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Beratung

Linderung aus dem Apothekergarten

Phytopharmaka wirken vielfältig bei Atemwegsinfekten

 Efeu, Eibisch, Primel oder Thymian: Viele pflanzliche Arzneimittel können bei Atemwegs­infekten Symptome lindern. Einige davon konnten ihre Wirksamkeit in klinischen Studien belegen. Auch wenn zu vielen Präparaten Studien fehlen, hat der Apothekergarten einiges zu bieten. | Von Marius Penzel

Der Arzneipflanzengarten in Berlin-Steglitz ist für gewöhnlich gefüllt mit spektakulär blühenden Gewächsen. Bescheidener geht es im Anfang des Winters zu, wenn die Er­kältungssaison anbricht. Ein erdiges Braun gibt die Farbe auf den kahlen Beeten an, selten aufgelockert durch dunkelgrüne Kräuter. Hell ist nur die erfrorene Kapuzinerkresse. Sie liegt samt ihren Blüten wie zusammengeschmolzen auf der Erde. Der Purpur-Sonnenhut ist nur durch das Schild erkennbar, das seine Stelle markiert.

Doch ausgerechnet jetzt feiern diese Pflanzen ihre Blütezeit in der Apotheke. Mehr Menschen erkranken wieder an Atemwegsinfektionen. Pharmazeutinnen und Pharmazeuten raten vielfach, die Arzneipflanzen anzuwenden – verpackt in Arzneitees oder Arzneimitteln mit standardisierten Extrakten. Von allen Indikationen, bei denen Phytopharmaka im OTC-Bereich angewendet werden, erzielten pflanzliche Arzneimittel zur Anwendung bei „sonstigen Atemwegsinfektionen“ den höchsten Apothekenumsatz mit rund 192 Millionen Euro [1].

Symptomspezifisch ansetzen

Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzte in seinem Wochenbericht vom 1. Dezember 2022, dass 8,2 Millionen Deutsche an einer akuten Atemwegserkrankung leiden. Das RKI mutmaßt, dass davon 200.000 bis 500.000 Erkrankungen auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 zurückzuführen waren. Weitaus häufiger sind nach RKI-Schätzungen Infektionen mit Influenzaviren, Rhinoviren oder respiratorischen Synzytialviren (RSV) verantwortlich. Sie alle können sich als grippaler Infekt manifestieren (siehe Kasten „Der grippale Infekt und seine Verwandten“) [2, 3]. Von den 8,2 Millionen Erkrankten konsultierte rund jeder Fünfte einen Arzt. Die übrigen versorgten ihren Infekt mit Hausmitteln oder im Bereich der Selbstmedikation. Bewährte Mittel zur Genesung bleiben Ruhe und Flüssigkeitszufuhr.

Der grippale Infekt und seine Verwandten

Es beginnt mit Halsschmerzen und Schnupfen, oft in Begleitung von Kopf- und Gliederschmerzen oder leichtem Fieber. Erst nach einigen Tagen schließt sich Husten an, der im Verlauf der Besserung produktiver wird. Der Infekt ist meist spätestens nach anderthalb Wochen überstanden. So verläuft er, der typische grippale Infekt. Weichen die Symptome eines Kunden in der Apotheke stark vom oben Beschriebenen ab, sollte das Grund genug sein, den Patienten an einen Arzt zu verweisen. Setzt das Krankheitsgefühl rasch ein, ist das Fieber hoch, tritt früh Reizhusten auf oder sind die Lymphknoten einseitig geschwollen, könnten die echte Grippe (Influenza), COVID-19 oder ein bakterieller Infekt dahinterstecken. Auch in diesem Fall sollte in der Apotheke der Patient an einen Arzt verwiesen werden. Beim Verdacht auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus können Apotheker Patienten zum Schnelltest raten und diesem empfehlen, den Hausarzt telefonisch zu kontaktieren oder alternativ den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116 117.

Einige Patienten wünschen sich gegen den Infekt ein Kombinationsmittel, das alle Symptome unterdrückt. Doch die Symptome treten selten alle zugleich auf und können variieren. Die Kombination ist daher nicht immer sinnvoll, weil nicht jeder Wirkstoff zu jedem Zeitpunkt der Erkältung sinnvoll und korrekt dosiert ist. Im Bereich der Selbstmedikation können Apothekerinnen und Apotheker ihren Patienten stattdessen symptomspezifisch helfen, zum Beispiel mit Extrakten aus Arzneipflanzen. Phytopharmaka können darüber hinaus helfen, die Krankheitszeit zu verkürzen. Zwar ist die Studienlage bei ihnen oftmals weniger eindeutig als bei vielen nicht-pflanzlichen Arzneimitteln. Doch einige standardisierte Extrakte können an den Standards der evidenzbasierten Medizin gemessen werden.

Schneller gesund mit Phytopharmaka?

Echinacea- und Pelargoniumwurzel-Extrakte sollen die Symptome grippaler Infekte lindern und darüber hinaus der Erkrankung vorbeugen oder diese verkürzen. Um effektiv zu wirken, sollten sie so früh wie möglich angewendet werden, sobald erste Symptome einsetzen.

Der Pelargonium-sidoides-Extrakt EPs® 7630 (in Umckaloabo®) gilt als das am besten klinisch untersuchte Phytopharmakon: 30 klinische Studien mit mehr als 10.000 Patienten gibt es zu diesem Extrakt, der die Interferon-Antwort von Makrophagen unterstützen soll. Hersteller Schwabe belegte in vitro eine antivirale Wirksamkeit.

Autoren einer 2019 veröffentlichten Metaanalyse zogen folgendes Fazit zum Pelargonium-Extrakt: Er kann die Symptome bei grippalen Infekten lindern und die Krankheitszeit um wenige Tage verkürzen. Sie gaben aber zu bedenken, dass die herangezogenen Studien schwer zu vergleichen waren [4]. 2022 wurde eine weitere Metaanalyse zum Extrakt EPs® 7630 publiziert. Dessen Autoren kamen zu dem Schluss, dass Patienten, die frühzeitig mit Pelargonium-Extrakt behandelt werden, im Vergleich zu Placebo schneller aufhören zu husten. Auch gingen Patienten der Verumgruppe schneller wieder ihren täglichen Aktivitäten nach [5]. Der Effekt war signifikant, aber gering: Am Tag 5 der Erkrankung fühlten sich 41,5% bzw. 48,8% der Patienten aus der Verumgruppe wieder „fit“, bei der Placebogruppe waren es weniger als 40%.

In beiden Analysen wurde bestätigt, dass der Extrakt gut verträglich ist. Dennoch wurde im Zusammenhang mit der Einnahme von Pelargonium-Extrakten von Leberschäden berichtet. Die Häufigkeit ist nicht bekannt. Aus diesem Grund schreibt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in ihrer Leitlinie „Akuter und chronischer Husten“ [6]: Bis eindeutige Ergebnisse vorliegen, kann das Nutzen/Schaden-Verhältnis nicht abschließend bewertet werden. Pelargonium-sidoides-haltige Extrakte, z. B. in Umckaloabo® oder Pelargonium-ratiopharm® Bronchialtropfen, sollten nicht bei Patienten ein­gesetzt werden, die Phenprocoumon einnehmen, da sie die gerinnungshemmende Wirkung verstärken könnten [6].

Den Purpur-Sonnenhut genießen die einen als Zierpflanze im Sommer, die anderen schwören auf den Extrakt des getrockneten Krauts, um Erkältungen vorzubeugen. Tatsächlich deutete eine Metaanalyse darauf hin, dass Extrakte des Sonnenhuts Echinacea purpurea einer Infektion vorbeugen könnten. Unklar bleibt, ob dieser Effekt klinisch relevant ist. Die Erkrankungszeit bei grippalen Infekten scheint auch durch frühzeitigen Einsatz von Sonnenhut-Extrakte nicht beeinflusst zu werden. Die Autoren der Metaanalyse geben zu bedenken, dass sie nur begrenzt aussagekräftig ist, weil sich die Ergebnisse der einzelnen Studien und die verwendeten Extrakte unterscheiden. Autoren einer älteren Studie wollten die Wirksamkeit eines standardisierten Echinacea-Extraktes untersuchen, der neben Extrakten aus dem Abendländischen Lebensbaum und der Baptisia-Wurzel in Esberitox® enthalten ist. Symptome eines grippalen Infektes linderte der Echinacea-Extrakt im Vergleich zu Placebo signifikant stärker. Eine Subgruppenanalyse ergab: Wer die Behandlung früher gestartet hatte, profitierte mehr davon [15]. Echinacea-Extrakte sollten nicht länger als acht Wochen angewendet werden. Bei Kunden, die allergisch auf Korb­blütengewächse reagieren oder an atopischer Dermatitis leiden, sollten man abwägen, ob der mögliche Nutzen den Schaden aufwiegt [7].

Auch Extrakte aus einer Kombination von Kapuzinerkresse und Meerrettich (z. B. in Angocin®) wirken in vitro antiviral und sollen Erkältungskrankheiten vorbeugen. Für die Wirkung sollen vor allem die enthaltenen Senfölglycoside verantwortlich sein. In einer randomisierten Studie wurde überprüft, ob der Extrakt Atemwegserkrankungen vorbeugen kann. 352 Patienten nahmen teil. 2012 wurde die Studie veröffentlicht. Den Autoren zufolge erkrankten Probanden während der 84 Behandlungstage signifikant seltener im Vergleich zur Placebogruppe. Auf die Schwere oder Dauer der Erkrankung schien der Extrakt keinen Einfluss zu haben [14]. 2020 wurde in einer weiteren Studie das Phytopharmakon bei Patienten mit unkomplizierter Rhinosinusitis untersucht. Bei 92% besserten sich die Symptome – signifikant mehr als in der Placebo-Gruppe [16].

Kräuter gegen den Halsschmerz

Grippale Infekte äußern sich meist als erstes durch Halsschmerzen. Die Hilfe aus der Apotheke beginnt schon mit einfachen Lutschbonbons. In der DEGAM-Leitlinie „Halsschmerzen“ findet sich der Hinweis: Auch nicht-medizinische Lutschbonbons können den Schmerz lindern, indem sie die Speichelproduktion anregen [8]. Die Heilkräuter Thymian und Salbei gelten traditionell als Mittel gegen Halsschmerzen. Den schmerzstillenden Effekt konnten Autoren einer placebokontrollierten Studie anhand eines Salbei-Sprays belegen. Auch zahlreiche Präparate mit Arzneidrogen wie Primelwurzeln (z. B. Ipalat®), Spitzwegerich (z. B. Tetesept Reizhusten & Hals Lutschtabletten) oder isländischem Moos (z. B. Isla Moos®, Neoangin Junior, Aspecton Halstabletten) können bei Halsschmerzen helfen. Hier bieten sich Tee-Zubereitungen oder Lutschbonbons an. Beide bringen einen Vorteil mit: Der Tee unterstützt Patienten bei der ausreichenden Flüssigkeitszufuhr. Das Lutschbonbon lindert den Halsschmerz zusätzlich durch die verstärkte Speichelproduktion.

Bei stärkeren Halsschmerzen kann ein Arzneimittel mit zusätzlich lokalanästhetischer Wirkung in Betracht gezogen werden, zum Beispiel mit Ambroxol oder Bromhexin (z. B. in Mucosolvan®). Die Arzneimittel sind zwar keine klassischen Phytopharmaka, weil ihre Bestandteile nicht ausschließlich pflanzlicher Herkunft sind. Doch der Wirkstoff Ambroxol ist ein Metabolit des Bromhexins, das erstmals aus dem indischen Lungenkraut Justicia adhatoda isoliert wurde. Die Heilpflanze wird seit Tausenden von Jahren bei Tuberkulose und Asthma eingesetzt, während sich in Deutschland die isolierten Wirkstoffe durchgesetzt haben.

Pflanzen als Nasenöffner

Schnupfen tritt bei 90% der grippalen Infekte auf. Patienten klagen über Niesreiz und wässrigen bis schleimigen Auslauf aus der oft verstopften Nase. Komplikationen wie Nebenhöhlen- oder Mittelohrentzündungen nehmen häufig beim Schnupfen ihren Ausgang. Apothekerinnen und Apotheker müssen aufpassen: Im Rahmen einer akuten Sinusitis kann es zu entzündlichen Durchwanderungsprozessen kommen. Berichten Patienten über eingeschränkte Sicht, Lidschwellungen oder starken Kopfschmerz, sollten sie einen Arzt aufsuchen. Die wichtigste Gegenmaßnahme bei Schnupfen sind nicht-pflanzliche, abschwellende Nasensprays. In Kombination damit sind Phytotherapeutika sinnvoll, um das Sekret schneller abfließen zu lassen [9]. Die Autoren der DEGAM-Leitlinie „Rhinosinusitis“ empfehlen einen Extrakt explizit: BNO 1016 aus Ampfer, gelbem Enzian, Holunder, Eisenkraut und Schlüsselblume (z. B. in Sinupret® extrakt). Auch er darf sich zu den berühmtesten und besterforschten Pflanzenextrakten zählen. Kontrollierten Studien zufolge konnte der standardisierte Extrakt die Dauer der Symptome einer akuten Rhinosinusitis im Vergleich zu Placebo um vier Tage reduzieren [10]. Eine Dosierung von 480 mg schien wirksamer zu sein als 240 mg.

Ähnlich effektiv wirken Eukalyptus-Extrakte, insbesondere das enthaltene 1,8-Cineol (z. B. in Gelomyrtol forte®, Soledum®). Hier konnte in zwei kontrollierten Studien belegt werden, dass pflanzliche Präparate mit Eukalyptus-Extrakten als Komedikation mit Antibiotika die Heilung und Symptomlinderung beschleunigen. Auch der bereits erwähnte Pelargonium-sidoides-Extrakt schwächt wahrscheinlich die Symptome einer akuten Rhinosinusitis. Zu diesem Ergebnis kamen Autoren eines systematischen Cochrane-Reviews aus dem Jahr 2013 [11]. Dennoch schreibt die DEGAM zusammenfassend in ihrer Leitlinie: Die Evidenzlage von Phytopharmaka reicht nicht aus, um sich klar für oder gegen Phytopharmaka zu positionieren.

Reizlindernd oder lösend

Besser belegt ist wie eingangs im Artikel erwähnt die Wirkung von Pelargoniumwurzel-Extrakten bei Husten. Husten tritt bei gewöhnlichen grippalen Infekten eher spät auf. Vorher leiden Patienten regelhaft schon ein paar Tage an den übrigen Symptomen. Er beginnt oft als trockener Reizhusten, der wenige Tage später produktiv wird. Hält der Husten länger als acht bis zehn Tage an, sind die Patienten an einen Arzt zu verweisen. Denn möglicherweise ist die Ursache für den Dauerhusten Pseudokrupp, Asthma oder die Nebenwirkung einer Therapie mit ACE-Hemmern.

Bei Reizhusten sind schleimhaltige pflanzliche Arzneimittel zum Lutschen oder Trinken von Bedeutung: Spitzwegerich (z. B. Broncho-Sern), Eibisch (z. B. Phytohustil, Silomat gegen Reizhusten Eibisch/Honig) oder die Königskerze (z. B. Antall bei Reizhusten und Heiserkeit). Sie können zum Teil auch bei Halsschmerzen helfen. Bei produktivem Husten wirken Expektoranzien am besten, die zum Teil auch bei Schnupfensymptomen Abhilfe schaffen: Eukalyptus (z. B. Gelomyrtol forte), Primel (z. B. Bronchicum, Bronchipret) oder Myrte (z. B. Myrtol.

Interessant ist dabei, dass die DEGAM in ihrer Leitlinie „Husten“ generell die Behandlung mit Expektoranzien wie Ambroxol, Acetylcystein (ACC) oder Bromhexin nicht empfiehlt, weil die Evidenz für deren Wirkung nicht zufriedenstellend sei. Einzelne Phytotherapeutika hätten hingegen eine zufriedenstellende Evidenzlage.

Efeublätter-Trockenextrakte (z. B. in Prospan®) können über die enthaltenen Hedera-Saponine sowohl eine antitussive als auch eine sekretolytische Wirkung entfalten. Sie eignen sich zum Einsatz sowohl bei Reiz- als auch produktivem Husten. Autoren eines systematischen Reviews bestätigen, dass die Anwendung mit Efeu-Extrakten sicher ist. Die symptomlindernden Effekte seien jedoch gering gewesen [12].

Auch dem echten Thymian wird eine hustenstillende Wirkung nachgesagt. Schon im Mittelalter empfahl ihn Hildegard von Bingen zur Anwendung bei Keuchhusten. In einer kontrollierten Studie konnte eine Kombination aus Thymian- und Efeu-Extrakten die Häufigkeit und Dauer des Hustens signifikant verringern. Eine solche Kombination ist zum Beispiel in Bronchipret® enthalten [13]. |

 

Literatur

 [1] Statista: Top 10 der umsatzstärksten Indikationsgruppen von Phytopharmaka auf dem deutschen Apothekenmarkt im Jahr 2021. www.statista.com

 [2] Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: 1. Dezember 2022, www.rki.de

 [3] Schäfer P (Hrsg.). Allgemeinpharmazie – Ein Lehrbuch für das Praktische Jahr, Weiterbildung und Apothekenpraxis. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2021

 [4] Schapowal A et al. Treatment of signs and symptoms of the common cold using EPs 7630 – results of a meta-analysis. Heliyon 2019, doi: 10.1016/j.heliyon.2019.e02904

 [5] Kardos P et al. Effects of Pelargonium sidoides extract EPs 7630 on acute cough and quality of life – a meta-analysis of randomized, placebo-controlled trials. Multidiscip Respir Med 2022, doi: 10.4081/mrm.2022.868

 [6] Akuter und chronischer Husten. S3-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). AWMF-Register-Nr. 053-013, Stand 2021

 [7] David S, Cunningham R. Echinacea for the prevention and treatment of upper respiratory tract infections: A systematic review and metaanalysis. Complement Ther Med 2019;44:18-26, doi: 10.1016/j.ctim.2019.03.011

 [8] Halsschmerzen. S3-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). AWMF-Register-Nr. 053-010, Stand 2020

 [9] Rhinosinusitis. S2k-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und der deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. AWMF-Register-Nr. 017/049, Stand 2017, in Überarbeitung

[10] Jund R et al. Herbal drug BNO 1016 is safe and effective in the treatment of acute viral rhinosinusitis. Acta Otolaryngol 2015, doi: 10.3109/00016489.2014.952047

[11] Timmer A et al. Pelargonium sidoides extract for treating acute respiratory tract infections. Cochrane Database Syst Rev 2013, doi: 10.1002/14651858.CD006323.pub3

[12] Sierocinski E et al. Ivy leaf (Hedera helix) for acute upper respiratory tract infections: an updated systematic review. Eur J Clin Pharmacol 2021, doi: 10.1007/s00228-021-03090-4

[13] Kemmerich B et al. Efficacy and Tolerability of a Fluid Extract Combination of Thyme Herb and Ivy Leaves and Matched Placebo in Adults Suffering from Acute Bronchitis with Productive Cough. Arzneimittelforschung 2006, DOI: 10.1055/s-0031-1296767

[14] Fintelmann V et al. Efficacy and safety of a combination herbal medicinal product containing Tropaeoli majoris herba and Armoraciae rusticanae radix for the prophylactic treatment of patients with respiratory tract diseases. CMRO 2012, https://doi.org/10.1185/03007995.2012.742048

[15] Henneicke von Zepelin H et al. Efficacy and safety of a fixed combination phytomedicine in the treatment of the common cold. Curr Med Res Opin 1999, doi:10.1185/03007999909114094

[16] Albrecht U et al. Efficacy and Safety of The Herbal Combination Containing Tropaeoli Majoris Herba and Armoraciae Rusticanae Radix in Patients Suffering from Uncomplicated, Acute Rhinosinusitis. CMRO 2020, https://doi.org/10.15520/jcmro.v3i10.350]

Autor

Marius Penzel studierte Pharmazie in Leipzig. Nach dem praktischen Jahr absolvierte er ein Volontariat bei der Deutschen Apotheker Zeitung. Heute arbeitet er als freier Wissenschafts­journalist in Berlin.

„Für das Gesundheitssystem ist es relevant“

Ein Interview

Prof. Dr. Andreas Michalsen bekleidet die Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Zudem ist er Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus in der Bundeshauptstadt. Wir fragten nach seinen Empfehlungen zum Einsatz von Phytopharmaka bei Atemwegsinfekten.

Prof. Dr. Andreas Michalsen

DAZ: Viele Phytopharmaka können die Krankheitszeit bei grippalen Infekten für wenige Tage verkürzen. Ist das schon klinisch relevant?
Michalsen: Erkältungen sind in den Wintermonaten die wichtigste Ur­sache für Krankschreibungen. Für das Gesundheitssystem ist es also relevant, wenn wir Erkältungen um einen oder zwei Tage verkürzen können. Ich persönlich finde auch: Es macht einen Unterschied, ob ich sieben Tage krank bin oder fünf.

DAZ: Welche Phytopharmaka empfehlen Sie bei dieser Indikation?
Michalsen: Es gibt im Bereich der Atemwegsinfekte keine Head-to-Head-Studien. Daher lässt sich kein zuverlässiger Gewinner küren. Die standardisierten Extrakte, die am besten erforscht sind, finden sich z. B. in Umckaloabo®, Sinupret®, Bronchipret®, Gelomyrtol®, Soledum® oder Phytohustil®. Ich rate Familien, ein bis zwei Präparate in der Hausapotheke bereitzuhalten. Entscheidend ist dann, die wie schnell sie angewendet werden. Die Präparate frühzeitig anzuwenden, könnte wichtiger sein, als die Frage, für welches Phytopharmakon man sich entscheidet.

DAZ: Raten Sie bei speziellen Co-Indikationen dennoch zu bestimmten Extrakten?
Michalsen: Ja. So wirken etwa Efeu-Extrakte gut bronchospasmolytisch. Bei Asthma- oder COPD-Patienten mit einem Atemwegsinfekt kann das gut helfen, ebenso bei Kindern mit Reizhusten. Bei sehr hartnäckigen viralen Infekten ist der Pelar­gonium-Extrakt eine gute Wahl, da sein antiviraler Effekt gut belegt ist. Oder bei sehr zähem Husten, der sich kaum abhusten lässt, ist Primelwurzel oder Myrtol eine gute Wahl. Bei reinem Hustenreiz ist Thymian sehr wirksam.

DAZ: Wo sehen Sie das größte Potenzial für die Forschung, um neue phytopharmakologische Ansätze bei Atemwegsinfekten zu finden?
Michalsen: Die Phytotherapie denkt gern in Kombinationen: Synergie­effekte werden gern genutzt, wie bei Bronchipret®, das sowohl Thymian als auch Efeu enthält. Ich finde die Vorstellung spannend, Senföl­glycosid-haltige Pflanzen wie die Kapuzinerkresse oder Meerrettich, die Biofilme stören, in Kombination mit Thymian oder Pelargonium zu untersuchen.

DAZ: Wird hier noch viel geforscht?
Michalsen: Im Bereich der Phytotherapie investieren nur noch wenige Firmen in Studien. Ich freue mich immer wieder, wenn sich doch jemand für ein Forschungsprojekt findet, und dann sind wir immer gern dabei.

DAZ: Wie wird sich die Phytopharmazie in den nächsten Jahren ent­wickeln?
Michalsen: Am Ende wird die Phytotherapie bestimmt wieder en vogue werden. Denn sie bietet viele Vorteile, etwa durch den geringen CO2-Fußabdruck bei der Produktion im Vergleich zu anderen Arzneimitteln.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch.

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