- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 48/2022
- Muskelschmerzen unter ...
Arzneimittel und Therapie
Muskelschmerzen unter Statinen erneut im Fokus
Ausgeprägter Noceboeffekt in Metaanalyse beobachtet
Statine gehören aufgrund ihrer günstigen Einflüsse auf kardiovaskuläre und atherosklerotische Parameter zu den häufig verordneten Wirkstoffen. In seltenen Fällen können muskuläre Schäden wie Myopathien oder Rhabdomyolysen auftreten. Deren Häufigkeit wird mit rund einem zusätzlichen Fall je 10.000 Personenjahre (für Myopathien) beziehungsweise zwei bis drei Fällen je 100.000 Personenjahre (für Rhabdomyolysen) geschätzt. Dies steht im Widerspruch zu den häufig geäußerten Muskelbeschwerden unter einer Statin-Einnahme, die zu einem Therapieabbruch führen können. Um das Ausmaß Statin-bedingter Muskelschmerzen verifizieren zu können, führte die englische Arbeitsgruppe Cholesterol Treatment Trialists’ Collaboration eine umfangreiche Metaanalyse durch. Zur Auswertung kamen 19 placebokontrollierte klinische Studien, von denen jede mindestens 1000 Teilnehmer aufwies, die wenigstens zwei Jahre lang ein Statin eingenommen hatten. Das mediane Follow-up lag bei 4,3 Jahren. Des Weiteren wurde auf vier doppelblinde Studien zurückgegriffen, in denen eine intensive mit einer weniger intensiven Statin-Therapie verglichen wurde. Insgesamt lagen die Daten von mehr als 150.000 Probanden vor. Damit war gewährleistet, dass ein häufig auftretendes, unspezifisches Symptom, wie Muskelschmerzen, einer bestimmten Gruppe – in diesem Fall Statin-Anwendern – zugeordnet werden kann.
Risiko im ersten Jahr erhöht
Im Verlauf eines gewichteten durchschnittlichen medianen Follow-Ups von 4,3 Jahren klagten 27,1% der Probanden der Statin-Gruppen (n = 16.835) über meist milde Muskelschmerzen, in der Placebogruppe waren es 26,6% (n = 16.446); das entspricht einer Risikoerhöhung um 3% (Rate Ratio [RR] = 1,03, 95%-Konfidenzintervall [KI] = 1,01 bis 1,06). Im ersten Jahr war der Effekt etwas ausgeprägter, hier führte die Statin-Einnahme im Vergleich zu Placebo zu einer relativen Zunahme von Muskelschmerzen oder Muskelschwäche um 7% (RR = 1,07, 95%-KI = 1,04 bis 1,10). Das entspricht elf zusätzlichen Ereignissen pro 1000 Personenjahre. Oder anders ausgedrückt: Im ersten Jahr der Statin-Einnahme war rund einer von 15 berichteten Fällen von muskulären Beschwerden auf eine Statin-Einnahme zurückzuführen, was weniger als 10% entspricht. Nach dem ersten Jahr gab es in den Statin-Gruppen im Vergleich zu den Placebogruppen keinen signifikanten Unterschied mehr bezüglich der Häufigkeit von Erstberichten zu Muskelbeschwerden.
Art des Statins ohne Einfluss
Im Hinblick auf die Intensität der Statin-Therapie ergab sich über alle Jahre gesehen folgendes Bild: Ein intensiveres Statin-Regime (z. B. einmal täglich 40 mg bis 80 mg Atorvastatin oder 20 mg bis 40 mg Rosuvastatin) führte zu einem höheren relativen Risiko für das Auftreten von Muskelbeschwerden als weniger intensive oder mäßig intensive Regime. Im Vergleich zu Placebo war das relative Risiko bei intensiveren Regimen um 8% und bei weniger intensiver oder mäßig intensiver Statin-Therapie um 3% erhöht (RR = 1,08 [95%-KI = 1,04 bis 1,13] vs. 1,03 [95%-KI = 1,00 bis 1,05]).
Die Art des eingesetzten Statins hatte keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Muskelbeschwerden. Das Auftreten von Muskelbeschwerden hatte einer Studie zufolge nach einem Jahr Therapie kaum Auswirkungen auf die Adhärenz.
Fazit
Die Studienautoren schlussfolgern: Die meisten unter einer Statin-Therapie berichteten Muskelbeschwerden sind nicht dem Statin geschuldet. Der nachgewiesene kardiovaskuläre Nutzen einer Statin-Therapie sei weitaus höher einzuschätzen als das Risiko für muskuläre Beschwerden, die dem Statin zuzuschreiben sind. |
Literatur
Reith C et al. Effect of statin therapy on muscle symptoms: an individual participant data meta-analysis of large-scale, randomised, double-blind trials. Lancet 2022;400(10355):832-845, doi: 10.1016/S0140-6736(22)01545-8, Erratum: Lancet 2022;400(10359):1194
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.