Arzneimittel und Therapie

Kombinationstherapien bei pulmonaler Hypertonie wichtig

Europäische Leitlinie wurde aktualisiert

Die Europäische Fachgesellschaft für Kardiologie und die Europäische Fachgesellschaft für respiratorische Erkrankungen haben ihre Leitlinie zur pulmonalen Hyper­tonie aktualisiert. Schwerpunkte sind unter anderem eine frühe ­Diagnose und die rechtzeitige ­Einleitung einer Behandlung.

Eine pulmonale Hypertonie (PH) wird mitunter nicht und häufig erst spät diagnostiziert, da Symptome wie Kurzatmigkeit bei Anstrengung, eingeschränkte Bewegungsfähigkeit, chronische Müdigkeit, Flüssigkeits­ansammlung, Brustschmerzen und Schwindel auf vielerlei Erkrankungen hindeuten können. So werden bei älteren Patienten oftmals Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Adipositas oder kardiopulmonale Erkrankungen für die unspezifischen Symptome verantwortlich gemacht. Die pulmonale Hypertonie wird indes übersehen. Alle Formen der pulmonalen Hypertonie können die Lebenserwartung verringern, da bereits ein mäßig erhöhter pulmonal arterieller Druck oder pulmonaler ­Gefäßwiderstand mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert ist. Auch bei jungen Frauen wird die ­Erkrankung häufig erst mit einer erheblichen Verzögerung diagnostiziert. Dies ist besonders gefährlich, da mit Eintreten einer Schwangerschaft das Sterblichkeitsrisiko zusätzlich steigt.

Foto: Liubomir/AdobeStock

Kurzatmigkeit bei Belastung kann eines der unspezifischen, frühen Symptome einer pulmonalen Hypertonie sein.

Die pulmonale Hypertonie wird wie folgt klassifiziert:

  • pulmonal arterielle Hypertonie (PAH), eine eigenständige pulmonale Gefäßerkrankung,
  • pulmonale Hypertonie in Zusammenhang mit einer Linksherz­erkrankung,
  • pulmonale Hypertonie in Zusammenhang mit einer chronischen Lungenerkrankung,
  • chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) aufgrund wiederkehrender pulmonaler Thromboembolien,
  • pulmonale Hypertonie mit un­klaren und/oder multifaktoriellen Ursachen.

Aktualisierte Empfehlungen

Mithilfe der aktualisierten Leitlinie sollen Diagnostik und Therapie verbessert werden. Schwerpunkte liegen auf der Diagnose und Therapie einer pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) und einer chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH). Die Leitlinie enthält ein gutes Dutzend aktualisierter Empfehlungen. Eine wichtige Änderung betrifft eine neue hämodynamische Definition der pulmonalen Hypertonie mit einem mittleren Pulmonalarteriendruck von > 20 mmHg. In der älteren Version von 2015 lag dieser bei 25 mmHg. Der Grenzwert des pulmonalen Gefäßwiderstands wurde von > 3 Wood-Einheiten (WU), ein Maß für den pulmonal-vaskulären Widerstand, auf > 2 WU gesenkt. Um eine frühzeitige Diagnose zu ermöglichen, wurde der diagnostische Algorithmus vereinfacht, und Hochrisikopatienten sollen schneller an Zentren überwiesen werden. Zu diesen gehören etwa Patienten mit einer systemischen Sklerodermie. Der Behandlungsalgorithmus für Patienten mit PH wurde vereinfacht und richtet sich nach der Risikoeinschätzung. Dabei wurde auch die Wichtigkeit von Kombinationstherapien betont. Neu diagnostizierten Patienten mit PAH, die ein geringes oder mittleres Risiko aufweisen, wird initial eine Kombinationstherapie mit einem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten und einem Phosphodiesterase-5-Hemmer empfohlen. Eine Übersicht über weitere Pharmaka für diese Indikation gibt die Tabelle. Zusätzlich wird eine Impfung gegen Influenza, Pneumokokken und SARS-CoV-2 empfohlen. Ein besonders hohes Risiko haben Schwangere mit PAH, vor allem bei suboptimaler medikamentöser Einstellung. Aufgrund des erhöhten Mortalitätsrisikos in der Schwangerschaft sollten Frauen mit Kinderwunsch ausführlich aufgeklärt werden, gegebenenfalls sollte ihnen von einer Schwangerschaft abgeraten werden.

 

Tab.: Überblick über die in Deutschland zugelassenen Arzneimittel zur Therapie der pulmonalen Hypertonie und ihre Angriffspunkte. Genannt sind nur die für die pulmonale Hypertonie wichtigen Indikationen, teilweise werden die Arzneimittel noch in anderen Anwendungsgebieten eingesetzt. [Quelle: ESC/ERS Guidelines, Lauer-Taxe 1. Oktober 2022]
Angriffspunkt
Wirkstoffklasse
Wirkstoff (Handelsname)
Indikation
Endothelin-­Signalweg
Endothelin(ET)-Rezeptor­antagonisten
nicht selektiv
Bosentan (z. B. Tracleer®)
selektiv für ETA-Rezeptor
Ambrisentan (z. B. Volibris®),
Macitentan (Opsumit®)
pulmonal arterielle Hypertonie
Stickstoffmonoxid-Signalweg
Phosphodiesterase-5-Hemmer
Sildenafil (z. B. Revatio®),
Tadalafil (z. B. Adcirca®)
pulmonal arterielle Hypertonie
Guanylatcyclase-Stimulator
Riociguat (Adempas®)
chronisch thromboembolisch pulmonale Hypertonie,
pulmonal arterielle Hypertonie
Prostacyclin-Signalweg
Prostacyclin-Analoga
Epoprostenol (z. B. Veletri®)
pulmonal arterielle Hypertonie
Iloprost (Ventavis®)
primäre pulmonale Hypertonie
Treprostinil (Remodulin®)
pulmonal arterielle Hypertonie
Prostacyclin-Rezeptoragonist
Selexipag (Uptravi®)
pulmonal arterielle Hypertonie

Eine Früherkennung der selten auftretenden, aber schwerwiegenden chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie soll verbessert werden. Für ihre Behandlung gibt es drei Optionen, die allein oder kombiniert zur Anwendung kommen, und zwar die pulmonale Endarteriektomie, die pulmonale Ballonangioplastie und die Pharmakotherapie mit dem Guanylatcyclase-Stimulator Riociguat (Adempas®), der eine Zulassung speziell für diese Indikation besitzt.

Toxine und Arzneimittel als mögliche Krankheitsursachen

Bestimmte Toxine und Arzneimittel werden mit der Entwicklung einer pulmonal arteriellen Hypertonie in Verbindung gebracht. Die Klassifika­tion als „eindeutige“ bzw. „mögliche“ Assoziation wurde auf dem 6. Weltsymposium für pulmonale Hypertonie 2018 in Nizza vorgeschlagen. Gibt es Daten zu Ausbrüchen, epidemiologischen Fall-Kontroll-Studien oder großen multizentrischen Studien, wird ein Zusammenhang als „eindeutig“ ­gesehen. Ein Zusammenhang wird als „möglich“ eingestuft, wenn mehrere Fallserien oder Fälle mit Arzneimitteln mit ähnlichen Wirkmechanismen auftreten. Beispiele aus der Leitlinie:

eindeutige Assoziation

  • Dasatinib (z. B. Sprycel®)
  • Dexfenfluramin und Fenfluramin (nicht mehr in D erhältlich)
  • Methamphetamin

mögliche Assoziation

  • Amphetamine
  • Bosutinib (Bosulif®)
  • Cocain
  • Diazoxid (Proglicem®)
  • Sofosbuvir (z. B. Sovaldi®)
  • Leflunomid (z. B. Arava®)
  • Phenylpropanolamin (z. B. in Wick DayMed)
  • Ponatinib (Iclusig®)
  • Johanniskraut-Extrakt

Rehabilitations- und Übungsprogramme für die Betroffenen wurden auf ­einen neuen Stand gebracht. |

Literatur

Humbert M et al. 2022 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: Developed by the task force for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS). European Heart Journal, 2022;ehac237, doi.org/10.1093/eurheartj/ehac237

Pulmonale Hypertonie (S2k). AWMF-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie und angeborene Herz­fehler e. V., Stand: April 2020

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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