Beratung

Hilfe gegen das Krabbeln

Damit der Schulstart nicht lausig wird

Traditionell rufen Kopfläuse bei den Betroffenen Ekel und Scham hervor. Man neigt zur Vertuschung. All das steht einer planvollen Behandlung im Wege. Für die Apotheke als niederschwellige Anlaufstelle tut sich ein dankbares Feld der Beratung auf – zur Eradikation der Läuse wie auch der Vorurteile! Es stehen wirksame Insektizide und physikalisch wirkende Mittel zur Verfügung, die aber nur helfen, wenn sie korrekt angewendet werden.
Foto: Science Photo Library/Karsten Schneider

Kopfläuse sind perfekt an den „Lebensraum Haare“ angepasst. Die Endglieder ihrer sechs Beine sind zu Klauen geformt, mit denen sie sich ins Haar einfädeln und daran entlang laufen – deshalb lassen sich Läuse auch nicht einfach aus den Haaren ­waschen. Hier eine farbige rasterelektronenmikroskopische Aufnahme (SEM) von ­Pediculus humanus capitis.

Die Pediculosis capitis tritt meist als Kleinepidemie in Familie, Kinder­garten oder Schule auf – und löst eine seltsame, schwer bezähmbare Panik unter Eltern und Erziehern aus. Als drehte es sich um eine schwere Infektionskrankheit à la Masern. Auch aufgeklärten Eltern schießt unwillkürlich durch den Kopf: Wer war der erste – wer ist „schuld“? Die befallenen Kinder trifft es doppelt: Sie werden gemieden, aus der Schule genommen und als unsauber hingestellt. Wirklichen Schaden fügt die Laus dem Kind aber nicht zu. Bei den zehn Läusen pro Kopf, die in unseren Breiten üblich sind, kommt es weder zu Haarfilz noch zu eitrigen Entzündungen. Das Schlimmste, was Läuse im Normalfall anrichten, ist Juckreiz, bevorzugt hinter den Ohren, am Hinterkopf und im Nacken. Denn alle zwei bis drei Stunden saugen sie auf der Kopfhaut Blut und bringen dabei mit ihren stechend-saugenden Mundwerkzeuge Speichelsekrete in die Wunde ein, die Fremdkörperreaktionen und Juckreiz hervorrufen. Auch Krankheitserreger werden bei uns nicht übertragen. Und Kopflausbefall hat nichts mit mangelnder Hygiene zu tun. Jeder kann Läuse ­bekommen. Eine Übertragung erfolgt hauptsächlich von Mensch zu Mensch bei engem Kopfkontakt, kaum über Gegenstände. Denn Läuse können ­weder fliegen noch springen, sind auf glatten Oberflächen hilflos. Fallen sie vom Kopf, sind sie nach wenigen Stunden so dehydriert, dass sie kein Blut mehr saugen können. Zwar sind Eltern verpflichtet, die Gemeinschaftseinrichtung ihres Kindes über den Lausbefall zu informieren, ein Besuchsverbot für Gemeinschaftseinrichtungen hat für die Kontrolle einer Pedikulose aber keine Bedeutung.

Wie stellt man Lausbefall fest?

Als zuverlässigste Methode sollte bei Lausverdacht systematisches feuchtes Auskämmen aller Haare empfohlen werden (Bug busting). Dabei wird das Haar mit einer Haarpflegespülung durchfeuchtet und mit einem normalen Kamm in Strähnen gelegt. Mit ­einem apothekenüblichen Lauskamm (Zinkenabstand 0,2 mm; parallele Zinken aus Kunststoff oder Metall) wird dann Strähne für Strähne von der Kopfhaut aus zu den Haarspitzen durchgezogen. Das braucht je nach Behaarung mindestens eine halbe Stunde. Nach jedem Zug wird die Pflegespülung auf einem weißen Tuch oder Küchenkrepp ausgestrichen. Kopfläuse werden sichtbar – und entfernt.

Welches Mittel für wen?

Für die Behandlung bei Kopflausbefall stehen zur Verfügung

  • Arzneimittel mit neurotoxisch ­wirkenden Insektiziden (Pyrethrine und Pyrethroide), sowie
  • Medizinprodukte mit physikalisch wirkenden Ölen (Dimeticon, ­Paraffinöl)
  • pflanzliche Pedikulozide.

Im Falle der Arzneimittel gilt die Wirksamkeit schon durch die Zulassung als belegt, aber auch für viele der Medizinprodukte liegen Studien vor. Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin aber bewertet insgesamt die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit der einzelnen Therapeutika und Therapieansätze ­unter praktischen Bedingungen als begrenzt. Sie betont, dass ohne eine ­sichere Diagnosestellung sowie eine Sicherung des Therapieerfolgs die Wirksamkeit jeglicher Behandlungsmaßnahme unklar bleibe.

Die Auswahl des Läusemittels hängt ab

  • von der Art der Anwendung ­(Lösung, Spray),
  • der Verweildauer im Haar (kurze oder lange Einwirkzeit)
  • der Erstattungsfähigkeit (nicht bei jedem Mittel gegeben, s. Tab.) und nicht zuletzt von
  • der Kundenpräferenz.

Werden neurotoxisch wirkende Insektizide aus Gründen der Verträglichkeit und des Umweltschutzes abgelehnt, können die physikalisch wirkenden Mittel oder pflanzliche Pedikulozide eine gute Alternative sein. Dimeticone eignen sich auch in Schwangerschaft oder Stillzeit.

Tab.: Übersicht über Kopflausmittel (Beispiele)
Präparat
Inhaltsstoffe
geeignet ab
GKV-Erstattung
Anwendung/Besonderheit
neurotoxisch wirkende Insektizide
BiomoPedicul®0,5% Lösung2)apothekenpflichtiges Arzneimittel
Permethrin
ab dem 3. Monat
bedingt1)
Lösung ins leicht feuchte Haar einmassieren, EWZ: 30 bis 45 Minuten, ausspülen, drei Tage Haare nicht waschen, nach acht bis zehn Tagen wiederholen,
bis zum Alter von 3 Jahren Höchstdosis von 25 ml
Goldgeist forte Lösung apothekenpflichtiges Arzneimittel
Pyrethrumblüten-Extrakt
1 Jahr
bedingt1)
trocken einmassieren, EWZ: 30 bis 45 Minuten, auswaschen, nach acht bis zehn Tagen wiederholen,bei Kleinkindern max. 25 ml anwenden
InfectoPedicul Lösung2)apothekenpflichtiges Arzneimittel
Permethrin
3 Monate
bedingt1)
ins leicht feuchte Haar einmassieren, EWZ: 30 bis 45 Minuten, mit Wasser ausspülen, Haare drei Tage nicht mit Shampoo waschen,
nach acht bis zehn Tagen wiederholen, bei Kleinkindern bis 3 Jahren maximal 25 ml anwenden
physikalisch wirkende Mittel
Dimet 20 Lösung Medizinprodukt
Dimeticon, Dodecanol
6 Monate
bedingt1)
trocken einmassieren, durchfeuchten, EWZ: 20 Minuten, auskämmen, auswaschen, nach acht bis zehn Tagen wiederholen
EtoPril Lösung Medizinprodukt
Dimeticon, Cyclomethicon 5 (flüchtige Trägersubstanz, brennbar!)
6 Monate
bedingt1)
auf trockenem Haar und Kopfhaut verteilen, nach acht Stunden auswaschen,
nach sieben Tagen wiederholen
Hedrin® Once Liquid Gel2)Medizinprodukt
Dimeticon
6 Monate
bedingt1)ab 6 Monate
auf trockenes Haar auftragen,
EWZ: 15 Minuten
Nachuntersuchung eine Woche nach Anwendung,
Behandlung wiederholen, wenn lebende Läuse entdeckt werden
Jacutin® Pedicul Fluid2)apothekenpflichtiges Medizinprodukt
Dimeticon
für jedes Alter
nein
trocken einmassieren, durchfeuchten, EWZ: mindestens 10 Minuten, auskämmen, auswaschen, nach acht bis zehn Tagen wiederholen
Mosquito® med Läuseshampoo 10
Medizinprodukt
Paraffinöl
1 Jahr
bedingt1)
trocken einmassieren, EWZ: 10 Minuten, Shampoo mit wenig Wasser aufschäumen, ausspülen
Nyda Läusespray2)apothekenpflichtiges Medizinprodukt
Dimeticon (hoch- und niedrigviskos), mittelkettige Triglyceride
keine Angabe
bedingt1)
trocken einmassieren,
EWZ: 10 Minuten, auskämmen, auswaschen
nach acht bis zehn Tagen wiederholen
pflanzliche Wirkstoffe
Licener Shampoo gegen Kopfläuse Medizinprodukt
Neem-Extrakt
2 Jahre
nein
auf trockenes Haar auftragen, einmassieren, EWZ: 10 Minuten, lauwarm ausspülen
Livsane Läuse- und Nissenshampoo Medizinprodukt
Kokosöl
keine Angabe
nein
auf trockene oder nasse Haare auftragen, EWZ: 15 Minuten, ­danach auswaschen

1)für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen, Anlage V zum Abschnitt J der Arzneimittel-Richtlinie Stand: 23. August 2022, 2) in amtlicher Entwesungsliste laut § 18 Infektionsschutzgesetz, EWZ: Einwirkzeit

Klassiker: Pyrethrine und ­Pyrethroide

Natürlicher Chrysanthemen-Extrakt (Pyrethrum) und synthetische Pyre­throide wie Allethrin und Permethrin sind neurotoxisch wirkende Pedikulozide, die an Natrium-Ionenkanälen von Nervenmembranen angreifen. Sie vernichten Läuse mitsamt ihren Larven schnell und zuverlässig. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. sieht die Insektizide als bedenklich und überholt an: Pyrethroide würden über die Haut resorbiert, seien toxikologisch bedenklich, potenziell allergisierend (Pyrethrum) und könnten bei akzidenteller oraler Aufnahme neurologische Komplikationen wie Paralyse und Polyneuropathie auslösen. Unstrittig ist, dass sich gegen Pyrethroide Resistenzen entwickeln können. Dies gilt als Hauptgrund, weshalb die Stiftung Warentest insektizide Lausmittel (z. B. Goldgeist forte Lösung, InfectoPedicul Lösung) im Gegensatz zu früheren Jahren eher als zweite Wahl ansieht – obgleich sie als Arzneimittel zugelassen sind.

Pflanzliche Pedikulozide

Auch auf pflanzlichen Inhaltsstoffen basierende Pedikulozide stehen zur Verfügung. Ihre Wirkstoffe sind unter anderem ätherische und fette Öle bzw. Derivate. Kokosöl hat erstickende Effekte und soll kurzkettige Fettsäuren mit insektizider Wirkung enthalten, Neemöl soll erstickend wirken, aber auch insektizid durch Störung der Chitin-Synthese.

Physikalisch wirkende ­Erstickungsmittel

Silikonöle werden dank ihrer geringen Oberflächenspannung schon lange als Entschäumer und gegen Blähungen eingesetzt. Auch in Pedikuloziden nutzt man ihre extreme Kriechfähigkeit: Dimeticone dringen in die feinen Stigmen und Tracheen an den Flanken der Laus ein und unterbinden die Atmung, sodass sie erstickt. Dimeticone gelten dabei als ungiftig: Sie sind biochemisch inert und werden nach oraler Aufnahme oder Applikation auf die Haut nicht resorbiert. Resistenzbildungen sind unwahrscheinlich. Aber es gibt auch Nachteile für den Anwender: Dimeticone, insbesondere solche, die Cyclomethicon als Lösungsmittel enthalten, sind entflammbar. Während der Einwirkzeit des Produkts müssen die Haare unbedingt von Zündquellen (z. B. Zigaretten, gasbetriebene Warmwasserbereiter, Föhn) ferngehalten werden. Ein weiterer wichtiger Hinweis in der Offizin ist, das Haar gut zu durchfeuchten, also wirklich komplett zu benetzen. Bei Sprays ist zu vermeiden, dass sie versehentlich eingeatmet werden. Das gleiche Wirkprinzip wie Dimeticon liegt bei einem Lausmittel auf Mineralöl-Basis vor (Mosquito® med Läuseshampoo), das außerdem die Wachsschicht der Laushülle auf­lösen und sie austrocknen soll.

Wann und wie oft anwenden?

Adulte Läuse leben zwischen drei und vier Wochen. Weibchen produzieren in dieser Zeit bis zu 200 Eier. Diese heften sie mit einem wasserunlöslichen Kitt bis höchstens 1 cm von der Kopfhaut entfernt an das Haar. Etwa sieben bis acht Tage nach der Eiablage schlüpfen Larven (Nymphen), die aussehen wie kleine erwachsene Läuse. Sie werden nach etwa zehn Tagen geschlechtsreif. Von der Eiablage bis zur nächsten fortpflanzungsfähigen Laus vergehen also minimal 17 und maximal 21 Tage. Die Kenntnis des Lebenszyklus ist wichtig für das „Timing“ der Behandlung. Bei einer zweimaligen Anwendung sollte die zweite Kur frühestens am siebten und spätestens am zehnten Tag er­folgen, wenn 99% der Nymphen geschlüpft sind. Das Robert Koch-Institut empfiehlt Auskämmen und Topika zu kombinieren und nach diesem Schema vorzugehen:

  • Tag 1: mit einem Insektizid behandeln und anschließend nass auskämmen,
  • Tag 5: nass auszukämmen, um früh nachgeschlüpfte Larven zu entfernen, bevor sie mobil sind,
  • Tag 8, 9 oder 10: erneut mit dem Insektizid behandeln, um spät geschlüpfte Larven abzutöten,
  • Tag 13: Kontrolluntersuchung durch nasses Auskämmen,
  • Tag 17: eventuell letzte Kontrolle durch nasses Auskämmen.

Offiziell empfohlen wird, Läusemittel immer zweimal anzuwenden, um Läuse und Eier sicher abzutöten. Mit Hedrin® Once und Licener® stehen jedoch zwei Präparate zur Verfügung, bei denen die Hersteller angeben, dass eine einmalige Anwendung ausreicht. Bei Hedrin® Once wird darauf hingewiesen, dass eine Woche nach der Behandlung eine Nachuntersuchung erfolgen soll, um sicherzustellen, dass keine Läuse oder Nissen übersehen wurden. Wenn lebende Läuse entdeckt werden, kann die Behandlung nochmals durchgeführt werden.

Bei Licener® wird hierauf verzichtet, da eine einmalige Anwendung ausreiche, sowohl Kopfläuse als auch deren Nissen zuverlässig zu beseitigen, so der Hersteller. |

 

Literatur

Kopflausbefall. Ratgeber des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: November 2008, www.rki.de

Anlage V zum Abschnitt J der Arzneimittel-Richtlinie. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Stand: 23. August 2022, www.g-ba.de/downloads/83-691-763/AM-RL-V_2022-08-23.pdf

Lausige Zeiten – Mittel gegen Läuse. Stiftung Warentest 2018;9:90-94

Evidenzbasierte Kontrolle der Pediculosis capitis und deren Sekundärprävention. Stellungnahme der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), Stand: April 2020, www.dakj.de

Apotheker Ralf Schlenger

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