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Aus den Ländern
„Die Corona-Sondereffekte sind Geschichte“
26. Wirtschaftstage des Landesapothekerverbands Sachsen-Anhalt
Die 26. Wirtschaftstage des LAV Sachsen-Anhalt am 2. und 3. September 2022 in Halle fanden in Zeiten einer besonders angespannten allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Lage statt. Es herrscht nach wie vor Krieg in der Ukraine, die Inflationsrate und die Energiepreise steigen, die Lieferketten bröckeln. Die Folgen treffen alle. Die gesamte Gesellschaft sowie die Ampel-Koalition im Bund stehen vor massiven Herausforderungen. Die erwartete Finanzierungslücke der Gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 17 Milliarden Euro zu schließen ist nur eine davon.
Spargesetz: Nette Geste der Länder hilft nicht weiter
Verbandschef Arnold warf in seinem Vortrag zur aktuellen Lage der Apotheken u. a. einen Blick auf die aktuellen gesundheitspolitischen Vorhaben. Das ist allen voran das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das für die Apotheken eine Erhöhung des Kassenabschlags von derzeit 1,77 Euro auf 2 Euro in den kommenden beiden Jahren vorsieht. Aber auch die angedachte Erhöhung des Herstellerabschlags von 7 auf 12 Prozent für ein Jahr bekommen die Apotheken zu spüren – schließlich übernehmen sie das Inkasso und damit auch das Inkassorisiko, wie Arnold betonte. Das muss kein Problem sein, kann aber eines werden, wenn auch die Pharmabranche nicht mehr vor Insolvenzen gefeit ist. Ein positiver Aspekt des Gesetzentwurfs: Die Frist zum Austausch von Biosimilars in der Apotheke wird um ein Jahr verlängert. Dass der Gesundheitsausschuss des Bundesrats dem Bundesratsplenum nun empfiehlt, die Erhöhung des Apothekenabschlags zu streichen, ist für Arnold zwar „nett“ – aber er weiß auch: Die Länder können das Gesetz nicht verhindern, es ist nicht zustimmungspflichtig. Wenn hier noch Änderungen vorgenommen werden, dann laufen diese über das Parlament. Die 1. Lesung im Bundestag ist für 22. September vorgesehen, die 2./3. am 20. Oktober. In Kraft treten wird es wohl spätestens zum Jahreswechsel. Arnold appellierte an die Apothekerinnen und Apotheker, ihre Wahlkreisabgeordneten zu kontaktieren und für ihre Probleme zu sensibilisieren.
Digitaler Omnibus
Mehr Gutes kann Arnold dem Entwurf für das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz abgewinnen – dieses entwickelte sich als „Omnibus“ für einige spannende Regelungen aus dem Bereich der Digitalisierung. So sollen Apotheken die Möglichkeit bekommen, Identifizierungen für Versicherungen vorzunehmen, um den Versicherten zu einer „digitalen Identität“ zu verhelfen – und damit Zugang zu verschiedenen Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI). Das bis vor Kurzem häufig von Krankenkassen verwendete Video-Identverfahren hat die Gematik erst kürzlich aus Datenschutzgründen für unzulässig erklärt. Dass die Apotheken solche Aufgaben übernehmen können, hätten sie bei der Ausstellung der Impfzertifikate unter Beweis gestellt, betonte Arnold. „Wir waren ein Stück weit Notar“ – und sie wurden auch dafür bezahlt. In einer Verordnung müssten dann allerdings noch Details geregelt werden, etwa, dass es sich um eine freiwillige Leistung handeln muss, die Apotheken hierfür vergütet werden und dass das Verfahren rechtlich sicher ist.
„Es kann nur eine geben“
Eine „relativ sympathische Highlander-Lösung“ findet Arnold auch die vorgesehene Regelung zu den Schnittstellen zum E-Rezept-Fachdienst. Sie sieht vor, dass der Token, also die elektronischen Zugangsdaten zum E-Rezept, nicht über diese Schnittstellen übermittelt werden dürfen. Es kann also nur einen geben beim E-Rezept: die Gematik. Man könne davon ausgehen, dass es damit unter den Leistungserbringern fair zugehen werde. Die Alternative wäre ein Wildwuchs an Plattformen. Insgesamt ist aus Arnolds Sicht zu hoffen, dass sich an dem Gesetzentwurf nicht mehr allzu viel ändert – auch wenn an Details noch zu schleifen sein wird.
Doch wo stehen die Apotheken nun konkret? Die Politik betrachtet sie offensichtlich als Gewinner der Pandemie. Sie hätten guten verdient und könnten etwas abgeben – zudem sehen sie Effizienzreserven schlummern. Für den Berufsstand stellt sich die Lage jedoch anders dar. „Die Corona-Sondereffekte sind Geschichte“, betonte Arnold. Überdies seien die Gewinne durch harte Mehrarbeit entstanden – und nicht etwa durch ein Geschenk. Bei der Impfstoffbelieferung seien die Apotheken sogar unterfinanziert. Zugleich bekommen die Apotheken die kostensteigernden Auswirkungen der gegenwärtigen Krise zu spüren. Doch die Preisbindung macht es ihnen unmöglich, die Kosten weiterzugeben. Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen seien zwar ein Schritt nach vorne, für viele Apotheken aber schwer zu bewerkstelligen, es fehlt schlicht an Ressourcen – räumlich, personell und zeitlich.
Botschaft an die Politik: Entlastung statt Belastung!
Eine der Botschaften an die Politik sei daher: „Aus ökonomischer Sicht müssten wir nicht 23 Cent mehr bezahlen, sondern entlastet werden.“ Es müsse „richtig“ gespart werden und nicht „am falschen Ende“. Aber dem LAV-Chef ist auch klar, dass die gegenwärtige Finanzlage es schwer macht, mehr Geld zu bekommen. Man müsse daher über andere Lösungen nachdenken. Zum Beispiel: Wie lässt sich Bürokratie abbauen? Ist eine Wirtschaftsförderung (aus einem anderen Topf) möglich? Die kleinen und mittelständischen Unternehmen müssten doch einmal an der Reihe sein. Was lässt sich aus dem Nacht- und Notdienstfonds noch entwickeln? Was aus den pharmazeutischen Dienstleistungen?
Und man müsse sich auch klar machen: Einem Spargesetz folgt in der Regel ein Strukturgesetz. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat ein solches schon angekündigt. Die Politik platziere diese Art von Gesetzen gerne in der Mitte einer Legislaturperiode, damit es bis zur nächsten Wahl wieder vergessen ist, so Arnold. Wenn man im Gesundheitsministerium nun die alten Schubladen aufziehe, fänden sich darin beispielsweise das 2hm-Gutachten, Ideen zum Fremd- und Mehrbesitzverbot und eine Arzneimittel-Höchstpreisverordnung – also Strukturthemen.
Vorbereitet sein, wenn es an die Strukturen geht!
„Dann reden wir nicht mehr über 23 Cent mehr Rabatt, sondern über Dinge, die richtig gefährlich sind“, unterstrich der LAV-Vorsitzende und ABDA-Vize. „Darauf müssen wir uns vorbereiten.“ Wenn es wirklich so weit komme, müsse man auch bereit sein, dagegen auf die Straße zu gehen und zu kämpfen. Aber erst einmal gelte es, daran zu arbeiten, dass niemand auf die Idee kommt, die bestehende Apothekenstruktur sei reformbedürftig. „Das ist sie nicht, sie leistet extrem viel Gutes, das haben wir in der Corona-Pandemie bewiesen“, betonte Arnold. Sie werde von den Bürgern anerkannt und biete Vertrauen – „und alles das für einen kläglichen Anteil am GKV-Gesamtfinanzierungstopf“. Aber man werde auch nicht umhinkommen, auch eigene politische Ideen zu entwickeln. Es werde nicht reichen, gegen das, was kommt zu kämpfen – man müsse eigene Vorschläge präsentieren. Arnold zufolge wird man sich über diese wohl Anfang nächsten Jahres unterhalten müssen.
Der lange Weg zu den pharmazeutischen Dienstleistungen
Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen beleuchtete Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), genauer. Er betonte, dass diese schon seit 30 Jahren ein Thema seien. Er erinnerte u. a. an das Barmer-Hausapothekenmodell, das leider nicht überlebte und seiner Zeit offenbar voraus war. Meilensteine waren dann ARMIN und die Pharm-CHF-Studie. Dass die Apotheken nach so langer Zeit nun wirklich zusätzlich zum Honorar für die Packungsabgabe für Dienstleistungen honoriert werden, sei letztlich auch ein „Deal“ gewesen: Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe „schon ein schlechtes Gewissen gehabt“, weil der meinte, das Rx-Versandverbot nicht umsetzen zu können, erklärte Hubmann. Nun ist die „neue Welt“ für die Apotheken also da – erstmals dürfen sie selbst entscheiden, wer eine Leistung braucht, sind selbst Leistungsauslöser. Der bayerische Verbandschef schilderte einige Eindrücke aus den Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband und der Schiedsstelle. Während die Medikationsberatung unumstritten gewesen sei, wurde um anderes hart gerungen. Der DAV habe sich für ein Mischportfolio aus einfacheren und komplexeren Angeboten ausgesprochen, nicht alle sollten eine Fortbildung erfordern. Das Blutdruckmessen habe er dabei noch breiter aufstellen wollen, als Screeningmaßnahme. Doch es sei eine Strategie der Kassenseite gewesen, die Dienstleistungen möglichst speziell zu gestalten, sodass sie nur für wenige Versicherte infrage kommen – so wie bei den beiden Angeboten, die sich an Organtransplantierte und Tumorpatienten richten. Mit den hier erwarteten Fallzahlen könnten sich die Dienstleistungen kaum etablieren, betonte Hubmann. Und genau das wollten die Kassen. Der DAV habe die beiden „Kolibri-Leistungen“ letztlich akzeptiert, um die Entscheidung der Schiedsstelle nicht zu gefährden.
Für die Details zu den Dienstleistungen sowie deren Abrechnung verwies Hubmann auf die umfassenden Informationen auf der ABDA-Webseite. Was die Preise angeht, sei dem DAV wichtig gewesen, dass diese nicht bloß die Kosten decken. Die pharmazeutischen Dienstleistungen seien schließlich auch als zweites wirtschaftliches Standbein für die Apotheken gedacht. Von Bedeutung sei auch die Priorisierung bei der Abrechnung – mit ihr werde das „Windhundprinzip“ vermieden. Es bekomme nicht der das Geld, der am schnellsten ist, sondern es gebe eine gleiche Garantiezusage für alle Apotheken. Angesichts des bereits jetzt gut gefüllten Finanztopfs versicherte Hubmann: „Keiner von Ihnen muss sich Gedanken machen, dass das Geld in den nächsten ein, zwei Jahren nicht reicht.“
Sein Fazit: Es war ein langer Weg zu den pharmazeutischen Dienstleistungen – mit einem guten Abschluss. Doch noch sind nicht alle Steine aus dem Weg geräumt. Bekanntlich klagt der GKV-Spitzenverband gegen den Schiedsspruch. Zudem stellte sich ein lautstarker Abwehrreflex in der Ärzteschaft ein. Nicht zuletzt bleibt für die Apotheken der Personalmangel eine Herausforderung.
Was macht die Gedisa?
In einem weiteren Vortrag stellte Sören Friedrich, Geschäftsführer der Gedisa, die weiteren Pläne der wirtschaftenden IT-Tochter von 16 Landesapothekerverbänden und -vereinen vor. Das Apothekenportal hat Gedisa zum 1. Juli vom DAV übernommen. Nun geht es darum dieses – ebenso wie das Kundenportal mein-apothekenmanager.de und das mittlerweile gesondert betriebene Verbändeportal – weiterzuentwickeln. Kommende Woche auf der Expopharm soll eine neue App für das Kundenportal vorgestellt werden. Schon jetzt sei das Portal die Nummer 1 bei der Apothekensuche – doch bald soll es noch mehr können. Ziel der Gedisa sei u. a., Kunden an die Apotheke zu binden – dabei soll auch das rote Apotheken-A helfen, das von der Gedisa verwendet werden kann. Das große Vertrauen in die Apothekerschaft soll auf digitale Wege transportiert werden, erläuterte Friedrich. Überdies geht es darum, dem Versandhandel etwas entgegenzusetzen und die Apotheke vor Ort zu stärken.
Bewiesen hat sich das Apothekenportal bereits bei den COVID-19-Zertifikaten: Mehr als 100 Millionen hiervon haben die Apotheken bereits ausgestellt. Für die zum Herbst startenden Grippeimpfungen als Regelleistungen stehe das Dokumentationsportal ebenfalls schon bereit. Hierüber wird auch die Meldung an das Robert Koch-Institut laufen können.
Daten pflegen!
Da es immer wieder Fragen hierzu gebe, betonte Friedrich nochmals, dass die Apotheken selbst für die Pflege ihrer Daten im Portal sorgen müssen. Dies ist nicht nur wichtig für die Repräsentanz in mein-apothekenmanager.de, sondern auch für die Gematik-App, die aller Voraussicht nach die einzige E-Rezept-App bleiben wird. Die Kerndaten zur Apotheke kommen von der Kammer, aber alle Mehrwertdaten, etwa zu den angebotenen Dienstleistungen, aber auch Logo, Öffnungszeiten, Infos zur Lage etc. kommen über das Apothekenportal. Und dieses muss die Apotheke selbst auf aktuellem Stand halten.
Als weitere Entwicklung kündigte Friedrich einen neuen Kommunikationsdienst (Matrix) an – eine Art sicheres WhatsApp für den Austausch zwischen Apotheken und ihren Kunden, Verbänden, Ärzten, Krankenkassen etc. Hierüber sollen auch Daten übertragen werden können, z. B. von Kunden E-Rezepte, ebenso Videos, etwa im Rahmen telepharmazeutischer Angebote. Zudem soll in Kürze ein Tool zum Zeitmanagement kommen, über das u. a. Terminvereinbarungen, Dienstplanungen und Einnahmeerinnerungen laufen können. Die Vision sei letztlich, ein digitales Ökosystem für die öffentlichen Apotheken zu schaffen.
Was kann die MPV?
Einen weiteren Fokus legten die Wirtschaftstage auf Medizinprodukte. Gudrun Zimmermann von der ABDA stellte ganz praktisch die Medizinprodukteverwaltung (MPV) vor. Diese Webanwendung stellt der DAV den Apotheken zu Verfügung (ww.dav-mpv.de). Sie ist mithilfe der Zugangsdaten für das Online-Vertragsportal (OVP) erreichbar und soll helfen, den durch viele unterschiedliche Verträge mit den Krankenkassen geprägten Versorgungsbereich einfach zu handeln.
Abgerundet wurden die Wirtschaftstage durch eine Fachmesse mit verschiedenen Ausstellern sowie einem abendlichen Besuch mit Abendessen im Bergzoo Halle. |
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