DAZ aktuell

Streik in vier Bundesländern

Landesgesundheitsminister für Probleme der Apotheker sensibilisiert

gbg | In Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und im Saarland machten die Apotheken am vergangenen Mittwoch ernst: Vielerorts blieben die Offizinen aus Protest gegen die Erhöhung des Kassen­abschlags von 1,77 Euro auf 2 Euro geschlossen. Die Nöte der Apothekerschaft sind zumindest in den meisten Landesgesundheitsministerien angekommen, wie die Antworten auf eine DAZ-Anfrage zeigen.
Foto: ABDA

Ein Zeichen setzen Viele Apotheken in Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und im Saarland hatten am 19. Oktober bereits mittags geschlossen. Sie wollten ein Zeichen gegen die Erhöhung des Kassenabschlags setzen.

„Mit der Erhöhung des Kassenabschlags ist das Fass nun endgültig übergelaufen“, sagt Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, mit Blick auf das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das der Deutsche Bundestag am Donnerstag verabschieden wird. Er ließ im Vorfeld der Protestaktion am vergangenen Mittwochnach­mittag nichts unversucht, um die Kollegen mit ins Boot zu holen und sie zu animieren, ihre Betriebe am Nachmittag zu schließen.

Denn auch wenn die Erhöhung des Kassenabschlags wohl kaum noch abzuwenden sein dürfte, wie Christiansen einräumt, sorgt er sich doch, was den Apotheken im kommenden Jahr blüht, wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wie angekündigt eine neue Strukturreform im Gesundheitswesen aufsetzen wird. Und auch Susanne Koch, Vorsitzende des Saarländischen Apothekervereins, glaubt, dass den Apotheken noch mehr bevorsteht als das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Sie hält daher ein deutliches Signal für notwendig, dass „wir uns nicht weiter an der Nase rumführen lassen wollen“.

Von der Decken: Wir haben verstanden

Zumindest im hohen Norden ist es dem Berufsstand offenbar gelungen, auf die Nöte der Apothekerschaft aufmerksam zu machen. „Die Landes­regierung verfolgt den Rückgang der Apothekendichte im Lande mit großer Sorge“, sagt die in Schleswig-Holstein für Justiz und Gesundheit zuständige Ministerin Kerstin von der Decken (CDU) auf Anfrage der DAZ. „Auch haben wir verstanden, dass ein Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Apotheke und dem akuten Personalmangel in den Apotheken besteht. Daher lehnen wir den Apotheken­abschlag in dieser Form ab.“

Foto: imago images/Frank Peter

Kerstin von der Decken, Gesundheitsministerin in Schleswig-Holstein, zeigte im Gespräch mit der DAZ Verständnis für die Apotheken.

Dass Lauterbach damit die GKV finanziell entlasten will, klinge zunächst plausibel, schreibt das Ministerium. Denn die Corona-Pandemie habe viel Geld gekostet. Bei allen Kosten­einsparungen müsse aber nach dem Verursacherprinzip vorgegangen werden. „Pauschale Einsparvorgaben dürfen nicht dazu führen, dass funk­tionsfähige Versorgungsstrukturen zulasten der Patientinnen und Patienten gefährdet werden“, betont von der Decken.

Die Apotheken sieht sie dabei nicht als Kostentreiber – denn sie haben an den Gesamtausgaben der GKV nur einen geringen Anteil von etwa 1,9 Prozent. Zudem ist ihr Honorar in den vergangenen zehn Jahren nicht erhöht worden. „Der jetzt verordnete Sparbeitrag von ungefähr 240 Millionen Euro über die nächsten zwei Jahre ist geeignet, die Apotheken in ihrer Handlungs­fähigkeit einzuschränken und die Versorgung von Patientinnen und Patienten zu schwächen“, folgert das Ministerium. Und von der Decken ergänzt: „Die Landesregierung hat es sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gemacht, eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen und die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Wenn wir wirklich die Lehren aus der Pandemie ziehen wollen, dürfen wir nicht die bestrafen, die gerade in der pandemischen Notlage eine wesentliche Stütze der Versorgung waren.“

Nonnemacher: Sparaktionen sind kritisch

In Brandenburg hat Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) ebenfalls Verständnis für die Belange der Apotheker. „Auch im Land Brandenburg geht die Anzahl der Apotheken seit einigen Jahren zurück“, lässt sie der Redaktion mitteilen. „Noch ist die flächendeckende Versorgung gewährleistet, wir brauchen aber heute mehr denn je jede Apotheke im ländlichen Raum. Sparaktionen, die die Arzneimittelversorgung in unserem Flächenland gefährden, sehe ich kritisch. Deshalb haben wir uns im Bundesrat auch dafür eingesetzt, die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Erhöhung des Apotheken­abschlags zu stoppen. Wir brauchen die Apotheken vor Ort.“

Foto: imago images/Martin Müller

Ursula Nonnemacher, Gesundheitsministerin in Brandenburg, will vor allem im ländlichen Raum auf keine weitere Apotheke verzichten.

Zur Erinnerung: Auf Initiative Nonnemachers hatte der Bundesrat Mitte September in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die Bundesregierung aufgefordert, von der Erhöhung des Kassenabschlags abzurücken – doch diese blieb hart. In ihrer Gegenäußerung verwies sie auf „pandemiebedingte Mehr­umsätze“ der Apotheken im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. „Vor dem Hintergrund dieser Mehreinnahmen und dem Umstand, dass die Erhöhung auf zwei Jahre befristet ist, wird die Maßnahme als verhältnismäßig angesehen.“

Als einzige Metropolregion hat sich auch Hamburg an der Protestaktion beteiligt. Das SPD-geführte Ministe­rium für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration unter Senatorin Melanie Leonhard wollte sich auf Anfrage der DAZ jedoch nicht zum Apotheken-Streik äußern. Eine Stellungnahme von Magnus Jung (SPD), im Saarland als Minister für Gesundheit zuständig, lag bis Redaktionsschluss nicht vor.

Kammerchef Christiansen gibt nicht auf

Auch wenn die Erhöhung des Kassenabschlags nun wohl kommt, will Schleswig-Holsteins Kammerchef Christiansen weiterkämpfen. Seine Forderung angesichts der sich anbahnenden Strukturreform ist klar: „Da kann es nur mehr Geld geben für die Apotheken, aber keinesfalls weniger.“ Nach seiner Rechnung müssten die Offizinen, wenn ihr Wertschöpfungsanteil an den GKV-Ausgaben wie noch im Jahr 2005 bei 2,8 Prozent läge – aktuell sind es nur 1,9 Prozent –, etwa 2,5 Milliarden Euro mehr im Jahr bekommen als es derzeit der Fall ist. „Dieses Geld will ich haben“, sagt Christiansen selbstbewusst.

Einen Verwendungszweck für die geforderten Milliarden hat der Präsident bereits ausgemacht. Profitieren sollen davon vor allem die Mitarbeitenden in den Apotheken. „Mit den zusätzlichen Finanzmitteln könnten wir unseren Angestellten endlich ähnliche Gehälter bieten, wie sie in der Industrie und bei den Krankenkassen üblich sind.“ Um dieses Ziel zu erreichen, schließt er auch weitere Streiks nicht aus. „Inzwischen sind viele Kolleginnen und Kollegen bereit, ernst zu machen und entsprechende Schließungen zu wiederholen, sollte dieser Warnschuss keine Wirkung zeigen“, betont er gegenüber der DAZ. |

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