Aus den Ländern

Dunkle Zeiten für die Apotheken in Brandenburg

Kammerversammlung der Landesapothekerkammer Brandenburg

POTSDAM (ks) | Die Tage werden auch für die Apotheken dunkler – und das liegt nicht nur an der Jahreszeit. Der Blick in die Zukunft sorge bei so manchen Kollegen und Kolleginnen für Existenzängste, sagte Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg, bei der Kammerversammlung am 30. November. Für Plakate der Apothekenkampagne mit Slogans wie „Weil es Spaß macht“ hat er daher wenig übrig.
Foto: DAZ/ks

Kammerpräsident Jens Dobbert

Krieg, steigende Energiepreise, Inflation – derzeit gibt es vieles, das die vorweihnachtliche Stimmung trübt. Auch die Apotheken wissen ein Lied davon zu singen. Sie haben nicht nur mit höheren Kosten von allen Seiten zu kämpfen – ab Februar 2023 sinkt auch ihre Vergütung, weil der an die Kassen zu leistende Abschlag um 23 Cent je Rx-Packung steigt. Und das sind nicht genug der Widrigkeiten. Dobbert erinnerte in seinem Bericht auch an die zahlreichen weiteren Aufgaben, die Apotheken erledigen, ohne dass sie dafür vergütet werden: etwa die Umsetzung der Rabattverträge und der Importquote, das Inkasso der Herstellerrabatte und die Einziehung der Zuzahlung. Nicht zuletzt fehlt den Apotheken das Personal.

All dies macht den wirtschaftlichen Apothekenbetrieb immer schwieriger. In Brandenburg hielt sich die Apothekenzahl lange Zeit erstaunlich stabil. Doch wie Dobbert berichtete, schlossen in diesem Jahr bereits elf Betriebsstätten. Zwei weitere werden bis Jahresende folgen. Der Kammerpräsident verwies zudem auf Daten der Treuhand Hannover, wonach 15 Prozent der von ihnen betreuten Brandenburger Apotheken keinen Gewinn oder sogar ein Minus machten.

Schluss mit dem Schmusekurs

Für Dobbert ist es daher höchste Zeit zu handeln: „Wir müssen endlich anfangen, unsere Forderungen lautstark zu artikulieren.“ Der „Schmusekurs“ zwischen ABDA und Politik müsse beendet werden. Die ABDA-Kampagne mit Slogans wie „Geht nicht, gibt‘s nicht“ oder „Weil es Spaß macht“ hat für ihn mit der Realität nichts zu tun. Das gelte vor allem mit Blick auf die Lieferengpässe. „Wir betreiben aktuell eine Mangelwirtschaft“, so Dobbert. Es müsse Zeit und Geld investiert werden, um die Patienten mit Fiebersäften, Hustensäften, Fieber­mitteln, Protonenpumpenhemmern und mittlerweile auch Insulinen zu versorgen. Die Apotheken gingen in Vorleistung und bauten Waren­lager auf, wenn einmal größere Mengen bestellt werden können. Nach ABDA-Erhebungen kostet dieses Engpassmanagement die typische Apotheke 15.000 bis 20.000 im Jahr – ohne Vorfinanzierung des Warenlagers, wie Dobbert betonte. Für ihn ist klar: Dafür müssen die Apotheken entschädigt werden.

Foto: DAZ/ks

Die Kammerversammlung fand im Apothekerhaus Brandenburg in Potsdam statt.

„Schmerzensgeld“ für die Präqualifikation

Und der Kammerpräsident kann sich noch mehr vorstellen: zum Beispiel einen Inflationsausgleich für die vergangenen Jahrzehnte, Rückvergütungen für die Um­setzung von Rabattverträgen oder eine Auszahlung der durch die Erfüllung der Importquote angesparten Summen. Und mit Blick auf die Präqualifizierung hält er ein „Schmerzensgeld“ für angemessen.

Das in der Politik zu hörende Argument, Apotheken hätten in der Pandemie so gut verdient, lässt Dobbert nicht gelten. Zum einen hätten nicht alle Apotheken profitiert – zum anderen sei auch allen anderen das Geld nicht in den Schoß gefallen. „Sie mussten dafür hart arbeiten.“ Sie hätten keine Deals angebahnt, um Masken und Provisionen zu bekommen, sondern seien teilweise selbst weit dafür gefahren. Sie hätten „echte“ Testzentren betrieben. Und immer wieder sei ihnen bei diesen Sonderaufgaben die Vergütung gekürzt worden. Doch statt eines Danks für die „enormen Leistungen“ gebe es eine „schallende Ohrfeige“ für die Apotheken.

Und der höhere Kassenabschlag wird im kommenden Jahr nicht das einzige Problem sein. Dazu kommen die Tarifanpassungen und die zahlreichen angekündigten Erhöhungen für diverse Leistungen. „Die Summe der Veränderungen, die uns 2023 treffen werden, wird für viele Apotheken womöglich das Aus bedeuten“, so Dobbert. Er sei gespannt, wie die Politik dann noch die flächendeckende Versorgung gewährleisten will.

Ja zu Protestaktionen

Dobbert machte auch deutlich, dass er die Protestaktion unter anderem der Brandenburger Apotheker und Apothekerinnen vor Verabschiedung des Spargesetzes im Oktober richtig fand. In Brandenburg hatten sich rund 90 Prozent der Apotheken beteiligt. Der Vorstand der Landesapothekerkammer befürworte weitere Aktionen dieser Art ausdrücklich. Nötig sei der Protest in der Fläche. Um eine höhere Durchschlagskraft zu erzielen, am besten zusammen mit weiteren Heilberuflern, die auch vom Spargesetz betroffen sind.

Pharmazeutische Dienstleistungen: kein zweites Standbein

Was die pharmazeutischen Dienstleistungen betrifft, ermunterte Dobbert die Kollegen und Kolleginnen, diese anzubieten. Das sei angesichts des Personalmangels zwar eine Herausforderung, aber doch ein wichtiges „politisches Signal“. Als „zweites Standbein“ sieht der Kammerpräsident die Dienstleistungen allerdings nicht – ebenso wenig das Impfen in Apotheken. „Unsere Aufgabe ist die Abgabe von Arzneimittel und die zugehörige Be­ratung. Dafür benötigen wir eine adäquate Vergütung“, betonte Dobbert. Pharmazeutische Dienstleistungen und Impfungen könnten nur zusätzlich erbrachte Leistungen sein, wenn die Vergütung kostendeckend sei. Was das Impfen angeht – zu dem die Kammer ihre bislang ablehnende Haltung zwar überdacht hat – ist Dobbert ohnehin überzeugt, dass es dafür keinen Bedarf gibt. Die Ärzte seien durchaus in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen.

Pläne für neue Notdienst­verteilung

Weiterhin berichtete Dobbert, dass die Kammer eine Entlastung der Kollegen und Kolleginnen bei den Notdiensten plane. Dass der Schuh drückt, zeigte eine zu Jahresbeginn bei den Apotheken durchgeführte Umfrage. Gefragt wurde zum Beispiel, wie häufig Kunden kommen, welche es sind und was gewünscht wird. Ebenso, ob es eine Bereitschaft zur Übernahme von Teildiensten gibt. Letztlich kam es zu einem Entwurf für eine Neuregelung, die die Versorgung nach Auffassung der Kammer auch weiter sichert, aber den Rhythmus von 13 auf 22 verlängert. Bei der Aufsicht habe es dafür auf Arbeitsebene auch viel Unterstützung gegeben – doch auf höherer Ebene sei das Projekt beerdigt worden, so Dobbert. Klein beigeben will er aber nicht: Zeitnah soll der Vorschlag nochmals eingebracht werden.

Drehen will die Kammer überdies an den Öffnungszeiten. Wie in Sachsen soll es auch in Brandenburg künftig mehr Flexibilität geben: Statt fester Mindestöffnungszeiten sollen es künftig Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag in der Zeit von 9 bis 18 Uhr mindestens sechs Stunden sein, die geöffnet sind, mittwochs mindestens drei Stunden. In welcher Zeit genau die Arbeitszeit liegt, soll die Apotheke selbst festlegen können. Dobbert geht davon aus, dass von einer entsprechenden Änderung der Allgemeinverfügung nur Gebrauch gemacht wird, „wenn nichts anderes mehr geht“. Auch diesen Vorstoß stimmt die Kammer derzeit mit dem Ministerium ab.

Ein weiterer Dauerbrenner der Pots­damer Kammerversammlungen ist das Thema Nachwuchs. Zum einen stehe vielen jüngeren Mitarbeitern offenbar die Berufsausübung ihrer Work-Life-Balance im Weg, so Dobbert. Sie wollten weniger arbeiten, aber dafür „fürstlich entlohnt“ werden. Daher brauche man mehrere Approbierte, um den Tag in der Apotheke abdecken zu können. Doch wo sollen sie herkommen? Alle Bemühungen der Kammer, einen Studiengang Pharmazie im Land einzurichten, sind bislang gescheitert. Und an der Situation wird sich wohl auch vorerst nichts ändern, wie die Landespolitik deutlich signalisiert. Auch ein Studiengang an der privaten Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) in Neuruppin ist für Dobbert keine Lösung – wenngleich es mit dieser wieder ein Gespräch gab. Die Kammer ist allerdings weiterhin der Auffassung, dass die pharmazeutische Ausbildung eine Aufgabe des Landes Brandenburg ist.

Zum Ende seines Berichts zog Dobbert ein ernüchterndes Fazit: „Vor uns liegen weiter harte Jahre mit einem nicht prognostizierbaren Ausgang.“

Fonds für PTA-Auszubildendengehalt kommt nicht

Vielleicht auch vor diesem Hintergrund wollten sich die Delegierten im weiteren Verlauf der Sitzung nicht auf einen neuen Fonds zur Finanzierung einer PTA-Ausbildungsvergütung für Schülerinnen und Schüler der PTA-Schule in Eisenhüttenstadt einlassen. Auch wenn der Bedarf an PTA groß ist: Eine Beschlussvorlage, initiiert durch den Leiter der PTA-Schule Clemens Tründelberg, die alle Apothekeninhaber zu einem zusätzlichen Beitrag verpflichten wollte, um den Schülerinnen und Schülern ein Ausbildungsgehalt von 450 Euro (dies würde 259.200 Euro im Jahr erfordern) zu ermög­lichen, fand keine Mehrheit. Zwar gab es in der Diskussion durchaus Zuspruch für Tründelbergs Vorstoß. Schließlich sehen alle mit Sorge, dass die Zahl der Bewerber um einen Schulplatz gering ist – die theoretisch 24 Plätze im Jahr bekommt der Schul­leiter schon länger nicht besetzt. Ein Grund dürfte sein, dass andere Aus­bildungsberufe mit Azubi-Gehältern locken. Einige Apotheker wollen daher nicht noch länger warten, dass hier die Politik für Änderungen sorgt. Doch am Ende setzten sich jene durch, die eine solche Fondslösung für das falsche Signal an die Politik halten. Sie suggeriere, dass es bei den Apotheken noch Effizienzreserven gebe. Zudem gibt es einigen Widerstand, in einen Fonds einzuzahlen, von dem man nicht weiß, was am Ende dabei rauskommt – denn dass seine Idee auf jeden Fall funktioniert, kann auch Tründelberg nicht versprechen. Und so bleibt es nun beim Stipendienmodell in Brandenburg, bei dem Apotheken freiwillig jeweils einen Schüler unterstützen, der dann immerhin 150 bis 300 Euro im Monat erhält. |

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