2025 hin evaluiert werden.
Wie geht es weiter?
Nun sind diese Eckpunkte in einen Gesetzentwurf zu gießen. Und es steht noch die Ressortabstimmung an. Lauterbach gab sich am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“ zuversichtlich, was die Finanzierung seiner Vorschläge betrifft: „Wir werden das in der Ressortabstimmung besprechen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder hier einsieht, dass wir handeln müssen.“ Er ziehe dabei mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) an einem Strang.
ABDA: 50 Cent sind eine Frechheit!
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening begrüßte zwar grundsätzlich, „dass sich die Politik nun endlich der katastrophalen Zustände bei den Lieferengpässen mit lebenswichtigen Arzneimitteln annimmt“. Es sei richtig, die Patienten von Mehrkosten zu entlasten und Rabattverträge zu ändern, um wieder mehr Anbieter aus Europa in die Versorgung einzubinden. Aber: Über die Apotheken, die seit Monaten mit großem Engagement und Aufwand die Lieferengpässe managten, gieße das Ministerium „nun offenbar Hohn und Spott aus“. 50 Cent für jedes erfolgreich gefundene Austauscharzneimittel – aber nur, wenn es vorher als versorgungskritisch eingestuft wurde und mit der Arztpraxis Rücksprache gehalten wurde – seien „eine Frechheit“. Overwiening: „Damit wird die Bürokratie noch erhöht, der teils stundenlange Arbeitsaufwand nicht einmal ansatzweise bezuschusst – und als Zeichen der Wertschätzung kann man dieses Almosen wohl auch kaum bezeichnen“. Wie solch ein Cent-Aufschlag die Versorgungssicherheit stabilisieren oder gar verbessern solle, sei nicht zu verstehen.
Selbst der GKV-Spitzenverband kritisiert die 50 Cent in einer ersten Stellungnahme nicht. Wohl aber die „Weihnachtsgeschenke“ für die Pharmaindustrie. Stattdessen sollte man einen Medikamentengipfel einberufen, bei dem von der Politik über die Apothekerschaft bis zur Pharmaindustrie und den Kassen alle wichtigen Akteure mit am Tisch sitzen. |
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