Praxis

Sind Kundenzeitschriften sinnvoll oder nicht?

Pro

Die Bindungswirkung der klassischen Medien wie Film, Funk, Fernsehen und Zeitschriften schwindet. Aus der Vielschichtigkeit der dafür verantwortlichen Gründe ergibt sich aber alles andere als automatisch, so dass man gerade deshalb auf sie verzichten sollte. Im Gegenteil! Man muss vielmehr genau überlegen, was auch in Zukunft angezeigt ist oder eben nicht. Dabei sollte die sogenannte Customer Journey aller Kundinnen und Kunden stets im Fokus sein. Deren Lebensgewohnheiten und damit Kauf- und Konsumgewohnheiten sind nämlich hinreichend heterogen, deshalb werden von der (potenziellen) Kundschaft mittlerweile ganz unterschiedliche Touchpoints von Unternehmen erwartet, so auch von Apotheken.

Kundenzeitschriften haben dabei nach wie vor ihre Bedeutung und zahlreiche Funktionen. Sie heben sich von flüchtigen, auf kurze, schnelle, ggf. prägnante, damit aber auch verkürzende Medien und deren Botschaften signifikant ab, ohne deshalb zu kompliziert zu werden. Kundenzeitschriften bieten mit ihrer Mischung aus Information, unterhaltsamen Bestandteilen wie Rätseln und gestalterischen Elementen das, was man gemeinhin als Infotainment bezeichnet. Für viele Zielgruppen stellen die entsprechenden Magazine einen ersten Ratgeber für ihre gesundheitlichen Fragen dar, die dann in der Apotheke durch individuelle Beratung veredelt werden können. So gesehen können Kundenzeitschriften auch für manche Zielgruppe und deren Erreichbarkeit als wichtiger denn je angesehen werden. Es ist richtig, dass viele in Kundenzeitschriften abgedruckte Informa­tionen auch im Internet verfügbar sind und die Internetaffinität der Bevölkerung bis in hohe Alterskohorten hoch bis sehr hoch ist. Das allein kompensiert aber nicht die themen­bezogene Aufbereitung in Kunden­zeitschriften. Diese sind in vielen Haushalten dann auch nicht nur ein kurzer Begleiter, sondern schaffen es schon mal über einen etwas längeren Zeitraum, gelesen zu werden.

„Für viele Zielgruppen stellen die entsprechenden Magazine einen ersten Ratgeber für ihre gesundheitlichen Fragen dar, die dann in der Apotheke durch individuelle Beratung veredelt werden können.“

Prof. Andreas Kaapke, Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte

Das darf alles nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kundenzeitschriften aus Apothekensicht als Kostenblock anzusehen sind, der immer wieder aufs Neue auf seine Wirkung hin überprüft werden muss. Dies gilt übrigens für alle Marketingmaßnahmen! Den Kundenzeitschriften haftet bisweilen der Fluch des Alten und Bewährten an. Doch gerade der Begriff des Bewährten meint ja, dass sich etwas über einen langen Zeitraum als angemessen gezeigt hat. Die Zeitschriften würden nicht nach wie vor ihre hohe Auflage erzielen, wenn die Relevanz nicht gegeben wäre. Sie resultiert aus den ganz unterschied­lichen Nutzungen des Mediums.

Der Verzicht auf Kundenzeitschriften, um Papier und Energie zu sparen und damit den Nachhaltigkeitsaspekt zu nähren, wäre zu vordergründig. Viel eher wäre es angezeigt, darüber nachzudenken, wie viele Exemplare man tatsächlich wie zielgerichtet einsetzen kann und wem man die Zeitschrift überreicht. So muss eher die Frage beantwortet werden, wohin sich Kundenzeitschriften seitens der Verlage entwickeln müssen, damit sie diese Relevanz aufrechterhalten können.

Im deutlich erweiterten Spektrum eingesetzter Kommunikationsinstrumente sind Kundenzeitschriften nach wie vor eine Bank: Für bestimmte Zielgruppen, für bestimmte Zwecke als verlängerte Werkbank für die Apotheke und damit als eher lang­atmiger Impuls und nicht als kurz­atmiger Zeitgeist.

 

 

Kontra

Jeder spürt es: Es wird enger, Sparen ist angesagt. Als Heil­berufler stehen wir in der Verantwortung unseren Patienten gegenüber. Was dient der zuverlässigen Versorgung? Welchen Stellenwert hat unsere Beratung, was können und müssen wir unbedingt leisten, auch wenn Ressourcen knapper werden? Und wie passen dazu überzogenes Marketing, Preisaktionen und Gratis-Zugaben aller Art?

Haben Sie vom Steuerberater oder (Zahn-)Arzt je Tempotaschentücher, Rabattmarken, Plastik-Tinnef oder Unterhaltungszeitschriften bekommen? In den „wilden“ 1990er- und Nullerjahren wurde liberalisiert und aufgebrochen. Zeitweise stand gar das Apothekensystem zur Disposition, man erinnere sich an 2008/2009. Vieles wurde möglich: Versand, freie OTC-Preise, viel mehr Marketing, gerne auch „gekaufte“ Kundenbindung. Doch hat das unseren Beruf vorangebracht? Letztlich wurde, zu einem hohen Preis, die Spaltung der Apothekenlandschaft beschleunigt.

„Haben Sie vom Steuer­berater oder (Zahn-)Arzt je Tempo­taschentücher, Rabattmarken, Plastik-Tinnef oder Unterhaltungszeitschriften bekommen?“

Prof. Reinhard Herzog, Apotheker, Tübingen

Immerhin gut 0,75% des Umsatzes fließen ins Marketing, bei 60 Milliarden Euro Branchenumsatz kommt da was zusammen.* Kundenzeitschriften machen gut 100 Millionen Euro aus – beinahe das, was den Apotheken gerade in Form eines erhöhten Kassenabschlages genommen zu werden droht, während die Kosten davon­laufen. Und damit ist das Stichwort gefallen: Kosten! Wer wollte an seinem Personal oder der unverzichtbaren IT-Ausstattung sparen? Stehen nicht Investitionen in Nachhaltigkeit und die energetische Optimierung an? Doch woher nehmen? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Politik genau hinschauen wird mittels eines neuen, möglicherweise viel tiefer in die Apothekenpraxis eintauchenden Gutachtens, bevor überhaupt über eine Honoraranpassung (nach oben!?) diskutiert wird.

Das impliziert: Machen wir uns schlank! „Reduce to the Max“ (ein ehemaliger Werbeslogan), sprich die Konzentration auf pharmazeutische Kernkompetenzen mit gesundheitlich-gesellschaftlichem Nutzen. Gehen wir auf die Politik zu, diesen Verschlankungsprozess ohne Einbußen unserer Qualität zu unterstützen. Neben vorrangig der überbordenden Bürokratie ist es auch das Thema Marketing. Augenmaß ist im Gesundheitswesen eigentlich unstrittig. Viele Zugaben erscheinen im heutigen Kontext tatsächlich verzichtbar. Print-Kundenzeitschriften sind da zumindest eine „Fragezeichen-Position“, nicht zuletzt im Hinblick auf die digitale Transformation der Gesundheitsmedien. Einschlägig ist vorrangig das Heilmittelwerbegesetz (u. a. § 7 Abs. 1). Warum übrigens sollten wir in der Apotheke hochwertige Zeitschriften nicht gegen Bezahlung anbieten? In früheren „Schönwetter-Zeiten“ war meine Einschätzung eine liberalere. Doch nun ist die Lage zu ernst, um solche Potenziale einfach außen vor zu lassen – und bevor andere diese erkennen und die Pflöcke einschlagen.

 

 

* Die Onlineversion wurde in diesem Satz gegenüber der Printversion korrigiert. Dort stand fälschlicherweise: „Immerhin gut Dreiviertel des Umsatzes fließen ins Marketing, bei 60 Milliarden Euro Branchenumsatz kommt da was zusammen.“ Korrekt muss es heißen: „Immerhin gut 0,75% des Umsatzes fließen ins Marketing, bei 60 Milliarden Euro Branchenumsatz kommt da was zusammen.“ Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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