Infektiologie

Vom Laboraffen in die weite Welt

Was wir über die Affenpocken wissen

Aktuelle Schlagzeilen zu einer deutlichen Ausbreitung der Affenpockenviren wecken Erinnerungen an die Anfänge der Corona-Pandemie. Doch bei den Affenpocken sind die Verhältnisse völlig anders. Die Infektion ist bislang weitgehend auf Risikogruppen beschränkt, und die Erkrankung verläuft im Allgemeinen mild und heilt auch ohne Therapie spontan aus. Es gibt aber durchaus auch schwere Verläufe. Für solche Fälle gibt es eine Therapieoption, und ebenso ist eine Impfung gegen das Affenpockenvirus möglich. Allerdings sind die Medikamente wie auch die Impfstoffe noch nicht in ausreichender Menge verfügbar, um die Affenpocken-Infektion völlig einzudämmen. | Von Christine Vetter 

Die Infektion mit Affenpockenviren galt lange als seltene und auf Afrika beschränkte Erkrankung. Das hat sich geändert. Mindestens 120 bestätigte oder Verdachtsfälle wurden bis Mai dieses Jahres in elf Nationen außerhalb von Afrika registriert [1]. Seitdem breitet sich die Erkrankung stetig weiter aus, das Robert Koch-Institut (RKI) meldete Anfang September in Deutschland bereits 3530 Affen­pockenfälle. Auch hierzulande war der erste Fall im Mai dieses Jahres beobachtet worden [2].

Kinder und Jugendliche sind von der Infektion bislang kaum betroffen. Der offiziellen RKI-Statistik zufolge wurde die Erkrankung bei drei männlichen Jugendlichen diagnostiziert und bei zwei Kindern unter 14 Jahren. Doch auch bei Kindern scheint sich die Erkrankung auszubreiten, ein gewisses Aufsehen erregten im September Schlag­zeilen, wonach aktuell ein weiterer Infektionsfall bei einem Säugling im Landkreis Verden in Niedersachsen und auch bei einem Schulkind in Köln diagnostiziert wurde. Unklar ist, wie die Kinder sich mit dem Erreger infiziert haben.

Ein „neues“ Virus macht Schlagzeilen

Die Bezeichnung Affenpockenvirus erklärt sich dadurch, dass der Erreger erstmals 1958 bei Laboraffen entdeckt wurde. Konkret handelt es sich bei dem Erreger um Orthopox­virus simiae (Monkeypox virus, MPXV) aus der Gattung Orthopoxviren. Das Virus ist verwandt mit den klassischen humanen Pockenviren (Variola, Smallpox) und den als Zoonose bekannten Kuhpockenviren [3]. Verbreitet sind die Viren vor allem bei Nagetieren und seltener bei Affen in West- und Zentralafrika. Das Virus scheint dort von den Tieren auf Menschen übertragen zu werden. Möglich ist davon abgesehen auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch, und dieser Übertragungsweg steht aktuell in unseren Breitengraden im Vordergrund [1]. Der erste Fall einer Affenpocken­infektion beim Menschen wurde 1970 in der Demokratischen Republik Kongo bei einem neun Monate alten Jungen beschrieben. Seither werden vermehrt Fälle bei Menschen in afrikanischen Ländern, insbesondere in Nigeria, Kamerun und dem Kongo gemeldet. Inzwischen hat sich das Virus auch in nicht afrikanischen Ländern verbreitet, wobei keineswegs primär Rückkehrer aus afrikanischen Regionen betroffen sind. Das Virus verbreitet sich vielmehr auch in unseren Breitengraden [3].

Obacht, aber keine Panik

Der aktuelle Ausbruch des Affenpockenvirus ist aus Sicht der Experten durchaus besorgniserregend, aber kein Grund zur Panik [3]. Allerdings wurde der Ausbruch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund der zunehmenden Verbreitung des Virus bereits im Juli 2022 als „Gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite“ eingestuft, und es wurden Empfehlungen zur Eindämmung des Ausbruchs ausgesprochen. Dazu gehören laut WHO unter anderem die Isolation und Behandlung von Erkrankten, die Nachverfolgung von Kontaktpersonen, die Impfung von Personen mit einem erhöhten Expositions- und Infektionsrisiko sowie eine zielgerichtete Risikokommunikation. Das Geschehen erinnert in gewisser Weise an die SARS-CoV-2-Pandemie, wenngleich es sich beim Affenpockenvirus um ein vergleichsweise großes DNA-Virus und nicht wie bei SARS-CoV-2 um ein RNA-Virus handelt [2, 3]. Die Situation ist zudem weit weniger dramatisch, was insbesondere am unterschiedlichen Übertragungsweg liegen dürfte. So kommt es bei SARS-CoV-2 zur Tröpfcheninfektion, das Affenpocken­virus aber wird vor allem durch den engen Kontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten von Mensch zu Mensch übertragen. Besonders ansteckend sind offenbar der Bläscheninhalt sowie der Schorf der Hautveränderungen von infizierten Personen [3]. Eine Übertragung des Virus kann zudem über Kleidung, Bettwäsche, Handtücher oder Gegenstände wie Essgeschirr und Smartphones erfolgen, die in Kontakt mit einer infizierten Person waren [4]. Ob Affen­pockenviren auch durch Samenflüssigkeit oder Vaginal­sekret übertragen werden können, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt, scheint aber möglich [3]. Zur Ansteckung kommt es, wenn das Virus an die Schleimhäute von Auge, Mund, Nase, Genitalien oder Anus kommen. Das Virus kann über kleine Hautverletzungen in den Körper gelangen. Inwieweit auch die Atemwege eine Eintrittspforte sein können, wird derzeit diskutiert. Bei Schwangeren kann das Affenpockenvirus über die Plazenta auf das ungeborene Kind übergehen. Infizierte Eltern können Neugeborene und Kleinkinder außerdem durch den Hautkontakt anstecken.

Übertragung vor allem bei sexuellen Aktivitäten

Der im Vergleich zu SARS-CoV-2 andere Übertragungsweg dürfte unter anderem erklären, warum von der Affen­pockeninfektion ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen betroffen sind. Denn die Übertragung erfolgt beim derzeitigen Ausbruch in erster Linie im Rahmen sexueller Aktivitäten, aktuell insbesondere bei Männern, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern haben [2]. Dagegen sind bislang in Deutschland nur 14 Fälle bei Frauen bekannt geworden [2]. Die Inkubationszeit liegt bei etwa fünf bis 21 Tagen, kürzere Zeiten von zwei bis vier Tagen scheinen der aktuellen Datenlage zufolge möglich zu sein [4, 5]. Mit dem Affenpockenvirus infizierte Personen sind ansteckend, bis die Haut- und Schleimhautveränderungen vollständig abgeheilt sind. Dies ist in der Regel nach zwei bis vier Wochen der Fall [4, 5].

Meist milder Verlauf

Die Infektion verläuft in aller Regel milder als bei den 1980 ausgerotteten Menschenpocken [3]. Sie zeigt sich mit grippeähnlichen Symptomen, es kommt zu Fieber-, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen und oftmals auch zu geschwollenen Lymphknoten. Außerdem entwickeln sich teilweise sehr schmerzhafte Hautveränderungen in Form von Bläschen und Pusteln, die mit der Zeit verkrusten und abfallen. Der Ausschlag tritt vor allem im Gesicht sowie an den Handflächen und Fußsohlen auf. Es sind jedoch auch Haut- und Schleimhautveränderungen an Mund, Genitalien und Augen möglich [3]. Auch ohne spezifische Therapie erholen sich die meisten Patienten innerhalb weniger Wochen. Allerdings sind auch schwere und sogar tödliche Verläufe möglich. Ein erhöhtes Risiko hierfür besteht vor allem bei Neugeborenen, Kindern, Schwangeren, alten Menschen und Menschen mit Immunschwäche. Bedingt ist dies vor allem durch Komplikationen wie eine Pneumonie, Hirnhautentzündungen und Augeninfektionen, die sogar einen Sehverlust nach sich ziehen können [4]. Die Hautveränderungen heilen ebenfalls in aller Regel von alleine ab, zum Teil allerdings unter Narbenbildung. Es kann auch bei den Pockenbläschen zu Komplikationen wie einer bakteriellen Superinfektion kommen. Deshalb sollten Manipulationen wie das Aufkratzen und Aufstechen der Läsionen unterbleiben, da dies das Risiko von Superinfektionen erhöht und zudem die Übertragbarkeit der Erreger erleichtert [3].

Der Weg zur Diagnose

Im Verdachtsfall erfolgt der Virusnachweis durch trockene Abstriche aus offenen Hautläsionen, Bläschenflüssigkeit, Pustelinhalt, Krusten und weiterem Probenmaterial während der akuten Krankheitsphase mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Fehlen Hautläsionen, kann in begründeten Fällen auch ein Rachenabstrich entnommen und untersucht werden [3]. Das Unternehmen Roche hat ferner Testkits zur Identifizierung von Affenpockenviren entwickelt. Die neuen Virus-Testkits ermöglichen es nach Angaben des Unternehmens, die Ausbreitung des Virus zu beobachten und die potenzielle Wirkung von Therapien, Impfstoffen und Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens zu überwachen. Bislang sind die Testkits jedoch lediglich zu Forschungszwecken erhältlich [6]. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen von der Affenpockenvirus-Infektion sind im frühen Erkrankungs­stadium eine Influenza, Malaria, ein Typhus abdominalis, die Syphilis, eine Leptospirose und viral-hämorrhagisches Fieber. Bei bereits vorliegenden Hautläsionen sind Wind­pocken, ein Herpes zoster, Scharlach, Herpes simplex und andere Pocken­virus-Infektionen auszuschließen [3].

Foto: peterschreiber.media/AdobeStock

Computeranimation eines Affenpockenvirus. Die doppel­strängige DNA ist umgeben von einem Proteinmantel und einer Lipidhülle.

Limitierte Therapiemöglichkeiten

Eine spezifische Therapie der Affenpockeninfektion ist meist nicht erforderlich, da die Erkrankung in aller Regel selbstlimitierend ist. Eine Indikation zur Behandlung besteht nach RKI-Angaben jedoch bei einer bestätigten Affenpockeninfektion bei Patienten mit relevanter Immundefizienz, beispielsweise nach einer Organ- oder Stammzelltransplantation sowie beim Vorliegen einer nicht ausreichend therapierten HIV-Infektion mit CD4-Zellzahl < 200 [5]. Eine Therapieindikation kann ferner bei immunkompetenten Patienten in Abhängigkeit von der Art und Lokalisation der Läsionen, möglichen Funktionseinschränkungen, dem klinischen Bild und der sozialen Situation des Patienten vorliegen [5]. Laut RKI wurde kürzlich ein zur spezifischen Behandlung von Orthopockenvirus-Infektionen entwickeltes Arzneimittel in der EU auch zur Behandlung der Affenpocken zugelassen. Es handelt sich um den Wirkstoff Tecovirimat, der in Deutschland aber nur in begrenzter Menge verfügbar ist [7]. Aufgrund einer möglicherweise raschen Resistenzentwicklung sollte die Indikation zudem streng gestellt werden und das Präparat primär Personen mit der Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs vorbehalten sein [5]. Sollte es aktuell zu einer Affenpockenerkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf kommen, wird von den Experten dringend geraten, mit dem regional zuständigen STAKOB-Behandlungszentrum (Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger am Robert Koch-Institut, www.rki.de/stakob) Kontakt zur Beratung bezüglich einer möglichen Gabe von Tecovirimat aufzunehmen [7]. Bei Kontraindikationen für Tecovirimat und fulminantem Infektionsverlauf kann laut STAKOB die Behandlung mit Vaccinia Immunglobulin (VIGIV, Emergent Biosolution) erwogen werden, das zur Therapie von Komplikationen der klassischen Pocken zugelassen ist. Daten zur Behandlung oder Prophylaxe von Affenpocken liegen aber nicht vor, teilt der Arbeitskreis mit. Als weitere Substanz kommt nach Angaben des STAKOB Brincidofovir, ein Lipidkonjugat von Cidofovir, infrage. Der Wirkstoff ist in den USA zur Behandlung der Pocken zugelassen, allerdings liegen ebenfalls keine Daten zu Affenpocken vor. Aufgrund der höheren Toxizität sollte die Indikation streng gestellt werden, zum Beispiel zur Behandlung von Patienten mit fulminantem Verlauf und bei fehlender Ver­fügbarkeit von Tecovirimat [7]. Generell wird außerdem die topische Anwendung von Zink-Schüttelmixturen zur symptomatischen Linderung der Hautläsionen empfohlen.

Impfung – wer, wie, womit, wann, wo?

Vor dem Hintergrund der steigenden Fallzahlen hat die Ständige Impfkommission (STIKO) im Juni dieses Jahres die Impfung gegen Affenpocken als Postexpositionsprophylaxe sowie als Indikationsimpfung empfohlen [8]. Konkret rät die STIKO zur Impfung als Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach Affenpockenexposition bei asymptomatischen Personen im Alter von mindestens 18 Jahren. Hierzu zählen [8]:

  • Personen mit engem körperlichem Kontakt über nicht intakte Haut oder über Schleimhäute (zum Beispiel sexuelle Kontakte, zwischenmenschliche Kontakte von Familienangehörigen) oder längerem ungeschütztem Face-to-face-Kontakt unter einem Meter Abstand mit einer an Affenpocken erkrankten Person
  • Personen nach engem Kontakt ohne ausreichende persönliche Schutzausrüstung (Handschuhe, FFP2-Maske/medizinischer Mund-Nasenschutz und Schutzkittel) zu einer Person mit einer bestätigten Affenpocken-Erkrankung, ihren Körperflüssigkeiten oder zu kontaminiertem potenziell infektiösem Material (z. B. Kleidung oder Bettwäsche von Erkrankten) in der medizinischen Versorgung
  • Personal in Laboratorien mit akzidentiell ungeschütztem Kontakt zu Laborproben, die nicht inaktiviertes Affen­pockenmaterial enthalten, insbesondere, wenn Virus­anreicherungen in Zellkulturen vorgenommen werden [8].

Die Impfung zur Postexpositionsprophylaxe sollte möglichst frühzeitig in einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen nach Exposition verabreicht werden, aber nur solange die Person noch keine Symptome aufweist. Sind bereits Symptome manifest, sollte keine Impfung mehr erfolgen, da diese keinen therapeutischen Effekt hat. Treten Symptome unmittelbar oder innerhalb weniger Tage nach Verabreichen der Impfung auf, so hat die Impfung laut STIKO keinen Nutzen, aber auch keinen Schaden [8]. Empfohlen wird die Impfung außerdem als Indikationsimpfung von Personen mit einem erhöhten Expositions- und Infektionsrisiko – zum Beispiel während eines Affenpockenvirusausbruchs. Hierzu zählen [8]:

  • Männer ≥ 18 Jahre, die Sex mit Männern haben und dabei häufig die Partner wechseln
  • Personal in Speziallaboratorien, das gezielte Tätigkeiten mit infektiösen Laborproben, die Orthopockenmaterial enthalten, ausübt und nach individueller Risikobewertung durch den Sicherheitsbeauftragten als infektionsgefährdet eingestuft wird.

Die Grundimmunisierung erfolgt laut STIKO-Empfehlung durch eine subkutane Impfung bei Personen ≥ 18 Jahren, die in der Vergangenheit keine Pockenimpfung erhalten haben, mit zwei Impfstoffdosen je 0,5 ml Imvanex MVA-BN (Modified Vaccinia Ankara, Bavarian-Nordic), in den USA als Jynneos und in Kanada als Imvamune zugelassen. Es handelt sich um ein attenuiertes Vacciniavirus-Vakzin (modifiziertes Vacciniavirus Ankara, lebend, MVA). Derzeit wird in Deutschland Jynneos eingesetzt. Geimpft wird im Abstand von mindestens 28 Tagen. Auch wenn der Impfabstand von 28 Tagen überschritten wurde, muss die Impfserie nicht neu begonnen werden. Die erste Impfstoffdosis vermittelt üblicherweise schon einen guten Basisschutz gegenüber Affenpocken. Die zweite Impfung dient insbesondere dazu, die Dauer des Impfschutzes zu verlängern. Bei Personen, die in der Vergangenheit gegen Pocken geimpft worden sind, reicht daher eine einmalige Impfstoffgabe aus. Es sollten dabei auch Personen mit Immundefizienz geimpft werden. Haben diese zuvor bereits eine Pockenimpfung erhalten, sollten sie zwei Auffrischungsimpfungen bekommen, wobei jedoch die zweite Impfstoffgabe nicht früher als 28 Tage nach der ersten Impfstoffdosis erfolgen darf [8].

Intradermale Applikation?

Einige Länder haben aufgrund der Impfstoffknappheit entschieden, den Affenpockenimpfstoff intradermal mit einer verminderten Dosis zu verabreichen. Die STIKO rät von der intradermalen Applikation ab und favorisiert die subkutane Impfung mit der vorgeschriebenen Dosis. Begründet wird dies damit, dass bisher nur Studien vorliegen, die die humorale Immunantwort der beiden Applikationswege vergleichen. Rückschlüsse auf die klinische Wirksamkeit ergeben sich daraus nicht. Die intradermale Impfung ist bei unsachgemäßer Durch­führung weniger wirksam. Die subkutane Impfung ist einfacher durchzuführen und daher weniger fehleranfällig. Außerdem ist der MVA-BN-Impfstoff nicht für die intradermale Gabe zugelassen und diese kann nur off-label erfolgen. Die STIKO geht davon aus, dass genügend Impfstoff in den nächsten Wochen zur Verfügung gestellt werden kann, sodass Risikopersonen zwei subkutane Impfungen erhalten können. Eine Dosisreduktion sei daher nicht nötig. Die Affenpockeninfektionen sind in Deutschland stark rückläufig. Bei subkutaner Verabreichung des MVA-Impfstoffs zeigte sich bereits nach der ersten Impfdosis eine gute Effektivität [12].

Auch Kinder impfen?

Schwieriger ist die Situation bei Kindern, denn der MVA-BN-Impfstoff ist in Europa erst ab dem 18. Lebensjahr zugelassen, und es gibt bislang keine Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit des Vakzins bei jüngeren Personen. Dennoch spricht sich die STIKO dafür aus, in begründeten Ausnahmefällen den Impfstoff als PEP nach Affenpockenexposition auch außerhalb der Zulassung, also off label, bei Kindern einzusetzen. Begründet wird dies damit, dass es mehrere pädiatrische Studien zu Tuberkulose- und Malaria-Impf­stoffen gibt, bei denen MVA als Vektor eingesetzt wurde und die auch von Kindern gut vertragen wurden. Es sei nach Einschätzung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) außerdem zu erwarten, dass das Nebenwirkungsprofil von MVA-BN mit dem Nebenwirkungsprofil der Tuberkulose- und Malaria-Impfstoffkandidaten vergleichbar ist. Laut EMA soll bei der Anwendung von MVA-BN im Kindesalter das gleiche Impfschema und die identische Dosierung wie bei Erwachsenen verwendet werden, heißt es bei der STIKO [8].

Dem Impfstoffmangel begegnen

Insgesamt stehen derzeit etwa 40.000 Dosen des Impfstoffs in Deutschland zur Verfügung. Rund 200.000 weitere Impfstoffdosen sind für das dritte Quartal 2022 angekündigt. Die derzeit verfügbaren Dosen reichen somit nicht aus, um allen Personen mit einer Indikation die Impfung anzubieten. Um die Ausbreitung des Affenpockenvirus zu verhindern und den Ausbruch einzudämmen, ist es zu Beginn der Impf­kampagne wichtig, die zur Verfügung stehenden Impfstoffmengen mit dem bestmöglichen Nutzen zu verteilen, erklärt die STIKO [9]. Es sollte deshalb zunächst eine erste Impfung erfolgen, deren Schutzwirkung entsprechenden Studien zufolge etwa zwei Jahre anhält und dann nachlässt. Die zweite Impfstoffdosis kann somit nachgeholt werden, sobald aus­reichend Impfstoff verfügbar ist. Vor dem Hintergrund des Impfstoffmangels hat die amerikanische Gesundheits­behörde FDA es nun außerdem ermöglicht, den Impfstoff in einer geringeren Dosis nicht wie üblich in den Muskel, sondern in die Haut zu injizieren [10]. Denn es wurde gezeigt, dass bei der intradermalen Injektion des MVA-Impfstoffs mit einem Fünftel der Standarddosis bei der subkutanen Injektion die gleiche Schutzwirkung erzielt werden kann [11]. Inwieweit eine intradermale Impfung mit weniger Impfstoff tatsächlich praktikabel ist, wird von deutschen Experten allerdings kritisch gesehen (s. Kasten „Intradermale Applikation?“) [10]. |

Literatur

 [1] Kozlov M. Monkexpox goes global: why scientist are on alert. Nature 2022;606(912):15-16), www.nature.com/articles/d41586-022-01421-8

 [2] Internationaler Affenpocken-Ausbruch: Fallzahlen und Einschätzung der Situation in Deutschland. 23. September 2022, Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Ausbruch-2022-Situation-Deutschland.html;jsessionid=BF08BF6944C2CC2232D89C800F2F9A8E.internet101?nn=2386228

 [3] Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Affenpocken. 12. September 2022, Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html

 [4] Affenpocken: Informationen zur Erkrankung und Impfung. 21. September 2022, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), www.infektionsschutz.de/infektionskrankheiten/krankheitsbilder/affenpocken/#c17373

 [5] Affenpocken. 6. Juli 2022, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), www.infektionsschutz.de/uk/erregersteckbrief/affenpocken

 [6] Roche entwickelt einzigartigen PCR-Test zur Erkennung des Affenpockenvirus. Pressemitteilung der F. Hoffmann-La Roche Ltd, 25. Mai 2022, www.roche.com/de/media/releases/med-cor-2022-05-25

 [7] Hinweise zur Therapie von Affenpocken. Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hoch­pathogene Erreger am Robert Koch-Institut (STAKOB), 29. Juli 2022, www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Stakob/Stellungnahmen/Stellungnahme-Affenpocken.pdf?__blob=publicationFile

 [8] RKI. Schutzimpfung gegen Affenpocken: Häufig gestellte Fragen und Antworten. 16. August 2022, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Affenpocken/FAQ-Liste_Affenpocken_Impfung.html?nn=2375548

 [9] Pressemitteilung der STIKO zur Schutzimpfung gegen Affenpocken bei Impfstoffmangel. 21. Juli 2022, Robert Koch-Institut (RKI), www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2022-07-21.html?nn=2386228

[10] Verfügbarkeit des Affenpocken-Impfstoffs bei steigenden Fallzahlen. 15. August 2022, Science Media Center Germany gGmbH, www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/rapid-reaction/details/news/verfuegbarkeit-des-affenpocken-impfstoffs-bei-steigenden-fallzahlen/

[11] Frey SE et al. Comparison of lyophilized versus liquid modified vaccinia Ankara (MVA) formulations and subcutaneous versus intradermal routes of administration in healthy vaccinia-naïve subjects. Vaccine 2015,39:5225-5234

[12] Stellungnahme der STIKO zur möglichen intradermalen Anwendung des MVA-Impfstoffes (Jynneos/Imvanex) zum Schutz vor Affenpocken. 10. Oktober 2022, Robert Koch-Institut (RKI), www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/Affenpocken/STIKO-Stellungnahme-MVA-intradermal.html

Autorin

Christine Vetter hat Biologie und Chemie studiert und arbeitet seit 1982 als Medizinjournalistin.

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