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Recht
Was eine in der Apotheke angestellte Ärztin darf und was nicht
Neue Dienstleistungen führen zu apothekenrechtlichen Kuriositäten
Nach wie vor existiert die wichtige Trennung zwischen den Tätigkeitsbereichen der Heilberufe. Doch Gesellschaft und Gesetzgeber sahen spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie die dringende Notwendigkeit, dass zum Schutz der Menschen vor Infektionen beispielsweise das Test- und Impfangebot auf mehrere Schultern verteilt werden muss. Apotheken dürfen daher inzwischen Testungen auf das Coronavirus durchführen sowie der Bevölkerung ein niedrigschwelliges Angebot an COVID-19- und Grippe-Impfungen unterbreiten.
Je nachdem in welchem Umfang sich die Apotheken vor Ort in die Test- bzw. Impfkampagnen einbringen, stellt sich die Frage, welches zusätzliche Personal für die jeweiligen Gesundheitsleistungen eingesetzt werden darf.
Statt Schulung: Ärzte werden selbst tätig
Sollen Apothekerinnen und Apotheker impfen dürfen, müssen sie bekanntlich zuvor eine ärztliche Schulung durchlaufen haben. Liegt es dann nicht nahe, dass man einfach direkt Ärztinnen und Ärzte zur Durchführung von Testungen oder Impfungen einstellt?
Das dachte sich auch Dr. Christian Fehske, Inhaber der Rathaus-Apotheke in Hagen, und stieß auf einige apothekenrechtliche Kuriositäten. Gegenüber der DAZ formuliert er deshalb eine Quizfrage. Halten Sie, liebe Leserinnen und Leser, also kurz inne und versuchen Sie die richtige(n) Antwort(en) zu finden.
Was darf eine in einer Apotheke angestellte Ärztin dort tun?
a) Corona-Testungen durchführen
b) COVID-19-Impfungen durchführen
c) Grippe-Impfungen durchführen
d) Vollblutentnahmen durchführen
Die Antwort auf die Quizfrage lautet: „nur a)“. Hätten Sie’s gewusst? Fühlen Sie sich bestätigt oder nun total irritiert? Keine Sorge, im Folgenden hat Apotheker Fehske Ihnen die Begründungen zusammengestellt.
Bei Impfungen durch Ärzte wird es problematisch
Zu Antwort a) Corona-Testungen darf im Prinzip ja „jeder“ durchführen, der eine entsprechende (ärztliche) Einweisung erhalten hat, die kann also in diesem Fall qua professione entfallen. Die in der Apotheke angestellte Ärztin darf das also.
Zu Antwort b) Man hätte denken können, dass der Ärztin COVID-19-Impfungen auch als Angestellte einer Apotheke erlaubt sind, denn die Regelungen dafür finden sich in der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und auf weitere Schutzimpfungen (CoronaImpfV). Hier sind in § 3 Satz 1 Nr. 7 „öffentliche Apotheken, sofern sie ihre Berechtigung nach Absatz 4a nachgewiesen haben“ benannt, und in Absatz 4a Nr. 1 wird ein Nachweis gefordert, dass „bei ihm [Leistungserbringer] nur Personen, die zur Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 berechtigt sind, die Impfungen durchführen“. Berechtigt sind auch Ärzte, also sollte das im Prinzip erlaubt sein – so auch die Rechtsauffassung der für Fehske zuständigen Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Allerdings vertritt die Ärztekammer in derselben Region eine deutlich abweichende Meinung: „Die Ärztekammer Westfalen-Lippe vertritt die Auffassung, dass nach § 29 Heilberufsgesetz NRW eine ärztliche Tätigkeit im Angestelltenverhältnis einer Apotheke nicht zulässig ist.“ Darin heißt es: (2) Die Ausübung ärztlicher, psychotherapeutischer und zahnärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern und außerhalb von Privatkrankenanstalten nach § 30 der Gewerbeordnung (GewO) ist an die Niederlassung in einer Praxis gebunden, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen etwas anderes zulassen oder eine weisungsgebundene ärztliche, psychotherapeutische oder zahnärztliche Tätigkeit in der Praxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten oder Zahnärztinnen und Zahnärzte ausgeübt wird. Von daher sind Impfungen und Blutabnahmen als ärztliche Tätigkeiten untersagt.
Zu Antwort c) Grippe-Impfungen sind schon deshalb ausgeschlossen, weil sie (anders als die COVID-19-Impfungen) in § 35a Satz 2 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geregelt sind, und es hier heißt „Nur Apotheker …“ – also nicht „Personen, die berechtigt sind“.
Vollblutentnahme: Ärztekammer stellt sich quer
Zu Antwort d) Dass eine in der Apotheke eingestellte Ärztin eine (Voll-)blutentnahme durchführen darf, hätte man auch tippen können – und das würde aus Sicht von Apothekeninhaber Christian Fehske „auch unbedingt Sinn machen“, denn viele Apotheken würden Blutuntersuchungen anbieten, beispielsweise zur Vitamin-D-Bestimmung. Doch so trivial ist es nicht. Fehske stieß folgendermaßen auf das Problem: Nachdem sein Vitamin-D-Bestimmungsgerät den Ringversuch beim Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) nicht bestanden hatte, stellte seine Apotheke das Angebot bis auf Weiteres ein. Zugleich bat man das ZL um Auskunft, mit welchem Gerät man denn zuverlässigere Testergebnisse erzielen könne. Die Antwort des ZL: Ein Gerät, mit dem man aus Kapillarblut (!) zuverlässige Vitamin-D-Bestimmungen durchführen könne, sei ihnen nicht bekannt. Auch ein Gerätehersteller bekräftigte gegenüber Fehskes Apotheke, dass nur aus Vollblut zuverlässige Vitamin-D-Bestimmungen möglich seien. Eine in der Apotheke angestellte Ärztin hätte dies auch gern übernommen, doch abermals schoss die Ärztekammer Westfalen-Lippe quer, mit der bereits oben zitierten Argumentation.
Ein neuer Fall für das Bundesverfassungsgericht?
Dass Ärztinnen oder Ärzte eine Apotheke als Arbeitsplatz haben, ist aktuell eine Ausnahme, aber prinzipiell denkbar und im Sinne einer interprofessionellen Zusammenarbeit unter einem Dach (wie in der Klinik) durchaus zukunftsweisend. Wünschenswert wäre, dass für die Impfangebote in Apotheken einheitliche Regelungswerke existieren würden. Immerhin steht in Aussicht, dass nach COVID-19-, Grippe- bald weitere Impfungen folgen.
Zugleich müssen aber auch die Heilberufekammern ihre Haltung ändern. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe beispielsweise stellt sich in dem oben beschriebenen Fall quer und untersagt es den eigenen Mitgliedern praktisch, ihren Arbeitsplatz frei zu wählen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht skizzierte dem Hagener Apotheker Christian Fehske folgende Konsequenz: „Man könnte der Ärztekammer einen Arbeitsvertrag mit Bitte um Genehmigung vorlegen, die dann nicht erteilt werden würde.“ Hiergegen könnte dann rechtlich vorgegangen werden, ggf. auch im Hinblick auf die Verletzung von Art. 12 Grundgesetz. Mehr als 60 Jahre nach dem bedeutenden „Apotheken-Urteil“ müsste sich dann das Bundesverfassungsgericht mit einer sehr ähnlichen Konstellation auseinandersetzen. Ein derartiges Verfahren könnte aber mindestens drei bis fünf Jahre dauern. So lange will und kann Christian Fehske nicht warten und führt daher weiterhin Testungen und Impfungen durch – selbstverständlich lege artis! |
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