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Annahmeverzug wegen Hygienekonzept

Aus der ADEXA-Rechtsberatung

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das sich mit einem Fall aus dem ersten „Corona-Sommer“ befasst, hat in der letzten Woche für Aufmerksamkeit gesorgt. Obwohl sich die gesetzlichen Grundlagen seither geändert haben, gibt es allgemeine arbeitsrechtliche Aspekte, die für Apothekenteams interessant sind.

Konkret ging es um die Gehaltsansprüche des Mitarbeiters eines Lebensmittelproduzenten am Standort Berlin. Dieser hatte im August 2020 wegen des Todes seines Bruders eine viertägige Reise in die Türkei angetreten. Zu diesem Zeitpunkt war die Türkei ein Corona-Risikogebiet. Der Arbeitgeber hatte ein Corona-Hygienekonzept erstellt, das in Teilen strenger war als die einschlägige SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin. Unter anderem ordnete das Hygienekonzept für Mitarbeitende, die aus Risikogebieten zurückkehrten, ein 14-tägiges Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeltfortzahlung an. Die Verordnung des Landes Berlin sah zwar auch eine 14-tägige Quarantänepflicht in diesen Fällen vor. Diese galt aber nicht für Personen, die ein ärztliches Attest über einen negativen PCR-Test vorlegen konnten und keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufwiesen. Der Kläger hatte sich vor der Ausreise aus der Türkei und nach der Einreise in Deutschland PCR-Tests unterzogen, die beide negativ waren. Außerdem hatte er ein ärztliches Attest über die Symptomfreiheit. Trotzdem hat der Betrieb ihm für 14 Tage den Zutritt verweigert und insbesondere auch das Gehalt nicht gezahlt. Das Landesarbeitsgericht und auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) gaben dem Kläger Recht: Die Ursache dafür, dass der Kläger seine Arbeitsleistung nicht erbringen konnte, hatte der Betrieb selbst gesetzt. Das Unternehmen befand sich im Annahmeverzug mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung und muss im Ergebnis die Vergütung für die 14 Tage zahlen (BAG, 10.08.2022, 5 AZR 154/22).

Was bedeutet Annahmeverzug?

Im Arbeitsrecht wird von Annahmeverzug gesprochen, wenn die oder der Beschäftigte die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung anbietet, diese jedoch vom Arbeitgebenden trotz der rechtlich bestehenden Pflicht zur Entgegennahme zurückgewiesen wird.

Beschäftigte können dann für die nicht erbrachte Arbeit die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zu einer Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 Satz 1 BGB). Es handelt sich um einen „Annahmeverzugslohnanspruch“. Situationen, in denen es zu einem Annahmeverzug kommen kann, sind zum Beispiel Betriebsschließungen aufgrund von lokalen (≠ gesetzlichen) Feiertagen und Festen, zum Beispiel an Rosenmontag. Entscheidet die Apothekenleitung, die Apotheke an diesem Tag nicht zu öffnen, und bietet auch keine Arbeit in der geschlossenen Apotheke an, so hat sie trotzdem die für diesen Tag vereinbarte Arbeitszeit zu bezahlen.

Hausrecht nicht zulasten der Beschäftigten

Derzeit gibt es keine Gebiete, die die zuständigen Ministerien als Hochrisikogebiete oder Virusvariantengebiete ausweisen. Wer aus dem Urlaub zurückkehrt, unterliegt also keinen staatlichen oder behördlichen Einschränkungen mehr. Das kann bei einigen Apothekenleitungen, die Sorge haben, bei Infektionen im Team die Apotheke vollständig schließen zu müssen, zu Unbehagen führen. In einigen Fällen mag es deshalb den Impuls geben, strengere Regeln einzuführen, die dem eigenen Sicherheitsbedürfnis besser entsprechen. Sei es z. B. die Auflage, dass nur vollständig geimpfte oder frisch getestete Mitarbeitende die Apotheken betreten dürfen. Diese Regeln dürfen Apothekenleitungen als Inhaber des Hausrechts setzen – allerdings nicht auf Kosten der Mitarbeitenden. Das Gehalt muss weitergezahlt werden, wenn diese arbeitsfähig sind und ihre Arbeitskraft anbieten.

Je nachdem, wie sich das Infektions- und Krankheitsgeschehen in den nächsten Monaten entwickelt, kann es eine Herausforderung für die Apothekenleitungen sein, dem eigenen Sicherheitsbedürfnis zu folgen, das Team bestmöglich zu schützen und gleich­zeitig keine unnötigen Kosten auszu­lösen. Für beide Seiten gilt es, die behördlichen Anordnungen gut im Blick zu behalten. Solange die Anweisungen der Apothekenleitung deckungsgleich mit den behördlichen Anordnungen sind, müssen die Mitarbeitenden sie befolgen, um ihren Gehaltsanspruch nicht zu gefährden. Maßnahmen, die darüber hinausgehen, liegen im Risikobereich des Arbeitgebers. |

Minou Hansen, ADEXA-Rechtsabteilung

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