Ernährung

Bone to be wild

Worauf muss bei der Prävention der Osteoporose geachtet werden?

Von Juliane Russ | Gerade in einer alternden Gesellschaft ist Osteo­porose eine häufige Erkrankung. Ist das Frakturrisiko erst einmal erhöht, trauen sich viele Senioren nicht mehr, ein aktives Leben zu führen. Wird im jungen Erwachsenenalter eine hohe maximale Knochenmasse erreicht, führt das zu relativ bruchfesten Knochen im Alter und dem möglichst langen Erhalt einer guten Lebensqualität. Ausreichende Zufuhr von Calcium und Calcitriol, aber auch Bewegung tragen zur Vorbeugung der Knochenmineralisationsstörung bei. Welche Lebensmittelbestandteile können den Knochen nützen und welche schaden?

Das menschliche Skelett besteht aus 206 Knochen, die 99% des gesamten Calcium-Gehaltes des Körpers aus­machen [2]. Die Knochen schützen Organe wie Lunge und Herz vor mechanischer Einwirkung und ver­leihen Statur. Als Ansatzpunkt für die Skelettmuskulatur sind sie beteiligt an Motorik und Fortbewegung. Funktionseinschränkungen des Knochen­apparates können also weitreichende Folgen für die Mobilität und die extraskelettale Gesundheit eines Menschen haben. Die Osteoporose ist eine sehr häufige endokrin-meta­bolische Skeletterkrankung, die in Deutschland über acht Millionen Personen betrifft. Der Ausdruck post­menopausale Osteoporose legt fälsch­licherweise nahe, dass die Ursache allein im Estrogen-Mangel zu finden ist. Der Schweregrad der Knochen­dichteminderung reflektiert jedoch die gesamte Ernährungs- und Lebensstilweise eines Menschen. Und auch Männer können betroffen sein.

Foto: Kzenon/AdobeStock

Mikroarchitektur zerstört

Knochen bestehen aus organischen und anorganischen Verbindungen. Der organische Part wird durch zugfeste Kollagenfasern (z. B. Typ-1-Kollagen) und andere Proteine wie Osteocalcin geformt. Druckfeste Hydroxylapatit-Kristalle, hauptsächlich bestehend aus Calcium- und Phosphat-Ionen, sind Bestandteile der anorganischen Knochenmatrix. Die Meta- und Epiphysen der Röhrenknochen sowie das Innere der flachen Knochen und Wirbel sind spongiöse Knochen. Die vernetzten und ge­bogenen Knochenplatten machen sie druck- und biegfest. Bei der Osteo­porose ist diese Mikroarchitektur zerstört. Anstatt stabiler Platten finden sich nur dünne Trabekel ohne Konnektivität zum restlichen Gewebe. Dadurch kommt es schon bei geringer physikalischer Gewalteinwirkung zu Frakturen tragender Knochen wie des Beckens oder des Oberschenkels [1, 2].

Knochenhartes Training

Physikalische Belastung des Skelettapparates führt über Mechanosensoren zur Aktivierung von Osteoblasten, die die Mineralisierung vorantreiben. Daher ist körperliche Ertüch­tigung ein probates Mittel zur Osteoporose-Prophylaxe. Hüpfende und springende Bewegungsabläufe, die eine relativ hohe physikalische Kraft auf den Knochen ausüben, sind dabei besonders sinnvoll. Wer den Gelenken zuliebe oder aus sonstigen Gründen lieber geht, schwimmt oder radelt, beansprucht durch die Zugkraft der Muskulatur ebenfalls die Knochen.

Peak Bone Mass entscheidend

In der Jugend wird das Skelett aufgebaut und geformt (Modeling). Ab dem 25. bis 30. Lebensjahr ist diese osteoblastäre Aufbauphase der Knochensubstanz abgeschlossen. Ist die maximale Knochenmasse (Peak Bone Mass) erreicht, wird verstärkt Knochensubstanz abgebaut. Um Müdigkeitsbrüchen vorzubeugen, wird nun regelmäßig Knochenmaterial erneuert (Remodeling). Der osteoklastäre Abbau der Knochenmatrix überwiegt dabei. Das Erreichen einer hohen maximalen Knochenmasse in der Adoleszenz ist daher entscheidend, um auch im Alter bruchfeste Knochen aufzuweisen.

Das stärkt die Knochen

Da Hydroxylapatit hauptsächlich aus Calcium besteht, ist eine adäquate Zufuhr des Mineralstoffes (1000 mg am Tag) zur Prophylaxe sinnvoll, aber auch während einer Osteoporose-Therapie angebracht. Milchprodukte, Mineralwässer (Calcium-Gehalt > 500 mg pro Liter), Gemüse und Gewürze wie Brokkoli oder Basilikum sind Calcium-reiche Lebensmittel (s. Tab. 1). Unter www.gesundheitsinformation.de findet sich ein Calcium-Rechner, mit dem die Versorgung über die Nahrung abgeschätzt werden kann. Da Phosphat- und Magnesium-Ionen die Calcium-Resorption behindern können, sind entsprechende Lebensmittel getrennt von Calcium-Supplementen zu verzehren. Beispielsweise sollte Magnesium-Nahrungsergänzung zur Vorbeugung von Muskelkrämpfen nicht mit Milch oder zusammen mit Calcium-Präparaten eingenommen werden. Calcitriol hingegen kann die Calcium-Resorption im Dünndarm und den Einbau in die Knochenmatrix verbessern.

Tab. 1: Calcium-Gehalte einiger Lebensmittel [3]
Calcium-Gehalt [mg]
Portionsgröße
Lebens­mittel
pro Portion
bezogen auf 100 g Lebensmittel
eine Scheibe (30 g)
Emmentaler Käse (45% Fett im Trockenanteil)
412
1372
200 g
Grünkohl (gegart)
358
179
drei Esslöffel (30 g)
Parmesan (40% Fett im Trockenanteil)
353
1176
250 g
Fettarme Milch (1,5% Fett)
295
118
eine Scheibe (30 g)
Gouda (45% Fett im Trockenanteil)
287
958
200 g
Spinat (gegart)
280
140
große Schale (70 g)
Rucola
112
160
200 g
Buttermilch
218
109
150 g
Joghurt (1,5% Fett)
171
114
200 g
Brokkoli (gekocht)
174
87
30 g
Haselnüsse
45
149
acht Stück (30 g)
Paranüsse
52
161

Ein niedriger Calcium-Serumspiegel führt zur Sekretion von Parathormon. Die Ausschüttung dieses Nebenschilddrüsenhormons wird durch die aktive Form des D-Vitamins reduziert. Das bestärkt wiederum den Calcium-Einbau in die Matrix. Außerdem wird durch eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D3 die Muskelkraft verbessert, was das Frakturrisiko bei bereits bestehender Osteoporose senkt. Calciferole finden sich in frischem, fettem Seefisch und Pilzen (s. Tab. 2). Durch eine UV-B-Bestrahlung von Pilzen (z. B. der Spezies Agaricus bisporus) kann deren Calciferol-Gehalt gesteigert werden. Das in der Haut vorkommende 7-Dehydrocholesterol wird durch UV-B-Strahlen zu Prävitamin D3 und schließlich zu Colecalciferol umgewandelt. Über das Blut gelangt es in die Leber, wo es zu Calcidiol hydroxyliert wird. Hauptsächlich in den Nieren wird schließlich die aktive Form von Vitamin D gebildet – Calcitriol. Da die Sonnenstrahlen in unseren mittleren Breitengraden zwischen Oktober und April zu wenig energiereich sind, ist die Eigensynthese in den Keratinozyten der Haut nicht möglich [2]. Die Synthesekapazität älterer Haut ist ohnehin eingeschränkt. Da im höheren Alter die Nierenfunktion oft reduziert ist, ist die renale Hydroxylierung bei älteren Osteoporose-Patienten häufig stark limitiert. Die endogene Synthese von Calcitriol ist dann unzureichend, und es sollte eine Nahrungsergänzung in Betracht gezogen werden [1]. Es wird davon ausgegangen, dass in den Wintermonaten die meisten Mitteleuropäer einen niedrigen Calcidiol-Serumspiegel aufweisen. Die tägliche Vitamin-D3-Zufuhr sollte 800 IE pro Tag betragen, wie die S3-Osteoporose-Leitlinie empfiehlt [1]. Werden die empfohlenen Mengen an Vitamin D und Calcium nicht über die Ernährung erreicht, sollte supplementiert werden, wenn keine Kontraindikationen (z. B. Hypercalc­ämie, Nierensteine) vorliegen. Die Mangelversorgung mit Calcium und Calcitriol spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf der Osteoporose. Aber auch andere Mineralstoffe und Vitamine beeinflussen die Knochenmineralisation. Eine gestörte Skelettentwicklung und verminderte Bruchfestigkeit konnten beschrieben werden bei Defiziten an Zink, Kupfer, Bor, Mangan, Silizium, Fluor und Selen. Bei diesen Spurenelementen haben die meisten Menschen in westlichen Nationen keinen Mangel. Da Vitamin C ein essenzieller Co-Faktor der Typ-1-Kollagenbildung ist, sollte auf eine ausreichende Zufuhr geachtet werden. Ein Defizit an Ascorbinsäure kommt in Deutschland nur in einzelnen Ausnahmefällen vor.

Tab. 2: Vitamin-D-Gehalte einiger Lebensmittel [4]
Lebensmittel
Vitamin D [µg pro 100 g]
Hering
7,80 bis 25,00
Lachs
16,00
Hühnereigelb
5,60
Makrele
4,00
Hühnerei, gesamt
2,90
Margarine
2,5 bis 7,5
Pfifferlinge
2,10
Champignons
1,90
Rinderleber
1,70
Goudakäse, 45% Fett im Trockenanteil
1,30
Butter
1,20
Kalbsleber
0,33
Vollmilch, 3,5% Fett
0,09

Eine ausreichende Phyllochinon-Zufuhr (1 µg pro kg Körpergewicht/Tag) kann das Risiko einer Fraktur bei bestehender Osteoporose senken [1]. Einen Effekt auf die Knochenmineralisierung konnte bisher nur in tierexperimentellen Arbeiten gezeigt werden. Daher kann keine Empfehlung zur Vitamin-K-Zufuhr im Sinne einer Osteoporose-Prophylaxe gegeben werden. Warum wird Vitamin K, das an der Blutgerinnung beteiligt ist, überhaupt im Knochenstoffwechsel diskutiert? Wie auch in der Gerinnungskaskade ist das Koagulationsvitamin an der Umwandlung von Glutaminsäure-Resten in Gamma-Carboxyglutaminsäure beteiligt. Das Vitamin-K-abhängige Knochenprotein Osteocalcin carboxyliert Matrixproteine, die affin Calcium-Ionen binden und dadurch den Knochen mineralisieren. Vitamin K1 , das vor allem in Grünpflanzen enthalten ist, sollte daher in ausreichender Menge im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung aufgenommen werden [1, 2].

Vielleicht wurden Sie in der Apotheke auch schon einmal gefragt, ob B-Vit­amine, Folsäure oder grüner Tee die Knochenfestigkeit positiv beeinflussen können. Für keine der genannten Optionen gibt es eindeutige Belege der Wirksamkeit oder ausreichende Evidenz [1].

Schlecht für das Skelett

Eine exzessive Fluor-Zufuhr, z. B. durch den Verzehr großer Mengen fluoridierter Zahnpasta, kann zu übermäßig mineralisiertem, sprödem Knochengewebe (Skelettfluorose) führen. Gelangen chronisch größere Mengen an Aluminium, Kadmium, Blei, Zinn oder Lithium in den Organismus, kann sich das negativ auf die Knochenstabilität auswirken.

Alkohol hemmt Osteoblasten, nach akuter Alkoholexposition sinkt typischerweise der Serumspiegel des Knochenaufbaumarkers Osteocalcin. Daher sollte Alkohol gemieden werden. Coffein sollte nur in Maßen genossen werden, da der diuretische Effekt zu renalem Verlust an Calcium-Ionen führt. Oxalate und Phytate können mit Calcium-Ionen ein schwer lösliches Salz bilden und dadurch die Calcium-Verfügbarkeit mindern. Die Wurzeln und Blätter des Rhabarbers, Mohnsamen, Spinat, Mangold, Rote Beete, Heidelbeeren und Kakao enthalten höhere Mengen an Oxalaten. Chelatbildner sind in Form von Phytaten in Schalen und Kernen vieler Samen und Nüsse enthalten. Diese Lebensmittel sollten aufgrund anderer positiver Eigenschaften auf den menschlichen Organismus nicht gemieden, jedoch auch nicht im Übermaß gegessen werden [2]. Mangelernährung und Untergewicht, vor allem ein chronischer Proteinmangel, führen zu Störungen der organischen Knochenmatrixsynthese. Die Knochenfestigkeit wird dadurch reduziert. Außerdem erhöht Untergewicht das Frakturrisiko, wenn bereits eine Osteoporose besteht. Bei Frauen und Mädchen kann es durch Mangelernährung, z. B. im Rahmen einer Anorexia nervosa, zu Amenorrhö kommen. Der Estrogen-Mangel führt zur Aktivierung von Osteoklasten und damit zu verminderter Knochendichte der jungen Betroffenen. Eine sehr proteinreiche Ernährung (> 1,5 g pro kg Körpergewicht) kann andererseits zu gesteigerten, renalen Calcium-Verlusten führen. Speisesalz fördert ebenfalls die Ausscheidung von Calcium-Ionen über die Nieren und sollte sparsam eingesetzt werden. Hochverarbeitete Lebensmittel gehören daher nicht auf den Speiseplan einer knochengesunden Ernährungsweise. Werden bereits bei Kindern oder jungen Erwachsenen Corticosteroide gegeben, ist eine Calcium- und Calcitriol-Supplementierung obligat. |

Literatur

[1] Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose. Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften, Stand: 2017, AWMF-Register-Nr.: 183/001

[2] Biesalski HK et al. Ernährungsmedizin. Georg Thieme Verlag 2012, S. 738 ff

[3] Ausgewählte Fragen und Antworten zu Calcium. Informationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Stand: Juni 2013, www.dge.de/wissenschaft/faqs/calcium/

[4] Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin D. Stand: Oktober 2012, www.dge.de/wissenschaft/faqs/vitamin-d/

Juliane Russ, MSc Ernährungswissenschaft

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