Arzneimittel und Therapie

Frühgeburt durch Phthalat-Belastung?

Nachweis von Metaboliten im Urin von Schwangeren deutet auf erhöhtes Risiko hin

Ob die Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt durch eine erhöhte Phthalat-Belastung in der Schwangerschaft gesteigert wird, wurde nun in einer US-amerikanischen Studie untersucht. Überprüft wurden die Biomarker von elf verschiedenen Phthalat-Metaboliten im Urin von Schwangeren. Demnach sind erhöhte Konzentrationen dieser Metabolite mit dem Risiko für eine Frühgeburt assoziiert.

Die Gründe für eine Frühgeburt liegen meist im Dunkeln. Doch allein in den USA liegt der Anteil bei 10% aller Geburten jährlich [1]. Um für Klarheit zu sorgen, hat nun eine US-amerikanische Studie Daten aus 16 prospektiven Kohortenstudien zusammengefasst. Denn Phthalate sind allgegenwärtig. Sie werden vor allem in Kunststoffen als Weichmacher eingesetzt. Bereits in früheren Studien wurde ein Zusammenhang zwischen Phthalaten und einer erhöhten Frühgeburtsrate geprüft [2 – 8].

Nun wurde als Testverfahren die Messung der Spiegel von Phthalat-Biomarkern im Urin gewählt. Als Frühgeburt zählte hier eine Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche. Insgesamt konnten die Daten von 6045 Frauen ausgewertet werden.

Die Teilnehmerinnen gaben mehrere Urinproben während der Schwangerschaft ab, um die Spiegel von Phthalatmonoester-Metaboliten bestimmen zu lassen. Insgesamt wurden elf Metabolite erfasst, welche in mindestens 50% der Proben zu finden waren. Ausgewertet wurde die Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt pro Anstieg der interquartilen Spanne (IQR) der Metabolitkonzentrationen [9]. Außerdem wurde berechnet, wie wahrscheinlich eine Frühgeburt dann noch ist, wenn durch verschiedene Methoden die Phthalat-Konzentration im Urin verringert werden konnte [10].

Deutliche Assoziation

Phthalat-Metabolite konnten in mindestens 96% aller Urinproben bestimmt werden. Untersucht wurden Monoethylphthalat (MEP), Monobutylphthalat (MBP), Monoisobutylphthalat, Monobenzylphthalat, Mono-(2- ethylhexyl)-phthalat, Mono-(2-ethyl-5-hydroxyhexyl)-phthalat, Mono-(2-ethyl-5-carb­oxypentyl)-phthalat (MECPP), Mono-­(2-ethyl-5-oxohexyl)-phthalat, Mono-(3-carboxypropyl)-phthalat (MCPP), Monocarboxyisooctylphthalat und Monocarboxyisononylphthalat. Die höchsten Werte ergaben sich bei MEP, MBP und MECPP.

Die Analyse zeigte, dass bei einer erhöhten Phthalat-Belastung das Risiko für eine Frühgeburt um 12% bis 16% erhöht war. Signifikant war dabei der Zusammenhang bei erhöhten Konzentrationen von Monobutylphthalat (MBP) (Odds Ratio [OR] 1,12 [95%-Konfidenzintervall [KI] 0,98 – 1,27]), Mono­iso-butylphthalat (OR 1,16 [95%-KI 1,00 – 1,34]), Mono-(2-ethyl-5-carboxypentyl)-phthalat (MECPP) (OR 1,16 [95%-KI 1,00 – 1,34]), und Mono-(3-carboxypropyl)-phthalat (MCPP) (OR 1,14 [95%-KI 1,01 – 1,29]). Für andere Metaboliten wurden keine signifikanten Werte ermittelt. Eine Mischung aus neun verschiedenen Metaboliten führte laut Untersuchungen zu einer um 25% erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt (OR 1,25 [95%-KI 0,88 – 1,77]).

Belastungen senken

Hypothetische Berechnungen zur Senkung der Belastungen um 10%, 20% und 30% sollten nach Schätzungen der Autoren folgende Auswirkungen auf die Frühgeburtenrate haben:

Durch eine Einschränkung um 10% sollten sich danach 1,8 (95%-KI 0,5 – 3,1) Frühgeburten pro 1000 Lebendgeburten verhindern. Bei 30% sind es 5,9 (95%-KI 1,7 – 9,9) und bei 50% bereits 11,1 (95%-KI 3,6 – 18,3).

Wie Phthalate Einfluss auf das Frühgeburtsrisiko nehmen, ist unklar. Diskutierten werden oxidativer Stress und Entzündungsreaktionen an der mütterlich-fetalen Schnittstelle [11, 12]. Zudem wurden Phthalat-Biomarker mit einer herabgesetzten Expression von Plazentagenen in Verbindung gebracht [13]. Diese Vermutungen wissenschaftlich zu fundieren, macht weitere Forschung auf dem Gebiet notwendig. |

Literatur

 [1] Martin JA, Hamilton BE, Osterman MJK, Driscoll AK. Births: final data for 2019. Natl Vital Stat Rep. 2021;70(2):1-51.

 [2] Radke EG, Glenn BS, Braun JM, Cooper GS. Phthalate exposure and female reproductive and developmental outcomes: a systematic review of the human epidemiological evidence. Environ Int. 2019;130:104580. doi:10.1016/j.envint.2019.02.003

 [3] Ferguson KK, McElrath TF, Meeker JD. Environmental phthalate exposure and preterm birth. JAMA Pediatr. 2014;168(1):61-67. doi:10.1001/ jamapediatrics.2013.3699

 [4] Ferguson KK, Rosen EM, Rosario Z, et al. Environmental phthalate exposure and preterm birth in the PROTECT birth cohort. Environ Int. 2019;132:105099. doi:10.1016/j.envint.2019.105099

 [5] Ferguson KK, Rosen EM, Barrett ES, et al.J oint impact of phthalate exposure and stressful life events in pregnancy on preterm birth. Environ Int. 2019;133(pt B):105254. doi:10.1016/j.envint.2019. 105254

 [6] Chin HB, Jukic AM, Wilcox AJ, et al. Association of urinary concentrations of early pregnancy phthalate metabolites and bisphenol A with length of gestation. Environ Health. 2019;18(1):80. doi:10.1186/s12940-019-0522-2

 [7] Meeker JD, Hu H, Cantonwine DE, et al. Urinary phthalate metabolites in relation to preterm birth in Mexico city. Environ Health Perspect. 2009;117(10): 1587-1592. doi:10.1289/ehp.0800522

 [8] Gao H, Wang YF, Huang K, et al. Prenatal phthalate exposure in relation to gestational age and preterm birth in a prospective cohort study. Environ Res. 2019;176:108530. doi:10.1016/j.envres. 2019.108530

 [9] Keil AP, Buckley JP, O’Brien KM, Ferguson KK, Zhao S, White AJ. A quantile-based G-computation approach to addressing the effects of exposure mixtures. Environ Health Perspect. 2020;128(4): 47004. doi:10.1289/EHP5838

[10] Ahern J, Hubbard A, Galea S. Estimating the effects of potential public health interventions on population disease burden:astep-by-step illustration of causal inference methods. Am J Epidemiol. 2009;169(9):1140-1147. doi:10.1093/aje/ kwp015

[11] Ferguson KK, Chen YH, VanderWeele TJ, McElrath TF, Meeker JD, Mukherjee B. Mediation of the relationship between maternal phthalate exposure and preterm birth by oxidative stress with repeated measurements across pregnancy. Environ Health Perspect. 2017;125(3):488-494. doi:10.1289/ EHP282

[12] Aung MT , Song Y, Ferguson KK, et al. Application of an analytical framework for multivariate mediation analysis of environmental data. Nat Commun. 2020;11(1):5624. doi:10.1038/ s41467-020-19335-2

[13] Adibi JJ, Whyatt RM, Hauser R, et al. Transcriptional biomarkers of steroidogenesis and trophoblast differentiation in the placenta in relation to prenatal phthalate exposure. Environ Health Perspect. 2010;118(2):291-296. doi:10.1289/ ehp.0900788

[14] U.S. Environmental Protection Agency( EPA). Phthalates: Action Plan. Revised March 14, 2012. Accessed June 2, 2022. https://www.epa.gov/sites/ default/files/2015-09/documents/phthalates_ actionplan_revised_2012-03-14.pdf

Apothekerin Judith Scharpf

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.