DAZ aktuell

Versorgung mit Medizinalcannabis leidet unter Rahmenbedingungen

Die DAZ im Gespräch mit Cansativa-Geschäftsführer Jakob Sons

mp/ral | Medizinalcannabis, das in Deutschland über Apotheken vertrieben wird, stammt überwiegend aus ausländischer Produktion. Eine Ausnahme ist Medizinalcannabis der Cansativa GmbH. Das Unternehmen gewann 2020 den Zuschlag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), exklusiv in Deutschland angebautes Cannabis zu vertreiben. Die DAZ hat Jakob Sons, der gemeinsam mit seinem Bruder die Geschäfte bei Cansativa führt, über seine Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit Apotheken gesprochen.

„Der Start des Cannabis-Vertriebs aus deutscher Ernte hat zur Versorgungssicherheit beigetragen“, erklärte Sons auf die Frage, wie das nicht-importierte Cannabis die Patientenversorgung hierzulande beeinflusst habe. Es habe die Akzeptanz der Akteure im Gesundheitswesen gesteigert, die Verordnungszahlen seien gestiegen. Für Sons hat dies auch dazu geführt, dass nun mehr Apotheken an der Patientenversorgung mit medizinischem Cannabis teilnehmen. „Als exklusiver Distributor kamen wir mit vielen zusätzlichen Apotheken in Kontakt, mit denen wir zuvor nicht zusammengearbeitet hatten“, freute sich der Cansativa-Geschäftsführer.

Foto: Cansativa

Jakob Sons, Geschäftsführer der Cansativa GmbH, schätzt die gute Zusammenarbeit mit Apotheken. Dass nicht mehr von ihnen an der Versorgung von Patienten mit Medizinalcannabis teilnehmen, liegt aus seiner Sicht vor allem an den Rahmenbedingungen.

Kooperativ und transparent

Die Zusammenarbeit mit den Apotheken empfindet Sons als kooperativ und transparent. Nach wie vor gibt es aus seiner Sicht jedoch viel Beratungs- und Schulungsbedarf bei Apotheken. „Lösen Apotheken erstmals ein Cannabis-Rezept ein, kommen viele Fragen zum Umgang damit auf. Zum Beispiel: Welche Identitätsprüfung fordert meine zuständige Apotheken-Aufsichtsbehörde? Was ist erlaubt und wie muss ich die Blüten verarbeiten?“ erklärte er. Es seien die gleichen Fragen, mit denen sich Apotheken vor fünf Jahren bereits an Cansativa gewendet hätten. Mittlerweile habe Cansativa jedoch viele Infomaterialien ausgearbeitet und biete Schulungen vor Ort an. „Wir können hier zwar keine Vorgaben machen, aber Erfahrungswerte anderer Apotheken teilen“, meinte Sons.

Versorgung auf wenige Apotheken konzentriert

Derzeit erstellen Sons zufolge zwei- bis dreitausend Apotheken regelmäßig Cannabis-Rezepturen und geben diese ab. Sein Unternehmen beobachte dabei, dass wenige Apotheken einen Großteil der Versorgung übernähmen. 50 bis 100 Apotheken in Deutschland lösten rund 80 Prozent aller Medizinalcannabis-Verordnungen ein.

Ein Grund hierfür könnte die teils aufwendige Identitätsprüfung sein. Dazu gefragt, wie Apotheken damit umgehen, sagte Sons: „Wir sehen einerseits Pharmazieräte, die eine optische und olfaktorische Prüfung von Cannabis als ausreichend erachten. Andere Aufsichtsbehörden fordern für jedes gelieferte Gebinde eine Ausgangsstoffprüfung mittels Dünnschichtchromatografie (DC). Bearbeiten Apotheken nur unregelmäßig Einzelverordnungen, für die eine aufwendige Analytik nötig ist, ist für sie die Cannabis-Versorgung unwirtschaftlich. Das trägt nicht gerade zur Versorgungssicherheit der Patienten bei.“ Um die Situation zu verbessern, wünscht sich Sons, dass die Arzneimittelpreisverordnung zumindest eine kostendeckende Mindestvergütung für Einzelverordnungen vorsieht. Ein weiterer Wunsch ist eine Vereinheitlichung der analytischen Standards durch die Aufsichtsbehörden. Allerdings deute derzeit nichts auf diesen Trend hin, so Sons.

Digitalisierter Nachweis in Testphase

Cansativa arbeitet derzeit an einem digitalisierten Nachweis für Cannabis-Patienten, der in Apotheken ausgestellt werden soll. Patienten sollen damit den Besitz von Cannabis nachweisen können, um nicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Dazu gefragt, wie der Stand dieses Projektes derzeit sei, antwortete Sons, man befinde sich in der Testphase. Man wolle technisch erproben, wie die sensiblen Patientendaten am sichersten aufgehoben seien. „Einen Schnellschuss wollen wir vermeiden und holen uns viel Feedback ein“, betonte er. Zwar wolle man in absehbarer Zeit mit dem Rollout, zunächst in zehn bis zwanzig Apotheken beginnen, er gehe aber nicht davon aus, dass der Nachweis in der Breite noch in diesem Jahr zur Ver­fügung stehen werde. Dafür sieht Sons für den Patientennachweis auch nach einer möglichen Cannabis-Legalisierung durchaus eine Berechtigung. „Sollte sich der Gesetzgeber zur Legalisierung entscheiden, könnte unser Patientennachweis auch für die Genussmittel-Abgabe relevant werden. Das System müsste anonymisiert und datenschonend sein. Daher könnte es auch als Nachweis für die Ab­gabe von Cannabis zu Genusszwecken infrage kommen“, erklärte er. Bis das Thema Genuss-Cannabis relevant wird, sind aus Sicht des Cansativa-­Geschäftsführers jedoch noch „dickere Bretter“ zu bohren. Zunächst müsse der Gesetz­geber ausschließen, dass Deutschland mit der Legalisierung gegen EU- und Völkerrecht verstoße. Sons dazu: „Wir warten gespannt auf das Eckpunktepapier zur Legalisierung, das die Regierung für Oktober angekündigt hat“. |

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