DAZ aktuell

Wie soll das E-Rezept ausgerollt werden?

Bundesweite Testphase endet im August

Die bundesweite E-Rezept-Test­phase endet im August. Ab dem 1. September 2022 findet dann der Roll-out statt, mit dem die Praxen und Krankenhäuser nach und nach verpflichtet werden, nur noch digitale Arzneimittelverordnungen auszustellen. Die Apotheken sind dagegen von Anfang an und deutschlandweit in der Pflicht, E-Rezepte zu empfangen und zu verarbeiten. Die Ausweitung auf wei­tere Bundesländer ist an die Erfüllung von drei Erfolgskriterien geknüpft.

Seit Dezember 2021 konnten alle Praxen und Apotheken bundesweit an der erweiterten Testphase teilnehmen. Seit Januar 2022 galt es, mehrere Kriterien zu erfüllen, unter anderem sollten 30.000 E-Rezepte eingereicht, verarbeitet und abgerechnet sein. Mitte Juni 2022 war es so weit, und die gesetzte Zielmarke wurde erreicht. Aufseiten der Krankenkassen musste mit Abschluss der Testphase gewährleistet sein, dass alle Beteiligten in der Lage sind, E-Rezepte abrechnen zu können.

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Im Bereich der Apotheken sollte ein großer Prozentsatz der Apothekensoftwarehäuser „E-Rezept-ready“ sein, gleiches galt für Praxisver­waltungssysteme. Zur transparenten Einstufung, welche Systemanbieter bereits Telematikinfrastruktur(TI)-ready sind, wurde der sogenannte „TI-Score“ von der Gematik ins Leben gerufen, der sich auf einer Website verfolgen lässt. Im Apothekenbereich sind nach Angaben des Deutschen Apothekerverbands (DAV) und des Bundesverbands Deutscher Apothekensoftware-Häuser (ADAS) die Apotheken bundesweit zum Start am 1. September 2022 mit der notwendigen Software ausgestattet.

Wechsel der Testregion ...

Um sich mit dem digitalen Versorgungsprozess vertraut zu machen, konnten die Praxen und Apotheken während der Testphase freiwillig lokale Partnerschaften bilden. Mittels Test-E-Rezepten wurde so der gesamte Prozess von der Ausstellung in der Praxis bis hin zum Einlesen der Rezepte in der Apothekenwarenwirtschaft gemeinsam durchgespielt.

Von politischer Erpressung als Ersatz für mangelnde Funktionalität war seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Schleswig-Holstein und Bayern die Rede, als Anfang Mai 2022 die geplante Einführung des E-Rezeptes vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und der Gematik bekannt gegeben wurde. Weder in den Apotheken noch in Arztpraxen oder Kliniken seien die technischen Voraussetzungen für den Beginn des Roll-outs gegeben, so die Argumenta­tion der KV. Daraufhin wendete sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) direkt an den Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit der Aufforderung diese Beschlussvorlage zurückzuziehen. Es solle ein neuer mit den Gesellschaftern abgestimmter Prozess definiert werden, der die Abläufe in den Praxen nicht negativ beeinträchtigen werde. Bei der darauffolgenden Gesellschafterversammlung Ende Mai 2022 konnte man sich auf die finalen Testregionen Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe in Kombination mit einer freiwilligen Teilnahme von Praxen und Kliniken einigen. Für die Apotheken änderte sich nichts.

... aber keine Anreizsysteme

Für das Vorantreiben der Digitalisierung und die flächendeckende Erprobung des E-Rezeptes forderte die KBV Anreize, die den Mehraufwand der teilnehmenden Praxen kompensieren sollten. Die Gematik erhielt daraufhin den Auftrag zu prüfen, ob finanzielle oder andere Anreize kurzfristig um­gesetzt werden könnten. In der fol­genden Gesellschafterversammlung wurde diesen Vorschlägen jedoch eine Absage erteilt. Näheres dazu, welche Anreize zur Diskussion vorgestellt wurden und aus welchen Gründen die Entscheidung dagegen gefallen ist, ist nicht weiter bekannt.

Erfolgskriterien für die Testregionen

Grundsätzlich können bundesweit alle Praxen und Krankenhäuser bei Vorhandensein der technischen Voraussetzungen das E-Rezept mit Be­endigung der Testphase nutzen. In der nunmehr einzigen Testregion West­falen-Lippe beginnt der Roll-out mit freiwilligen Pilotpraxen und Krankenhäusern. Die Ausweitung soll fortlaufend erfolgen, um baldmöglichst die flächendeckende Anwendung des E-Rezepts zu erreichen. Hierzu wurden drei Erfolgs­kriterien definiert, die vor der Ausweitung auf weitere Bundesländer erfüllt sein müssen:

  • 25 Prozent von der Gesamtzahl aller Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Gebiet müssen als E-Rezepte aus­gestellt werden. Präzisiert wird die prozentuale Angabe in einer Pressemeldung der Gematik vom 3. August 2022 folgendermaßen: „… gemeint sind 25 Prozent der E-Rezepte im Verhältnis zur Gesamtanzahl der dispensierten Verordnungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulasten der GKV bezogen auf Arzneimittel in der jeweiligen K(Z)V-Region je Sektor (ärztlich/zahnärztlich), die zur Abrechnung eingereicht wurden. Die Erhebung erfolgt bezogen auf den Zeitraum des letzten Abrechnungslaufs.“
  • Die Patienten der Testregion müssen über das E-Rezept informiert werden. Welche Mittel dazu zum Einsatz kommen oder wer diese Information vornehmen wird, ist bisher nicht bekannt. Wie die Maßnahme abschließend als erfolgreich eingestuft werden kann, ist noch offen.
  • Die Anzahl von Patienten, die aufgrund von Fehlern beim E-Rezept in die Praxis zurückkehren mussten, um sich ein Muster-16-Rezept als Ersatz geben zu lassen, muss unter drei Prozent liegen.

Können diese Kriterien in Westfalen-Lippe erfolgreich umgesetzt werden, sollen frühestens ab dem 1. Dezember 2022 die nächsten, noch zu benennenden sechs KV-Regionen folgen. Auch hier wird die Teilnahme auf freiwilliger Basis erfolgen. Voraus­setzung ist ein vorangegangener gemeinsamer Beschluss der Gesellschafter der Gematik über den Start der nächsten Stufe. In Stufe drei sollen letztendlich die verbleibenden Bundesländer folgen und das E-Rezept bundesweit zum Einsatz kommen. Dass die bisher rege genutzte Weiterleitungsmöglichkeit per E-Mail jetzt entfällt, könnte bundesweit für Ver­zögerungen sorgen.

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Ab September wird die Ausstellung von E-Rezepten in West­falen-Lippe verpflichtend sein. Frühestens ab Dezember sollen dann sechs Regionen folgen.

Friedenspflicht bei Retaxationen

Sollten E-Rezepte technisch fehlerhaft sein, werden die Krankenkassen die Kosten für die Arzneimittel dennoch übernehmen. Sollte zum Beispiel der Name des ausstellenden Arztes nicht mit der Signatur seines Heilberufs­ausweises übereinstimmen, greift die Friedenspflicht bei Retaxationen. Diese Übereinkunft soll bis zu der Lösungsfindung durch den Fachdienst der Gematik gelten. Ohne diese Übergangslösung hätten Patienten mit dem fehlerhaften E-Rezept in die Praxis zurückkehren müssen, um sich eine neue, korrigierte Verordnung ausstellen zu lassen. Um die Akzeptanz des E-Rezeptes in der Bevölkerung, den Arztpraxen und Apotheken nicht zu gefährden, hat man sich auf dieses Vorgehen im Gesellschafterbeschluss verständigen können.

Steigt der E-Rezept-Anteil?

Bereits mehr als 8500 Apotheken (Stand Ende Juli 2022) haben laut DAV und ADAS bereits Schulungen zur fehlerfreien Anwendung des E-Rezepts absolviert. Überdurchschnittlich hoch sei der Anteil in den beiden Pilotregionen. Doch es gilt dran zu bleiben. Wie schnell der E-Rezept-Anteil in den Apotheken mit dem 1. September steigen wird, bleibt abzuwarten. Maßgeblich für das Erfüllen der Erfolgskriterien ist die Bereitschaft der Ärzte, die Ausbreitung des E-Rezeptes auf freiwil­liger Basis weiter voranzutreiben. Apotheken außerhalb der Pilotregionen können die verbleibende Zeit für sich nutzen und frühzeitig Schulungs­angebote für die Mitarbeiter in Anspruch nehmen, um für den weiteren Roll-out vorbereitet zu sein. |

Apothekerin Kathrin Wild

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