Die Seite 3

Alarmsignal

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Der Bundestag hat die Erhöhung des Apothekenabschlags beschlossen, und vermutlich wird sie nicht mehr aufzu­halten sein. Doch das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang einer neuen Runde gesetzlicher Eingriffe bei den Apotheken. Ansätze dafür stehen schon im Koalitionsvertrag, und für das Frühjahr ist eine Strukturreform angekündigt. Angesichts der Inflation droht dabei ein harter Verteilungskampf. Der jüngste Apothekenstreik war daher ein wichtiger Test für künftige Maßnahmen. Außer Entschlossenheit werden die Apotheken in der Debatte gute Daten brauchen. Doch naturgemäß blicken die wirtschaftlichen Statistiken der ABDA jeweils zurück. Die Daten für 2020 und 2021 sind durch die besonderen Leistungen in der Pandemie verzerrt. Außerdem stellt die ABDA überwiegend Durchschnittswerte dar. Doch ein durchschnittliches Betriebsergebnis von 2021 sagt nichts darüber aus, wie viele Apotheken 2022 oder 2023 nicht einmal die kalkulatorischen Kosten erwirtschaften oder sogar Verlust machen. Das ist wesentlich für den Bestand einer Apotheke und für die Suche nach einem Nachfolger, aber dies alles bilden die üblichen Wirtschaftsdaten für Apotheken nicht ab. Darum lässt sich daraus nicht abschätzen, wie viele Apotheken schließen. Die Daten zeigen erst recht nicht, wie viel mehr Apotheken schließen, wenn der Apothekenabschlag und die Kosten steigen. Das ist für die politische Argumentation sehr bedauerlich. Allerdings wären Schließungen auch mit besseren Daten schwer vorherzusehen, weil sie aus einer komplexen Verknüpfung der wirtschaftlichen Aussichten, der Pläne der Inhaber für den Ruhestand und der Situation vor Ort entstehen. Das alles ist sehr individuell.

Umso hilfreicher ist daher eine breit angelegte Umfrage, bei der die persönliche Einschätzung abgefragt wird. Denn die Apothekeninhaber sollten ihre eigene Situation selbst am besten kennen. Eine solche Umfrage hat der Apothekerverband Schleswig-Holstein vor dem jüngsten Streik durchgeführt (s. S. 9). Das Ergebnis ist ein Alarmsignal. In 26 Prozent der Rückmeldungen heißt es, dass bei den derzeitigen Kostensteigerungen und mit einem erhöhten Apothekenabschlag Bedenken hinsichtlich der Zukunft der Apotheke bestehen. Bei einer zusätzlichen Kappung des dreiprozentigen Aufschlags bei Rx-Arzneimitteln steigt die Quote sogar auf 56 Prozent. Nicht die Rückblicke auf 2021 oder auf frühere Belastungen, sondern diese Daten machen deutlich, welche Größenordnung das drohende Problem jetzt hat. Apothekenschließungen in einer solchen Dimension würden zu einem ganz anderen System der Arzneimittelversorgung führen. Wenn die Politik das bestehende System schätzt und erhalten möchte, muss sie daher sehr bald deutlich mehr Geld für die Apotheken und ihre Teams bereitstellen und vor allem dem Nachwuchs eine langfristige Perspektive bieten. Dazu ist endlich ein Mechanismus auch für künftige Honoraranpassungen nötig. Darum darf die an­gekündigte Strukturreform keine neue Sparrunde werden, sondern sie muss dringend genutzt werden, um das Apothekensystem mit zusätzlichen Mitteln zukunftsfähig aufzustellen.

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