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Arzneimittel und Therapie
Wenn es nicht bei Feigwarzen bleibt
Impfung gegen humane Papillomaviren schützt vor Krebserkrankungen
Derzeit sind mehr als 200 verschiedene Typen von humanen Papillomaviren bekannt. Je nach ihrem Potenzial, Krebserkrankungen auszulösen, wird zwischen Niedrig- und Hochrisiko-Typen unterschieden. Die Viren besiedeln Haut und Schleimhäute - in den meisten Fällen bekämpft das eigene Immunsystem die Infektion unbemerkt und folgenlos. Bei unzureichender Abwehr kann in seltenen Fällen die Infektion anhalten und bei Infektion mit einem Hochrisiko-Stamm das Risiko für Krebs erhöhen. Die internationale Krebsforschungsagentur (IARC) stuft aktuell zwölf genitale HPV-Typen als Hochrisiko-Typen ein, darunter insbesondere die Typen 16 und 18. Sie können Zellveränderungen im Bereich des Afters und des Genitalbereichs bis hin zur Entwicklung von Krebsvorstufen und Krebs auslösen. Am häufigsten entsteht Gebärmutterhalskrebs – aber auch Tumoren an Vulva, Vagina, Penis, After oder im Bereich von Mund, Rachen und Kehlkopf können die Folge einer Infektion mit einem HPV-Hochrisiko-Stamm sein. Eine Infektion mit Niedrigrisiko-Typen führt hingegen zu Hautwarzen oder gutartigen Genitalwarzen (Feigwarzen, Kondylome). Zu den bekanntesten Niedrigrisiko-Stämmen, die Warzen im Genitalbereich auslösen, zählen die HPV-Typen 6 und 11.
Impfung schützt
Bisher können nur die durch humane Papillomaviren hervorgerufene Erkrankungen mit Pharmaka behandelt werden. Für die Infektion selbst stehen noch keine Arzneimittel zur Verfügung. Den effektivsten Schutz vor einer Infektion und einer durch Hochrisiko-Typen verursachten Krebserkrankung bietet jedoch die Impfung.
Da mehr als 90% aller Fälle von Gebärmutterhalstumoren auf eine HPV-Infektion zurückzuführen sind, wurde die Impfung bei der Markteinführung im Jahr 2007 u. a. allen Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren zur Prävention von Gebärmutterhalskrebs empfohlen. 2018 erfolgte dann eine Erweiterung der Zielgruppe: Seitdem werden auch Jungen im gleichen Alter geimpft, um sowohl die Virusübertragung zu verhindern als auch einen Schutz vor durch HPV ausgelöste Vorstufen maligner Läsionen und Karzinome u. a. des Analbereichs zu erzielen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung idealerweise vor der Aufnahme sexueller Kontakte. In Deutschland liegt die derzeitige Impfquote bei ca. 45%.
Wie sollte geimpft werden?
Derzeit stehen drei verschiedene Totimpfstoffe zur Verfügung. Der bivalente Impfstoff Cervarix® deckt die Hochrisiko-Typen 16 und 18 ab, der vierfache Impfstoff Gardasil® schützt vor Infektionen mit den HPV-Typen 6, 11, 16 und 18. Der neunvalente Impfstoff Gardasil 9® bietet einen zusätzlichen Schutz vor Infektionen mit den Typen 31, 33, 45, 52 und 58.
Die STIKO sieht folgendes Impfschema vor:
- 9 bis 14 Jahre: zwei Impfdosen im Abstand von 5 und 13 Monaten (bei kürzerem Abstand sind drei Dosen erforderlich)
- 15 Jahre und älter: Cervarix®: 0-1-6 Monate; Gardasil 9®: 0-2-6 Monate
Der Impfstoff Gardasil® sollte laut Fachinformation bei Kindern von 9 bis 13 Jahre mit zwei Impfdosen im Abstand von sechs Monaten verabreicht werden; ab 14 Jahre und älter sollte ein Drei-Dosen-Schema (0-2-6 Monate) erfolgen.
Eine Auffrischungsimpfung wird derzeit nicht empfohlen.
Darüber hinaus sollten Mädchen darauf hingewiesen werden, dass eine HPV-Impfung nicht das Gebärmutterhals-Screening ersetzt und weiterhin am Vorsorgeprogramm teilgenommen werden sollte.
Die Impfungen sind im Allgemeinen gut verträglich. Es kann zu lokalen Reaktionen an der Einstichstelle kommen; auch kurzfristige Kreislaufreaktionen wie Schwindel sind möglich. Daher wird empfohlen, die Impfung im Sitzen oder Liegen durchzuführen. Schwere Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Immunisierung wurden bisher nicht festgestellt.
Frühes Impfen zahlt sich aus
In einer aktuellen Beobachtungsstudie wurde die Wirksamkeit des nationalen HPV-Impfprogramms gegen Gebärmutterhalskrebs und Präkanzerosen mit dem bivalenten Impfstoff Cervarix® in England untersucht; das Impfprogramm startete 2008. In der Studie wurden die bevölkerungsbasierten Krebsregisterdaten von Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahren im Zeitraum zwischen Januar 2006 und Juni 2019 ausgewertet. Es konnte festgestellt werden, dass die Rate an Gebärmutterhalskrebs bei Frauen, die im Alter zwischen 16 und 18 Jahren gegen HPV geimpft wurden, um 34% geringer war. Je jünger die Frauen bei der Erstimpfung waren, desto stärker war der Effekt ausgeprägt. Wenn die Impfung im Alter von 12 bis 13 Jahren verabreicht wurde, lag die Reduktion bei 87%, im Alter von 14 bis 16 Jahren bei 62%. Auch das Risiko für Präkanzerosen war deutlich erniedrigt - in Abhängigkeit des Impfalters betrug die Reduktion zwischen 39 und 97%. Die Studie konnte zeigen, dass bis Juni 2019 in der geimpften Bevölkerung in England 448 weniger Fälle an Gebärmutterhalskrebs und mehr als 17.200 weniger Fälle an Präkanzerosen auftraten als erwartet.
HPV-Impfung bei Krebsüberlebenden
Es ist bekannt, dass junge Krebsüberlebende ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen, die durch humane Papillomaviren, insbesondere durch die Typen 16 und 18 ausgelöst werden, aufweisen. Eine aktuelle Studie, deren Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurden, untersuchte die Immunogenität und Sicherheit des 3-Dosen-Impfschemas der HPV-Impfung bei jungen Krebsüberlebenden. Die offene Phase-II-Nicht-Unterlegenheitsstudie wurde an fünf Krebszentren in den USA im Zeitraum von Februar 2013 bis Juni 2018 durchgeführt. Insgesamt wurden 453 Krebsüberlebende (42% weiblich) in Remission im Alter von 9 bis 26 Jahren mit einer ein bis fünf Jahre zurückliegenden Krebstherapie in die Studie eingeschlossen. Die Teilnehmer erhielten entweder drei Dosen des Vierfach(HPV4)- oder drei Dosen des Neunfach(HPV9)-Impfstoffes im Abstand von 0-2-6 Monaten.
Primärer Endpunkt war die Nicht-Unterlegenheit der Antikörper-Antwort gegen die HPV-Typen 16 und 18 im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nach sieben Monaten. Eine Nicht-Unterlegenheit war dann gegeben, wenn das 95%-Konfidenzintervall größer als 0,5 für die geometrisch mittleren Titer (GMT) war. Das Verhältnis des mittleren GMT für die Anti-HPV-Typen 16 und 18 in der Gruppe der Krebsüberlebenden versus Allgemeinbevölkerung war in allen Subgruppen (Alter 9 bis 15 Jahre; Alter 16 bis 26 Jahre; männlich; weiblich) beider Impfstoffkohorten größer als eins. Unerwünschte Ereignisse traten bei über 50% der Studienteilnehmer auf. Am häufigsten wurde über Schmerzen an der Einstichstelle berichtet. Ein schwerwiegendes Ereignis (Erythema nodosum) trat in der HPV9-Kohorte auf und stand möglicherweise im Zusammenhang mit der Impfung.
Die Studie konnte zeigen, dass die Immunogenität und Sicherheit der HPV-Impfung für Krebsüberlebende vergleichbar mit der Allgemeinbevölkerung ist. Die Ergebnisse unterstreichen den Nutzen der Impfung insbesondere für diese vulnerable Gruppe. |
Literatur
Krebsinformationsdienst Humane Papillomviren (HPV) als Krebs-Auslöser; Informationen des Deutschen Krebsforschungszentrums, www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/hpv2.php, Abruf am 1. Dezember 2021
Fachinformation Cervarix®: Stand Mai 2020
Fachinformation Gardasil®; Stand November 2020
Fachinformation Gardasil 9®; Stand November 2021
Falcaro M et al. The effects oft he national HPV vaccination programme in England, UK, on cervical cancer and grade 3 cervical intraepithelial neoplasia incidence: a register-based observational study. The Lancet 2021; doi.org/10.1016/S0140-6736(21)02178-4
Landier W et al. Immunogenicity and safety of the human papillomavirus vaccine in young survivors of cancer in the USA: a single-arm, open-label, phase 2, non-inferiority trial. The Lancet 2021; doi.org/10.1016/S2352-4642(21)00278-9
HPV-Impfung: effektive Prävention von HPV assoziierten Krebserkrankungen; Informationen der DIGIMED Verlag GmbH, Stand März 2021
Impfstoffe gegen HPV (humane Papillomaviren); Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts, www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/gebaermutterhalskrebs-hpv/hpv-node.html, Abruf am 22. November 2021
Schutzimpfung gegen Humane Papillomviren (HPV) – Faktenblatt zur HPV-Impfung; Informationen des Robert Koch-Instituts, Stand Februar 2019
STIKO Impfkalender; Stand August 2021
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