- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 48/2022
- Ungleich behandelt
Arzneimittel und Therapie
Ungleich behandelt
Frauen mit Typ-2-Diabetes erhalten weniger Arzneimittel als Männer
Diabetiker haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre und renale Komplikationen. Um diese zu senken, empfehlen Leitlinien das Monitoring von Risikofaktoren wie Blutzucker, Blutdruck, Nieren- und Lipidparametern. Ist eine Korrektur durch Lebensstilmaßnahmen nicht erfolgreich, wird eine medikamentöse Therapie eingeleitet. Es hat sich gezeigt, dass die medikamentös erzielte Risikoreduktion bei männlichen Diabetikern stärker ausgeprägt ist als bei weiblichen. Oder anders ausgedrückt: Diabetikerinnen erleiden häufiger kardiovaskuläre und renale Komplikationen als Diabetiker. Möglicherweise liegt dies an geschlechterspezifischen Unterschieden bei der Verschreibung von Arzneimitteln. Dieser Frage ging eine niederländische Kohortenstudie nach.
Seltener Statine für Frauen
Die erforderlichen Angaben wurden der GIANTT-Datenbank entnommen, aus der neben demografischen Daten auch die Art der Primärversorgung von Typ-2-Diabetikern hervorgeht. Für das Kalenderjahr 2019 wurden Verschreibungen analysiert, um Beginn, Intensivierung, Häufigkeit und Sicherheit von Arzneimitteln zu erfassen, die zur Senkung von Blutdruck, Blutzucker, Lipidparametern und Albuminurie verordnet wurden. Diese Daten wurden mithilfe einer univarianten logistischen Regressionsanalyse ausgewertet. Die Studienpopulation bestand aus 4955 Frauen (47%) und 5501 Männern. Ein Vergleich der Verschreibungen zeigte mehrere Unterschiede auf. Insgesamt erhielten Männer mehr Medikamente als Frauen. Betrachtet man die reinen Verordnungszahlen, waren die größten Unterschiede zu erkennen bei Statinen (Frauen: 53% vs. Männer: 60%), Diuretika (42% vs. 35%), RAAS-Inhibitoren (50% vs. 56%) und Metformin (54% vs. 59%). Eine detaillierte Analyse zeigte weitere geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Qualität der medikamentösen Therapie:
- Frauen mit blutzuckersenkender Medikation erhielten weniger häufig Metformin als Männer (81,7% vs. 86,5%, Odds Ratio [OR] = 0,70, 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,61 bis 0,80).
- Frauen wurde trotz vorliegender Indikation seltener ein Statin verordnet als Männern (im Alter von 55 bis 80 Jahren: 58,7% vs. 63,9%, OR = 0,80, 95%-KI = 0,73 bis 0,89).
- Bei Frauen mit erhöhten LDL-Cholesterol-Werten wurde eine Statin-Behandlung im Vergleich zu Männern seltener angesetzt (19,7% vs. 24,7%, OR = 0,75, 95%-KI = 0,58 bis 0,96).
- Erhielten Frauen mehrere Antihypertensiva, so wurde ihnen seltener ein RAAS-Inhibitor verordnet als Männern (81,9% vs. 89,3%, OR = 0,55, 95%-KI = 0,46 bis 0,64).
- Auch bei Vorliegen einer Albuminurie erhielten Frauen seltener RAAS-Inhibitoren (74,7% vs. 82,1%, OR = 0,64, 95%-KI = 0,49 bis 0,85).
Keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern waren erkennbar, wenn Arzneimittel zur Blutzucker- und Blutdrucksenkung sowie gegen Albuminurie angesetzt oder intensiviert werden mussten.
Unverträglichkeiten könnten Verordnungen beeinflussen
In Bezug auf Albuminurien wurden Frauen potenziell unterbehandelt. Des Weiteren wurden bei Frauen seltener Statine angesetzt, wenn dies nötig war, als bei Männern. Diese Ungleichbehandlung kann teilweise das bei Frauen beobachtete höhere Risiko für kardiovaskuläre und renale Komplikationen im Zusammenhang mit Diabetes mellitus erklären.
Die Studienautoren vermuten, dass die Ungleichbehandlung damit zusammenhängen könnte, dass Frauen manche Arzneimittel schlechter vertragen, wie Metformin und RAAS-Inhibitoren, und sie daher z. B. umgestellt werden oder ihnen Arzneimittel aufgrund erwarteter Nebenwirkungen eher zurückhaltend verordnet werden, was auf die Statine zutreffen könnte. |
Literatur
Ambrož M et al. Sex disparities in medication prescribing among patients with type 2 diabetes mellitus managed in primary care. Diabet Med 2022;e14987, doi: 10.1111/dme.14987
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.