Beratung

Wenn Augen jucken und die Nase läuft …

... gibt es mehr als Antihistaminika

Juckende Augen, laufende Nase – für viele Menschen jedes Jahr wieder ein Thema, wenn die Pollen anfangen zu fliegen. Manche sind sogar das ganze Jahr von Allergien be­troffen, z. B. durch Hausstaub oder Tierhaare. Klassisch bieten sich Antihistaminika zur Selbst­medikation an. Doch welche Alternativen gibt es zur Behandlung? Und welche Alltagstipps können Allergie-Geplagten helfen?

Als Allergie bezeichnet man eine veränderte Reaktion des Körpers gegenüber bestimmten Allergenen. Dabei kann es sich theoretisch um eine verstärkte, abgeschwächte oder fehlende Reaktion des Organismus handeln. Jedoch wird der Begriff Allergie nur noch im Sinne einer Überempfind­lichkeitsreaktion verwendet [1]. In Deutschland leiden 20% aller Erwachsenen mindestens an einer Allergie, besonders häufig handelt es sich dabei um Heuschnupfen: So liegt die Lebenszeitprävalenz für Heuschnupfen bei Erwachsenen bei 15%, gefolgt von Asthma bronchiale (9%) und Kontaktekzemen (8%). Bei Kindern und Jugendlichen steht Heuschnupfen mit einer Lebenszeitprävalenz von 11% nach Neurodermitis immerhin noch an Platz zwei der diagnostizierten aller­gischen Erkrankungen [2]. Da es bis heute nicht möglich ist, eine Allergie zu heilen, bleibt nur die Vermeidung der auslösenden Allergene sowie die Behandlung der Symptome. Während es bei einigen Allergenen wie Tierhaaren einfach ist, diese zu meiden, ist es bei anderen nahezu unmöglich - z. B. Hausstaubmilben oder Pollen. Allerdings kann mit allgemeinen Maßnahmen versucht werden, die Exposition gegenüber den Allergenen zu verringern. Für Pollenallergiker ist ein Blick in den Pollenflugkalender (siehe Abb.) hilfreich. Dieser gibt Auskunft über die verschiedenen Blühphasen der Bäume, Sträucher und Gräser. Allerdings ist der Pollenflug stark abhängig von der Wetterlage, weshalb eine tagesaktuelle und eine regional präzisierte Prognose sinnvoll ist (z. B. der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst www.pollenstiftung.de). Insgesamt ist die Pollen-Konzentration in der Luft in Europa in den letzten 30 Jahren vor allem in städtischen Gebieten gestiegen. Diskutiert wird ein Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration als relevanter Faktor. Darüber hinaus kommt es durch den Klimawandel zunehmend zu einer längeren Pollenflugzeit [5].

Abb.: Pollenflugkalender Für Allergiker kann die tabellarische Übersicht des zeitlichen Auftretens einer Pollenbelastung hilfreich sein (nach [4]).

Wie schützt man sich vor Allergenen?

Indoor-Allergene
Um die Allergenbelastung in Wohnung und Haus gering zu halten, bieten sich mechanische Barrieren an. Geeignet sind Pollenschutzgitter an Fenstern und Türen. Diese verhindern das Eindringen von Pollen beim Lüften und reduzieren die Pollenbelastung im dahinter liegenden Raum um ca. 90%. Gegen Hausstaubmilben helfen spezielle Überzüge an Matratzen, Decken und Kissen. Sie verhindern das Freisetzen von Allergenen in die Luft und schneiden zusätzlich den Hausstaubmilben den Weg zur Nahrung (Hautschuppen) ab. Für Allergiker geeignete Staubsauger enthalten HEPA-Filter (High Efficiency Particulate Air), die auch feinste Staubpartikel zuverlässig zurückhalten [3].

Atemmasken
Grundsätzlich ist eine Atemmaske ein Schutzschild aus faserigem Material (Baumwolle, Mikrofaser, Gewebe, Plastik oder sogar Papier), das Allergene, Feinstaub, Mikroben und gasförmige Reizstoffe einfängt. Es ist denkbar, dass Atemschutzmasken gegen Allergene schützen. Allerdings gibt es nicht viele Studien, die die Wirksamkeit von Masken gegen gängige Outdoor-Allergene wie Pollen testen. In einer Studie mit japanischer Zederpollinose fand sich durch das Tragen von Gesichtsmaske und Brille eine statistisch signifikante Abnahme von klinischen Symptomen, obwohl die Anzahl der Pollenpartikel in der Nasenhöhle und auf der Bindehaut unverändert war. Um die Wirksamkeit eines bestimmten Atemschutzmaskenmodells bei der Reduzierung der Menge eingeatmeter Allergene und der klinischen Symptome zu charakterisieren, sind gezielte Studien erforderlich [6].

Nasenfilter
Nasenfilter bestehen aus speziellen Membranen, die von außen auf die Nasenlöcher geklebt werden. Sie sollen Partikel filtern, die durch die Nase eingeatmet werden, und sind so konstruiert, dass der unvermeidliche Anstieg des Luftwiderstands durch die Filtermembran unter dem Wahr­nehmungsniveau liegt. Nasenfilter funktionieren wie nahezu unsichtbare Atemmasken, die allerdings nur auf die Nase begrenzt sind [6]. Kleinere Studien legen nahe, dass durch das Tragen von Nasenfiltern Heuschnupfensymptome gelindert werden können [7, 8, 9]. Eine breite Evidenz für die klinische Wirksamkeit besteht hingegen (noch) nicht. Dazu kommen die vergleichsweise hohen Kosten solcher Nasenfilter im Vergleich zu gängigen Antihistaminika (ca. 0,70 bis 1 Euro/Stück vs. ca. 0,3 Euro/Tablette).

Tipps von Lungenfachärzten für Heuschnupfen-Geplagte

  • längere Aufenthalte im Grünen während der Blühphase meiden
  • die Zeit nach einem Regenguss für Spaziergänge nutzen
  • tagsüber die Fenster geschlossen halten; lüften in der Stadt zwischen 6 und 8 Uhr, in ländlichen Gebieten zwischen 19 und 24 Uhr
  • abends Haare waschen, vor dem Zubettgehen die Kleidung wechseln
  • Schlafzimmer wenn möglich auf windabgewandte Seite des Hauses legen
  • Schlafraum nicht mit blühenden Pflanzen bestücken
  • beim Autofahren Fenster geschlossen halten
  • allergiearmes Urlaubsziel wählen: Meer oder Hochgebirge (CAVE: bei Nord- und Ostseeinseln auf Windrichtung achten, vom Land wehende Ostwinde bringen Pollen vom Festland mit)
  • Rasen vor dem Haus kurz halten, jedoch nicht selbst mähen
  • Nahrungsmittel wie einheimische Teesorten oder Honig können Reste von Blütenstaub enthalten, gegebenenfalls auf Verzehr verzichten

(nach [16])

Barriere-stärkende Maßnahmen

Zum Schutz der Nasenschleimhaut und um einen Kontakt mit potenziell schädlichen Stoffen wie Allergenen zu vermeiden, können Barriere-stärkende Stoffe eingesetzt werden. Verschiedene Substanzen wurden bereits auf ihre Wirksamkeit hin untersucht, dazu gehören Cellulose-Derivate, weiße Vaseline, Lipid-basierte Salben, Mikroemulsionen, liposomale Formulierungen und Meerwassergel. Viele Ansätze wurden jedoch nicht bis zur Kommerzialisierung weiterverfolgt [6]. Im Handel erhältlich sind Medizinprodukte wie Bentrio® (enthält Bentonit, Lipide, Wasser; soll durch elektrostatische Effekte Partikel binden), Abtei Allergie Schutz Nasen-Gel-Spray (enthält Bentonit, Öle, bildet Micro-Gel-Film), Tetesept Nasen Gel Spray (enthält Zink und natürliches Minzöl, bildet Hydrogelfilm) und Plasma Liquid Nasensprühgel (enthält Natriumhypochlorit, elektrochemisch aktivierte Mineralsalzlösung, Lithium-Magnesium-Natrium-Silikat; soll Allergene durch Redoxpotenzial zerstören) [10]. Ebenso soll Bepanthen Augen- und Nasensalbe eine physikalische Barriere bilden. Allerdings wurde die Wirksamkeit nur in einem In-vitro-Modell untersucht [11]. Der Hersteller von Bentrio® verweist auf eine Untersuchung, in der 36 Patienten in einer sogenannten Pollenkammer während vier Stunden Gräserpollen ausgesetzt waren. Die Teilnehmenden erhielten eine Dosis des Nasensprays oder keinen Schutz, bevor sie die Pollenkammer betraten. Das Medizinprodukt führte zu einer statistisch signifikanten Verringerung der Allergiesymptome [12]. Allerdings ist kritisch zu bemerken, dass die Zahl der Probanden sehr klein ist und die Wirksamkeit nicht unter Alltagsbedingungen untersucht wurde. Dazu läuft laut Hersteller aktuell eine Untersuchung mit 100 Probanden [13]. Ähnliche Kritik übt Öko-Test an einer Untersuchung, die die Wirksamkeit des Abtei Allergie Schutz Nasen-Gel-Sprays belegen soll. Bemängelt wird, „dass die Studie, die die Wirksamkeit belegen soll, eine geringe Patientenzahl aufweist. Zudem sei der für das Produkt abgeleitete Anspruch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt“ [14]. Die Aussage der Wirksamkeit des Plasma Liquid Nasensprühgels bei Allergien beruht sogar nur auf Anwendungsberichten, eine Studie hierzu wurde nicht durchgeführt [15]. Inwieweit die Produkte also bei Allergien hilfreich sind, muss wohl jeder Einzelne für sich entscheiden. |

 

Literatur

 [1] Thews, Mutschler, Vaupel, Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. 5. Auflage Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1999

 [2] Bergmann KC et al. Current status of allergy prevalence in Germany. Position paper of the Environmental Medicine Commission of the Robert Koch Institute. Allergo J Int 2016;25:6–10, DOI: 10.1007/s40629-016-0089-1

 [3] Allergene in der Wohnung reduzieren. Informationen der Deutschen Haut- und Allergiehilfe e. V., www.dha-allergien.de/hilfsmittel.html, abgerufen am 10.01.2022

 [4] Allergieinformationsdienst, Helmholtz Zentrum München, Pollenflugkalender

 [5] Höflich C. Klimawandel und Pollen-assoziierte Allergien der Atemwege, UMID 2014;1:5-10

 [6] Todor AP et al. Medical devices in allergy practice, World Allergy Organization Journal 2020;13(10):100466, https://doi.org/10.1016/j.waojou.2020.100466

 [7] Kenney P et al. Preventive effect of nasal filters on allergic rhinitis: A randomized, double-blind, placebo-controlled crossover park study. J Allergy Clin Immunol 2015;136(6):1566-1572e5, doi: 10.1016/j.jaci.2015.05.015

 [8] O‘Meara TJ et al. The reduction of rhinitis symptoms by nasal filters during natural exposure to ragweed and grass pollen. Allergy 2005;60(4):529-532, doi: 10.1111/j.1398-9995.2005.00741.x

 [9] D‘Amato G et al. Improvement of quality of life in allergic rhinoconjunctivitis patients using nasal filters, a preliminary study. Eur Ann Allergy Clin Immunol 2013;45(5):167-175, PMID: 24129044

[10] Informationsseiten der Hersteller der genannten Produkte

[11] Informationen der Bayer Vital GmbH, https://media.bayer.de/baynews/baynews.nsf/id/Neue-Untersuchung-zeigt-Salbe-schuetzt-vor-Pollen

[12] Nehring J et al. Efficacy and safety of a drug-free, barrier-forming nasal spray for allergic rhinitis: randomized, open-label, crossover noninferiority trial. Preprint vom 6. August 2021, auf Medrxiv.org, www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.08.02.21261374v1

[13] Protection against airborne allergens and viruses. Informationen der Altamira Therapeutics / Auris Medical AG zu Bentrio™, www.aurismedical.com/programs/viral-infections-and-allergies

[14] Deutscher Allergie- und Asthmabund, Öko-Test watscht „Abtei Allergie Schutz Nasen-Gel-Spray“ ab, www.daab.de/blog/2017/02/oeko-test-watscht-abtei-allergie-schutz-nasen-gel-spray-ab/,

[15] Telefongespräch mit dem Regeno Kundenservice zum Plasma Liquid Nasensprühgel am 17. Januar 2022

[16] Heuschnupfen Vorbeugung. Lungenärzte im Netz, www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/heuschnupfen/vorbeugung/

Apothekerin Dr. Sabine Fischer

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