Arzneimittel und Therapie

Wenn der Druck zu stark steigt

Was Schwangeren mit Präeklampsie geraten werden kann

Eine Schwangerschaft lässt bei vielen Frauen das Herz vor Freude und Aufregung höherschlagen. In den kommenden Wochen wird der Körper viele Veränderungen durchmachen. Ein schwankender Blutdruck gehört in den meisten Fällen gerade zu Beginn der Schwangerschaft dazu. Gefährlich wird es allerdings, wenn der Blutdruck etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche kritisch ansteigt und zusätzlich eine Proteinurie vorliegt. Dann liegt eine Präeklampsie vor. Eine ernst zu nehmende Erkrankung, die gefährlich für Mutter und Kind sein kann.
Foto: Mediteraneo/AdobeStock

Unter dem Sammelbegriff der hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen werden mehrere Beschwerdebilder zusammengefasst (siehe Tabelle). Von einer Gestationshypertonie spricht man, wenn die Blutdruckwerte über 140/90 mmHg liegen und erstmals ab der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) auftreten. Bei Werten ab 160/110 mmHg spricht man von schwerem Schwangerschaftshochdruck. Gesellt sich zu diesem schweren Bluthochdruck noch mindestens eine weitere Organmanifestation hinzu, spricht man von einer Präeklampsie. Meistens sind die Nieren betroffen, und es zeigt sich eine ausgeprägte Proteinurie (> 300 mg/24 Stunden). Weitere typische Symptome der Prä­eklampsie sind Ödeme, Kopfschmerzen, Doppeltsehen, Augenflimmern und Oberbauchschmerzen.

Tab.: Formen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen (nach AWMF-Leitlinie)
Gestations­hypertonie
Neu aufgetretener Bluthochdruck ≥ 140/90 mmHg bei einer zuvor normotensiven Schwangeren. Bei Werten ab 160/110 mmHg spricht man von schwerer Gestationshypertonie.
Präeklampsie
Jede Art von erhöhtem Blutdruck (auch vorbestehend) ≥ 140/90 mmHg in der Schwangerschaft mit mindestens einer neu auftretenden Organmanifestation (meistens Proteinurie/Eiweißausscheidung im 24-Stunden-Sammelurin von ≥ 300 mg/d), welche keiner anderen Ursache zugeordnet werden kann.
HELLP-Syndrom
Typische Laborkonstellation aus Hämolyse, erhöhten Transaminasen und einer Thrombozytopenie.
Eklampsie
Tonisch-klonische Krampfanfälle, die keiner anderen neuro­logischen Ursache (z. B. Epilepsie) zugeordnet werden können.

Risiken einer Präeklampsie

Die Präeklampsie ist eine ernst zu nehmende und multifaktorielle Erkrankung, die Mutter und Kind schaden kann. In Europa sind etwa 2% aller Schwangeren betroffen. Die Ursache ist noch nicht vollends geklärt. Diskutiert werden sowohl genetische als auch immunologische Faktoren. Sehr wahrscheinlich kommt es durch eine Fehlentwicklung in der Plazenta (meist schon zwischen der 8. und 13. Schwangerschaftswoche) zu einer unzureichenden Ausbildung des plazentaren Gefäßsystems. Durch eine vermehrte Ausschüttung von Substanzen, die die Gefäßdurchmesser verkleinern, erhöht sich der uteroplazentare Gefäßwiderstand. Dies lässt wiederum den Blutdruck der Mutter steigen und führt gleichzeitig zu einer Mangelversorgung des Ungeborenen. In Folge verzögert sich das kindliche Wachstum (intrauterine Wachstumsrestriktion). Die einzig wirksame Therapie stellt die Entbindung dar. Etwa ein Drittel aller Frühgeburten ist heutzutage mit Präeklampsie (und dem HELLP-Syndrom) assoziiert.

Sonderformen: das HELLP-Syndrom & Eklampsie

Bei einer besonders schweren Form der Präeklampsie, dem HELLP-Syndrom, weiten sich die Funktionseinschränkungen auf weitere Organe, wie die Leber, die Blutgerinnung oder das zen­trale Nervensystem aus. Etwa 0,1 bis 0,2% aller Schwangeren sind davon betroffen. Bei Frauen, die bereits an einer Präeklampsie leiden, kommt es deutlich häufiger vor, etwa bei 10 bis 20% aller Schwangeren. Das HELLP-Syndrom stellt eine lebensbedrohliche Kompli­kation dar und muss umgehend notfallmedizinisch behandelt werden. Der Name leitet sich von den laborchemischen Nachweisen ab, die für die Diagnose herangezogen werden:

  • H – Hämolyse
  • EL – erhöhte Leberenzymwerte (engl. elevated liver enzymes)
  • LP – niedrige Thrombozytenzahl (engl. low platelets)

Als schwerste Form der hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen ist die Eklampsie bekannt. Hier kommt es zu plötzlich auftretenden tonisch-klonischen Krampfanfällen mit neurologischen Ausfällen. In vielen Fällen treten Kopfschmerzen und Visus­störungen auf. Eine stationäre Be­handlung ist unbedingt erforderlich, denn die Krämpfe sind sowohl für die Schwangere als auch das Kind lebensbedrohlich. Es kann zu einer Plazentaablösung oder Nierenversagen kommen. Steigt der Blutdruck extrem schnell an, kann dies in seltenen Fällen sogar zum Schlaganfall bei der Mutter führen. Therapiert wird in der Regel mit hoch dosiertem intravenös verabreichtem Magnesiumsulfat.

Frühe Diagnose nötig

Für Mutter und Kind ist es von großer Wichtigkeit, dass eine mögliche Prä­eklampsie frühzeitig in der Schwangerschaft erkannt wird. Leider gibt es bislang nicht den einen aussagekräftigen Test, der eine genaue Dia­gnose möglich macht. Ärzte ermitteln das Risiko im 1. oder 2. Trimenon durch anamnestische Angaben und mögliche Risikofaktoren (siehe Kasten „Risikofaktoren für eine Präeklampsie“), den mittleren arteriellen Blutdruck (gemessen an beiden Armen), der Bestimmung bestimmter Bluteiweiße, dem Nachweis von Eiweiß im Urin (24-Stunden-Sammelurin) und einer Blutflussmessung in den Gebärmutterarterien. Zwischen der 10. und 13. Schwangerschaftswoche kann der Arzt dann mithilfe einer Dopplersonografie und einer Blutuntersuchung das Risiko für eine Präeklampsie relativ sicher abschätzen. Den Früherkennungstest auf Präeklampsie können Frauen zwischen der 11. und 14.Schwangerschaftswoche vornehmen lassen. Er ist allerdings keine Regelleistung der Krankenkassen im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge und muss demnach selbst bezahlt werden.

Zudem steht für die Präeklampsie-­Diagnostik noch die Bestimmung des sFlt-1/PIGF-Quotienten zur Verfügung. Laut Leitlinie ist die Bestimmung von sFt-1(soluble Fms-­like Tyrosinkinase-1) und PIGF(Placental Growth Factor) als guter Prognosemarker allerdings nur bedingt heranzuziehen. Der sFt-1/PIGF-Quotient hat laut der PROGNOSIS-Studie eine Vorhersagerate von etwa 30% in der 28. Schwangerschaftswoche. Gut geeignet hingegen ist der negative Vorhersagewert des Faktors: In der Studie konnte gezeigt werden, dass ein Wert unter 38 das Auftreten einer Präeklampsie mit einer 99,3%-igen Wahrscheinlichkeit ausschließen kann.

Risikofaktoren für eine Präeklampsie

  • mütterliches Alter über 35 oder unter 18 Jahren
  • Erstschwangerschaft
  • Mehrlingsschwangerschaft
  • Präeklampsie bei einer früheren Schwangerschaft (Wiederholungs­risiko 11,5 bis 27%) oder in der Familie
  • Übergewicht (Body-Mass-Index über 35)
  • vorbestehender Bluthochdruck
  • bestehender oder während der Schwangerschaft entwickelter Diabetes mellitus
  • Blutgerinnungsstörungen
  • bestehende Nieren- oder Lebererkrankungen
  • Autoimmunerkrankungen
  • erhöhter Gefäßwiderstand in den Gebärmuttergefäßen

Präventive Maßnahmen

Hat sich im 1. Trimenon herausgestellt, dass die werdende Mutter ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie hat, ist die derzeit effektivste Vorbeugemaßnahme ab der Frühschwangerschaft (16+0 SSW) die tägliche Gabe von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS, 100 bis 150 mg/Tag). ASS scheint durch Hemmung der gefäßverengenden Substanzen die Einnistung der Plazenta positiv zu beeinflussen. Internationale Studien haben gezeigt, dass das Risiko für eine Präeklampsie vor der 37. Schwangerschaftswoche durch die tägliche Einnahme von ASS am Abend bereits um über 60% sinkt. In Deutschland wird ASS bis zur 34. bzw. 36. Schwangerschaftswoche empfohlen.

Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft gilt es, die Mutter und das Kind engmaschig zu kontrollieren. Blutdruck, Gewicht, Kontrolle von Ödemen und Wassereinlagerungen sowie die Kontrolle der Eiweißausscheidung sind empfohlen. Auch ist es wichtig, die Schwangere dafür zu sensibilisieren, ein besonderes Augenmerk auf Symptome wie Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Dyspnoe zu legen. Treten ein oder mehrere Sym­ptome auf, ist sofort der Frauenarzt aufzusuchen. Blutdruckwerte über 140/90 mmHg und weitere bestehende Risikofaktoren können eine Klinikeinweisung erforderlich machen. Bei einer gesicherten klinischen Präeklampsie sollte immer eine Klinikeinweisung erfolgen. Gleiches gilt bei Verdacht auf das HELLP-Syndrom.

Bei einer schweren Hypertonie (≥ 160/110 mmHg), dient eine anti­hypertensive Therapie vor allem zum Schutz der Mutter vor zerebro- und kardiovaskulären Komplikationen. Die Einleitung der medikamentösen Therapie sollte stationär erfolgen, nach dem Prinzip „start low“ und „go slow“. Es gilt hier sogar besondere Vorsicht, denn eine zu drastische Blutdrucksenkung kann zu einer Unterversorgung der Plazenta führen und wäre somit schädlich für das Kind. Zur Vorbeugung einer Eklampsie hat sich die zusätzliche Gabe von Magnesium i. v. in der klinischen Praxis durchgesetzt.

Behandlung des Bluthochdrucks in der Schwangerschaft

Mittel der 1. Wahl in Deutschland zur oralen Therapie der arteriellen Hypertonie in der Schwangerschaft ist das Antisympathotonikum Alpha-Methyldopa (Methyldopa, Dopegyt®) in einer Dosierung von 250 bis 500 mg, verteilt auf zwei bis vier Gaben. Tageshöchst­dosis liegt bei 2 g/Tag. Als weiteres Mittel kann Nifedipin als retardierte Formulierung (Adalat®) gegeben werden. Empfohlene Dosis: 20 bis 60 mg, maximal 120 mg pro Tag. Studien haben gezeigt, dass der Calcium-Antagonist zu keinem erhöhten Fehlbildungsrisiko führt und während der gesamten Schwangerschaft zur Blutdrucksenkung eingesetzt werden kann. Nifedipin wird aufgrund seiner guten Wirksamkeit und geringen Neben­wirkungen auch als Tokolytikum (Wehenhemmer) eingesetzt. Allerdings sollte stets nur die retardierte Form eingesetzt werden (keine sublinguale Einnahme), und es sollte nicht zusammen mit Magnesium i. v. verabreicht werden. Blutdruckwerte über 140/90 mmHg können schon eine Klinikeinweisung erforderlich machen.

Einschneidende Maßnahmen erforderlich

Wenn keine ausreichende Blutdruckkontrolle erreicht werden kann, muss über eine frühzeitige Entbindung nachgedacht werden. Nach wie vor gilt die Entbindung als einzige kausale Therapie. Dennoch ist das oberste Regime bei der Behandlung, die Geburt so weit es geht hinauszuzögern. Eine im September 2021 veröffentlichte Studie aus Kapstadt, Südafrika, untersuchte den Effekt von retardiertem Metformin vs. Placebo auf die mögliche Prolongation der Schwangerschaft. An der Studie nahmen 180 Frauen teil (90 im Placebo-Arm, 90 im Metformin-Arm), bei denen eine Präeklampsie zwischen der 26+0 und 31+6 Schwangerschaftswoche festgestellt wurde. Die Frauen im Metformin-Arm erhielten bis zu 3 g retardiertes Metformin pro Tag. Durch die Einnahme des Antidiabetikums konnte der Geburtstermin um circa eine Woche hinausgezögert werden. Diese Zeit kann entscheidend für die kindliche Prognose sein. Inwieweit die Ergebnisse aus Südafrika auf Deutschland übertragbar sind, muss in weiteren Studien geprüft werden. Grundsätzlich gilt es immer, zwischen dem Risiko, das durch die Präeklampsie auf den Fetus einwirkt, und dem Risiko einer Frühgeburt abzuwägen. Laut Leitlinie sollte ab der 34+0 Schwangerschaftswoche möglichst bald entbunden werden (s. Kasten „Interventionen in Abhängigkeit des Schwangerschaftsalters“). Tritt die Präeklampsie bereits in der 24+0 bis zu 33+6 Schwangerschaftswoche auf, ist es ratsam, die Mutter engmaschig zu kontrollieren und die Schwangerschaft zum Schutz des Kindes zunächst weiter fortzuführen. Anders ist es, wenn die Präeklampsie vor der 24. Schwangerschaftswoche auftritt. Die Überlebenschancen für Frühgeborene in diesem Stadium sind gering. Zusätzlich verringert die meist zusätzliche fetale Wachstumsretardierung die Prognose stark. Hier muss in enger Absprache mit dem Arzt auch die Möglichkeit eines Schwangerschafts­abbruchs in Betracht gezogen werden.

Interventionen in Abhängigkeit des Schwangerschaftsalters

Wird beim Erst-Trimester-Screening ein erhöhtes Präeklampsie-Risiko festgestellt, so sollte die Schwangere möglichst vor der 16+0 SSW beginnen, präventiv einmal täglich 100 bis 150 mg ASS einzunehmen.

Bei bestehender Präeklampsie werden in Abhängigkeit des Schwangerschaftsalters verschiedene Inter­ventionen empfohlen:

  • vor der 24+0 SSW: Da die Über­lebenschancen für das Kind gering sind, sollte die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs in Betracht gezogen werden.
  • 24+0 bis 33+6 SSW: Engmaschige Kontrolle von Mutter und Kind. Prolongation der Schwangerschaft möglich.
  • ab der 34+0 bis 36+6 SSW:Möglichst zeitnahe Entbindung nach Abwägung des mütterlichen und fetalen Risikos
  • ab der 37. SSW: Entbindung indiziert

Beratung in der Apotheke und Selbstmanagement

Die Präeklampsie gehört in jedem Fall unter engmaschige ärztliche Aufsicht. Doch viele Betroffene können eine Weile ambulant behandelt werden. Wichtig für die pharmazeutische Beratung ist die Begleitung der Schwangeren bei der korrekten Durchführung der Blutdruckselbstmessung. Diese sollte mindestens zweimal täglich (morgens und abends) erfolgen. Hierzu rät die Leit­linie zu einer Messung am Oberarm mittels Oberarmmanschette. Von Handgelenksgeräten ist abzuraten, da diese den Blutdruck systematisch niedriger messen. Die Messung sollte nach den anerkannten Regeln erfolgen: im Sitzen und nach ausreichender Ruhephase. Das Führen eines Blutdruck­tagebuchs ist in jedem Fall ratsam.

Präeklampsie hat viele recht unspezifische Symptome, die während einer Schwangerschaft auch manchmal fehlinterpretiert werden können. Hier es nötig, die Schwangere zu sensibilisieren und im Zweifel direkt an den Frauenarzt zu verweisen. Besonders die Entstehung von Ödemen ist ein frühes Warnzeichen und sollte ärztlich abgeklärt werden.

In vielen Foren und Büchern liest man von einem präventiven Effekt, der durch die Einnahme von Magnesium, Selen, Vitamin D, Calcium oder Fischöl-Kapseln erzielt werden soll. Die wissenschaftliche Evidenz dafür ist bisher nicht nachgewiesen. Dennoch sprechen sich Hebammen und Ärzte nicht klar gegen eine zusätzliche Einnahme der oben erwähnten Nahrungsergänzungsmittel aus. Wichtig zu beachten ist hier, dass die eingenommenen Nahrungsergänzungsmittel qualitativ hochwertig sind und den anerkannten Standards unterliegen. |

Literatur

Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie. S2k-Leitlinie der DGGG, OEGGG, SGGG, AWMF-Register Nr. 015/018, Stand: März 2019

Cluver CA et al. „Use of metformin to prolong gestation in preterm pre-eclampsia: randomised, double blind, placebo controlled trial.“ BMJ 2021.374: n2103

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

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