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Muss das weg ...

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

... oder kann man das noch verwenden? Diese Frage stellen sich sicher viele bei der Prüfung der eigenen Hausapotheke und ­werden abgelaufene Packungen einfach großzügig entsorgen – auch wenn manch ein Arzneimittel nach Ablauf immer noch ­wirksam und sicher sein kann (s. a. Zilker M, Holzgrabe U, Sörgel F: Überraschend ­stabil, DAZ 2019, Nr. 18, S. 42). Denn das Haltbarkeitsdatum auf den Packungen ­garantiert nur, dass in diesem Zeitraum die Stabilität der Arzneistoffe unter den ange­gebenen Bedingungen geprüft und damit ­gewährleistet ist.

In Zeiten von Corona und beschleunigten Zulassungen liegt es auf der Hand, dass ­Stabilitätsuntersuchungen zu Impfstoffen und neuen COVID-19-Therapeutika zum Zeitpunkt der bedingten Zulassungen nur Zeiträume von wenigen Monaten umfassen konnten und die Daten kontinuierlich weiter erfasst werden mussten und müssen. Laufzeitverlängerungen sind vor diesem Hintergrund keine Überraschung. So hat ­Pfizer für Paxlovid, für das zunächst nur eine Laufzeit von neun und dann von zwölf Monaten ausgewiesen worden war, den Zulassungsbehörden neue Stabilitätsdaten vorgelegt. Sie erlauben jetzt eine Laufzeit­verlängerung um sechs weitere Monate von zwölf auf 18 Monate. Dumm nur, dass die meisten Packungen, die auf Abruf warten, laut Aufdruck in den nächsten Monaten ­ablaufen werden oder schon abgelaufen sind (s. S. 20).

Wegwerfen ist schon aus Kostengründen keine Option. Die behördliche ­Lösung: Der Hersteller informiert Ärzte und Apotheker mit einem Schreiben, dass auf die ausgewiesenen Verfalldaten einfach sechs Monate draufgeschlagen werden sollen. Die Aufklärung der Patienten, die die „abgelaufenen“ Arzneimittel einnehmen sollen, wird mit diesem Schreiben an die Ärzte und Apotheker gleich delegiert. Die wissen hoffentlich davon! Doch die Gefahr ist groß, dass gerade in den Arzt­praxen, in denen ja nun Paxlovid vorrätig gehalten und direkt abgegeben werden darf, dies in Unkenntnis der neuen Lage ­geschieht. Entdecken dann die Patienten zu Hause, dass das Medikament schon ver­fallen ist, werden sie zutiefst verunsichert sein. Im schlechtesten Fall werden sie auf die Einnahme des „abgelaufenen“ Arzneimittels verzichten und es entsorgen. Mit einer ordentlichen Umetikettierung, wie sie in dem Statement der Frankfurt Foundation Quality of Medicines vorgeschlagen wurde (s. DAZ 2022, Nr. 41, S. 18), hätte man dieses Problem umgehen können. Dazu hätte man natürlich Geld in die Hand nehmen müssen.

Jetzt die Verantwortung und die Aufklärung inklusive zeitraubende Diskussionen auf die Arztpraxen und Apotheken abzuwälzen, war für die Entscheidungsträger sicher die einfachste und billigste Lösung. Arzneimitteltherapiesicherheit, Compliance-Über­legungen und letztlich der Therapieerfolg mussten vor diesem ­Hintergrund wohl zurückstehen. Das verwundert kaum. Das Aufheben des ärztlichen Dispensier­verbots für Paxlovid begleitet von der 15-Euro-Abgabeprämie, der Verzicht auf die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Lagerung in Apotheken, der Verzicht auf pharmazeutische Beratung und den pharmazeutischen Blick nicht nur auf Wechselwirkungen – all das untermauert den bösen Verdacht, dass das Wohl der Patienten hier schon lange nicht mehr an erster Stelle steht.

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