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Das nächste Digitalisierungsgesetz kommt

So will Lauterbach E-Rezept, ePa & Co. nach vorne bringen / Neue Ideen zu E-Rezept-Schnittstellen

ks | Mehr Zeit für die Einführung von T- und BtM-Rezepten, ein leichterer Zugang der Versicherten zu E-Rezept, elektronischer Patientenakte & Co., weniger Hürden für Leistungserbringer, die Telematikinfrastruktur (TI) tatsächlich zu nutzen, und neue Vorgaben für Schnittstellen zum E-Rezept-Fachdienst – dies und mehr plant das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einem neuen Gesetzentwurf.

Die Ampelkoalition will den Krankenhausbereich reformieren. Doch bevor das Großprojekt startet, soll eine Kommission Empfehlungen erarbeiten. Zwischenzeitlich plant das BMG Übergangsinstrumente – unter anderem, um der angespannten Personalsituation in der Pflege im Krankenhaus etwas entgegenzusetzen. Und weil es zugleich bei der Digitalisierung nachsteuern will, insbesondere was die Verbreitung von Anwendungen der TI und deren Nutzerfreundlichkeit betrifft, hat das Ministerium die beiden Themen in einen großen „Omnibus“ zusammengepackt. Und zwar im Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung“ (Krankenhauspflegeentlastungsgesetz). Dieser Entwurf wurde in der vergangenen Woche den Verbänden zur Stellungnahme zugesandt. Er enthält auch einige für Apotheken relevante Punkte – insbesondere was das E-Rezept und die TI-Anbindung betrifft.

Elektronische BtM- und T-Rezepte ab Juli 2024

So soll nach der Verspätung des E-Rezepts für verschreibungspflichtige Arzneimittel der Startzeitpunkt für elektronische BtM- und T-Rezepte sowie Verordnungen digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) verschoben werden. Noch steht in § 360 SGB V – der zentralen Norm zum E-Rezept –, dass Ärzte auch diese speziellen Formulare sowie DiGA-Verordnungen ab dem 1. Januar 2023 elektronisch ausstellen müssen (außer, dies ist aus technischen Gründen im Einzelfall nicht möglich). Nach dem Entwurf soll diese Pflicht erst zum 1. Juli 2024 kommen. Die Terminanpassung werde „erforderlich, weil die Umsetzung des elektronischen Rezeptes durch die Primärsystemhersteller langsamer verläuft als ursprünglich geplant“, heißt es in der Begründung. Für die Apotheken bleibt es jedoch dabei, dass sie ab 1. Januar 2023 für elektronische BtM- und T-Rezepte bereit sein müssen.

In § 360 SGB V ist zudem eine Klarstellung vorgesehen, die Apotheken aus der Spezialversorgung entgegenkommen dürfte: Die Pflicht zur Verwendung von E-Rezepten in der Versorgung mit anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen soll aufgehoben werden. Auch hier steht noch der 1. Januar 2022 als Stichtag im Gesetz. Ein neues Datum ist nicht genannt.

Weiterhin sieht der Entwurf vor, dass Versicherte bei E-Rezepten, die nicht dem Sachleistungsprinzip unterliegen (z. B. Privatrezepte), die Rechnungs- oder Dispensierdaten mit dem Leistungserbringer (z. B. Arzt, Apotheke, DiGA-Anbieter) teilen können, der das E-Rezept im Vorfeld erstellt hat bzw. bei dem es eingelöst wurde. So sollen gegebenenfalls vorliegende Fehler in den Rechnungs- oder Dispensierdaten korrigiert werden können.

Schnittstelle zum E-Rezept: Neue Ermächtigungsgrundlage

Aus § 360 SGB V verschwinden soll hingegen die bisherige Ermächtigungsgrundlage für das BMG, in einer Verordnung zu regeln, wie Drittanbieter über Schnittstellen die E-Rezept-Komponenten für „Mehrwertanwendungen“ nutzen können (§ 360 Abs. 10 Satz 2 SGB V). Auf diese Verordnung warteten die Plattformbetreiber bereits unter der Ägide von Jens Spahn (CDU), mit zwiegespaltenen Gefühlen: Einerseits wünschte man sich die klare Rechtsgrundlage, auf der man eine Apothekenplattform zur Übermittlung von E-Rezepten aufbauen kann. Andererseits hieß es zeitweise hinter vorgehaltener Hand, dass Spahn womöglich gar keine Regulierung befürwortet. Daraus entwickelte sich die Sorge, dass die großen Arzneimittelversender mit ihren Plattformplänen am Ende einseitig profitieren würden. Am Ende geschah unter Spahn in dieser Hinsicht gar nichts mehr.

Vom Tisch ist das Thema Schnittstellen mit der Streichung nicht. Ein neuer § 361a SGB V soll die einwilligungsbasierte Übermittlung von Daten aus vertragsärztlichen elektronischen Verordnungen sowie die Verordnungsermächtigung regeln.

E-Token darf nicht übertragen werden

Der Kreis der Berechtigen, die Daten über die Schnittstellen erhalten können, ist dabei beschränkt auf Krankenkassen, private Krankenversicherer, DiGA-Anbieter, Apotheken, Vertragsärzte sowie Krankenhäuser. Voraussetzung ist, dass die Anbieter an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen und authentifiziert sind. Es wird jeweils erklärt, welche Daten es für wen sein dürfen. Bei Apotheken beispielsweise muss die Schnittstelle solche Daten liefen können, „die im Rahmen des Apothekenbetriebs zur Unterstützung der Versorgung der Patienten erforderlich sind“. Das heißt: Die Berechtigten sind in der geplanten neuen Norm konkret benannt und selbst sie erhalten – nach Einwilligung des Versicherten – nur Infos über die verschriebenen Arzneimittel. Denn klargestellt wird auch: „Die elektronischen Zugangsdaten, welche die Einlösung einer elektronischen Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ermöglichen, dürfen nicht über die Schnittstellen (…) übermittelt werden.“ Der Abruf eines E-Rezepts via Token soll also explizit nicht möglich sein. So wären etwa auch die Apothekenplattformen ohne Zugang zur TI ganz außen vor.

Dem BMG wird im Weiteren ermöglicht, die Details rund um die Schnittstellen und die übermittelten Daten im Benehmen mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik in einer Rechtsverordnung zu regeln.

In der Begründung ist die Rede von Mehrwertangeboten, die den Nutzen des E-Rezepts für die Versicherten noch vergrößern können, und einem „Innovationspotenzial“, das nicht ungenutzt bleiben soll. Wie die Regelung am Ende des gerade erst begonnenen Gesetzgebungsverfahrens tatsächlich aussehen wird, muss sich noch zeigen. Das gilt erst recht für die später darauf fußende Rechtsverordnung.

Kassen müssen informieren

Weiterhin will das BMG den Kassen Druck bei der Ausgabe von eGKs mit kontaktloser Schnittstelle und PIN machen. Beides ist nötig, um die bereits genannten TI-Anwendungen nutzen zu können, auch die E-Rezept-App der Gematik ist nur so zu aktivieren. Zwar sieht das Gesetz schon jetzt vor, dass eGK, die die Krankenkassen ausgeben, seit November 2019 mit besagter Schnittstelle ausgestattet sein müssen. Doch die Kassen hinken hinterher – zudem gibt es keine Verpflichtung, dass die Karte auch gleich mit der PIN versendet wird. „Dies stellt ein Hemmnis für eine Breitennutzung dieser digitalen Schlüssel-Anwendungen des Gesundheitswesens dar“, konstatiert das BMG. Daher müssen die Kassen ihre Versicherten künftig informieren, dass und wie sie ihre PIN beantragen können sowie welche Nutzungsmöglichkeiten ihnen damit offenstehen.

Der Gesetzentwurf enthält noch einige weitere Nachjustierungen, die die digitale medizinische Versorgung voranbringen sollen. Unter anderem sollen Softwarehäuser der Leistungserbringer verpflichtet werden, diskriminierungsfrei Dienste und Komponenten aller Anbieter in ihr System einzubinden, ohne hierfür zusätzliche Gebühren zu verlangen. |

Was sagen Gedisa, IhreApotheken.de und gesund.de zu den Schnittstellen-Plänen?

eda | Die Initiatoren und Betreiber der prominentesten Apothekenplattformen beobachten die Entwicklungen bei den E-Rezept-Schnittstellen genau. Die DAZ hat bei ihnen nachgefragt.

Die standeseigene Gedisa („Mein Apothekenmanager“) möchte den aktuellen Referentenentwurf zwar nicht bewerten, „aber aus unserem wirtschaftlichen bzw. unternehmerischen Blickwinkel ist die darin vorgesehene Regelung zur Einschränkung der Schnittstellen der E-Rezept-App der Gematik in Teilen durchaus zu unterstützen“, heißt es aus Berlin. Die Erklärung lautet folgendermaßen: „Mit der Regelung wird aus unserer Sicht nicht nur die mittlerweile etablierte E-Rezept-App der Gematik weiter gestärkt, sondern auch dem drohenden ‚Wildwuchs‘ an unzähligen und ungeprüften Drittapplikationen am Markt entgegengewirkt.“ Bei der Gedisa plant man als „sinnvolle Ergänzung“ der Gematik-App, eine eigene Kundenanwendung zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen, die die hochsichere digitale Übermittlung von Zugangsinformationen (QR-Code) von papierbezogenen E-Rezepten unterstützt und dabei gleichzeitig die Erreichbarkeit nahezu aller Vor-Ort-Apotheken in Deutschland gewährleisten kann.

Über diese Dualität beider Anwendungen verspricht das IT-Tochterunternehmen von 16 Landesapothekerverbänden und -vereinen einerseits die gesamte Marktabdeckung bei geringem technischen Aufwand. Anderseits soll so auch die gleichbleibende Qualität bei der Kundenberatung in den Apotheken vor Ort gewährleistet werden.

Jan-Florian Schlapfner vom Zukunftspakt Apotheke von Noweda und Burda (IhreApotheken.de) will zunächst das Gesetzgebungsverfahren abwarten: „Wir haben den Referentenentwurf zur Kenntnis genommen und werden das Gesetzgebungsverfahren intensiv beobachten. Grundsätzlich setzen wir uns als Zukunftspakt Apotheke für politische Rahmenbedingungen ein, die den Interessen und dem Wohl der Vor-Ort-Apotheken dienen.“

Auch bei gesund.de zeigt man sich offenbar unbeeindruckt. Auf Anfrage der DAZ erklärt eine Sprecherin: „Auch heute schon lösen Patienten über gesund.de ihre elektronischen Rezepte bei der Apotheke vor Ort Ihrer Wahl ein.“ Dies geschehe unabhängig von einem TI-Anschluss oder anderen Schnittstellen. Bei gesund.de habe man eine Vielzahl von Maßnahmen entwickelt und arbeite an deren konkreter Umsetzung, um sicherzustellen, dass auch nach der breiten Einführung des elektronischen Rezepts möglichst viele elektronische Rezepte in der Apotheke vor Ort ein­gelöst werden.

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