Arzneimittel und Therapie

Omikron-BA.1-angepasste Impfstoffe zum Auffrischen

Ergänzende Zulassung für Booster-Impfungen mit bivalenten mRNA-Vakzinen erteilt

dm| Der Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, EMA) hat sich am 1. September 2022 für die Zulassungsvariation von zwei mRNA-Impfstoffen der Firmen Biontech/Pfizer und Moderna ausgesprochen, die sich gegen den Wildtyp von SARS-CoV-2 und die Omikron-Variante BA.1 richten. Die Europäische Kommission hat noch am gleichen Tag dieser Empfehlung zugestimmt und damit den Weg frei gemacht für die Einführung der ­adaptierten Impfstoffe.
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In der Diskussion um die Zulassung von COVID-19-Impfstoffen, die an neue Varianten angepasst sind, hatte die FDA ganz auf die Omikron-Variante BA.4/BA.5 gesetzt und am 31. August 2022 entsprechenden Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna eine Notfallzulassung erteilt. Die Spike-Proteine von BA.4 und BA.5 sind identisch. Am 1. September stand die Zulassung für Omikron-adaptierte Impfstoffe auf der Tagesordnung des CHMP, jedoch lediglich die von bivalenten Impfstoffen, die gegen Omikron BA.1 und den Wildtyp gerichtet sind.

„Comirnaty Original/Omicron BA.1“ und „Spikevax Bivalent Original/­Omicron BA.1“ sind für die Impfung von Personen ab zwölf Jahren vorge­sehen – wenn bereits mindestens eine Erstimpfung gegen COVID-19 erfolgt ist. Es sollte dabei mindestens ein ­Abstand von drei Monaten zur vorausgegangenen Impfung eingehalten ­werden. So soll der Schutz gegen verschiedene Corona-Varianten erweitert werden. Die beobachteten Nebenwirkungen sollen den der Originalimpfstoffe ähneln und damit mild und von kurzer Dauer sein

Erklärtes EU-Ziel ist es, auf eine breite Palette angepasster Impfstoffe gegen verschiedene Corona-Varianten zurückgreifen zu können. Den EU-Mitgliedstaaten sollen so bei der Entwicklung ihrer Impfstrategien eine Vielzahl an Optionen zur Verfügung stehen. Dies sei das Schlüssel­element in der Bekämpfung der Pandemie, weil nicht vorhersehbar sei, wie sich das Virus in Zukunft entwickeln wird und welche Varianten im Winter zirkulieren werden. Dabei verweist die EMA auch auf andere mögliche Varianten und an BA.4/BA.5 angepasste Impfstoffe. Diese prüfe sie bereits oder werde sie in Zukunft prüfen. Die klinischen Daten zur Zulassung von Original/BA.1-Impfstoffen sollen bei zukünftigen Zulassungen unterstützen.

Monovalente Impfstoffe bleiben

In diesem Sinne betont die EMA auch, dass die ursprünglichen Impfstoffe ­gegen COVID-19 (Comirnaty und ­Spikevax) nicht ausgedient haben. ­Diese seien nach wie vor wirksam zur Verhinderung schwerer Verläufe, von Krankenhausaufenthalten und Todes­fällen. Insbesondere bei Erstimpfungen sollen sie in der EU weiterhin eingesetzt werden. Doch wer wann welchen Impfstoff erhalten soll, ­ist den nationalen Behörden überlassen.

Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist die Zulassung des BA.1-Impfstoffs ein Quantensprung im Kampf gegen die Pandemie. „Jetzt können Impfstoffe eingesetzt werden, die gegen alle bisher bekannten Virus­varianten sehr gut wirken. Ab der nächsten Woche können die Impfungen mit den neuen Impfstoffen beginnen. Jetzt ist der optimale Zeitpunkt, Impflücken für den Herbst zu schließen.“

Klinische Studien zu ­adaptierten Impfstoffen

Ihre Zulassungsempfehlung für den Biontech-Impfstoff stützt die EMA auf zwei Studien mit mehr als 1800 Menschen ab einem Alter von 55 Jahren, von denen jedoch nur 300 „Comirnaty Original/Omicron BA.1“ in der endgültigen Zusammensetzung erhalten haben. Bei Moderna stützt sich die EMA auf eine Studie mit mehr als 800 ­Erwachsenen ab 18 Jahren.

Tatsächlich handelt es sich bei der ­Zulassungsempfehlung der EMA um keine neue, sondern eine Ergänzung der bereits bestehenden bedingten ­Comirnaty- und Spikevax-Zulassungen. Diese werden künftig also die Verwendung angepasster Impfstoffe beinhalten.

Warten auf klinische Daten zu BA.4/BA.5-Impfstoffen

In Deutschland hat die seit Mitte Juni dominierende Omikron-Sublinie BA.5 andere Varianten fast vollständig verdrängt. Impfstoffe gegen BA.5 erscheinen deshalb nützlicher als gegen BA.1. Doch dass man in den USA angepasste Impfstoffe gegen BA.5 und BA.4 zugelassen hat, liegt daran, dass die Einreichung der Zulassungsanträge dort der Leitlinie der FDA für Impfstoffentwickler folgt. Demnach sollen nicht nur klinische Daten des an die Omikron-Variante BA.1 angepassten bivalenten Impfstoffs in Zulassungsanträge einbezogen werden, sondern auch präklinische Daten und Daten zur Herstellung des an die Omikron-Varianten BA.4/BA.5 angepassten bivalenten Impfstoffs. So soll die fortschreitende Weiterentwicklung von SARS-CoV-2 adressiert werden.

Eine klinische Studie zur Untersuchung der Sicherheit, Verträglichkeit und Immunogenität des bivalenten, an die Omikron-Varianten BA.4/BA.5 angepassten Impfstoffs bei Personen ab zwölf Jahren sollte nach Angaben von Biontech/Pfizer im August starten. Man hofft, Ergebnisse im Oktober präsentieren zu können. Klinische Daten zu den Omikron-Impfstoffen BA.4 und BA.5 fehlen also noch. Auf diese Daten wartet die EMA. Denn im Gegensatz zur FDA wird sie erst über eine Zulassung entscheiden, wenn klinische Daten zur Wirksamkeit der BA.4/BA.5-angepassten Impfstoffe vorliegen.

USA: Auffrischung nur noch mit bivalenten Impfstoffen

Auch in den USA handelt es sich um keine neu erteilten Notfallzulassungen, sondern Anpassungen der bereits bestehenden Zulassungen. Doch es gibt einen weiteren Aspekt, der die Empfehlungen in den USA von denen in Europa unterscheidet: Die monovalenten mRNA-Impfstoffe sollen ausdrücklich nicht mehr für Auffrischungsimpfungen für Personen ab zwölf Jahren angewendet werden. Der neue bivalente Impfstoff soll in den USA mindestens im Abstand von zwei ­Monaten verabreicht werden. „Die FDA hat umfangreiche Erfahrungen mit Stammänderungen bei jährlichen Grippeimpfstoffen. Wir sind zuversichtlich, was die Beweise angeht, die diese Zulassungen stützen“, sagte ­Peter Marks, Direktor des FDA-­Zentrums für Biologics Evaluation and ­Research.

Warten auf die STIKO

Die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland hatte erst kürzlich betont, dass Menschen ab 60 Jahren für eine vierte Immunisierung gegen ­COVID-19 nicht auf den angepassten COVID-19-Impfstoff warten sollen. Sobald variantenangepasste Impfstoffe zugelassen und verfügbar sind, werde die STIKO jedoch die Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit prüfen und eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen aussprechen. |

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