Arzneimittel und Therapie

Mangelware Cotrimoxazol-Saft

Welche Alternativen es für Kinder und Patienten mit Schluckstörungen gibt

cel | Cotrimoxazol-Saft ist knapp. Die antibiotische Suspension aus Sulfamethoxazol und Trimethoprim ist zum einen für Säuglinge ab sechs Wochen und Kinder bis zwölf Jahre (400 mg/5 ml + 80 mg/5 ml) zugelassen. In höherer Dosierung (800 mg/5 ml + 80 mg/5 ml) steht er auch für Erwachsene zur Verfügung. Jetzt melden Apotheken Engpässe vor allem bei Suspensionen, aber auch Tabletten können betroffen sein.
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Cotrimoxazol-Saft ist nicht unbedingt alternativlos. Bei HNO-Infektionen ist das Antibiotikum nur zweite Wahl.

Laut der Gelben Liste bietet derzeit nur Ratiopharm eine flüssige, orale Antibiose mit Sulfamethoxazol und Trimethoprim an – andere pharmazeutische Hersteller, wie Aliud, 1A Pharma oder Hexal, beschränken ihr Cotrim-Portfolio auf Tabletten.

Zugelassen sind die flüssigen Darreichungsformen bei Infektionen durch Sulfamethoxazol/Trimethoprim-empfindliche Erreger, und zwar bei

  • Infektionen der oberen und unteren Atemwege,
  • Pneumocystis-carinii-Pneumonie (PcP),
  • Infektionen des HNO-Traktes (außer Streptokokken-Angina)
  • Infektionen der Nieren und der ableitenden Harnwege einschließlich Kurzzeittherapie und Langzeit­rezidivprophylaxe
  • Infektionen des weiblichen und männlichen Genitaltraktes einschließlich Prostatitis und Granuloma venereum (Syphilis wird nicht erfasst)
  • Infektionen des Magen-Darm-Trakts, wie Shigellose, Reisediarrhö; Typhus-Dauerausscheider
  • Brucellose
  • Nokardiose
  • nicht echt mykotisches Myzetom
  • südamerikanische Blastomykose

Dabei dürften vor allem Harnwegs­infektionen und teilweise HNO-Infektionen zu den relevanten Einsatzgebieten des Cotrimoxazol-Saftes zählen. Wichtig ist die flüssige Darreichungsform wahrscheinlich vor allem für Kinder mit Schluckstörungen. Was also tun bei Lieferengpässen? Welche flüssigen antibiotischen Alternativen bietet die Pharmazie? Oder ist das Kombi-Antibiotikum gar mehr oder weniger verzichtbar?

Harnwegsinfektionen bei Kindern

Der bis 2026 gültigen S2k-Leitlinie „Harnwegsinfektionen im Kindesalter – Diagnostik, Therapie und Prophylaxe“ zufolge spielt Trimethoprim (TMP) in Kombination mit Sulfamethoxazol eine eher untergeordnete Rolle bei Blasenentzündungen. In vielen Gebieten liege die Resistenzrate gegen Escherichia coli über 20%, was Trimethoprim bzw. TMP/Sulfamethoxazol für eine empirische antibiotische Therapie bei symptomatischen Kindern disqualifiziert. Ohnehin sei der „Sulfonamid­anteil der Trimethoprim-Sulfonamid-Kombinationen […] in der Regel verzichtbar, da durch ihn weder eine ­wesentliche Verbesserung der antibakteriellen Wirkung noch ein Einfluss auf die Resistenzsituation erreicht wird und das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen steigt“, erklären die Leitlinienautoren. Das gilt auch für die Langzeitrezidivprophylaxe.

Eine alternative Antibiose für Säuglinge könnte damit eine Monotherapie mit Trimethoprim sein (nicht aber für Früh- und Neugeborene!). Infectotrimet liegt als Saft vor und ist nach Großhandelsanfrage auch lieferbar. Daneben wäre eine Kombination aus Amoxicillin/Clavulansäure (7 : 1-Formulierung: 400 + 57 mg/5 ml) eine Option: Die Kombination gibt es als Suspension, sie ist zugelassen bei Harnwegsinfektionen und das bereits ab einem Alter von zwei Monaten. Möglich wäre auch ein Cefaclor-Saft.

Orale Cephalosporine der dritten Generation, wie Cefixim oder Cefpodoximproxetil, sind ebenfalls möglich – zumindest theoretisch. Allerdings fehlt bei Cefixim eine flüssige Darreichungsform, Cefpodoxim ist als Saft nicht bei Harnwegsinfektionen indiziert. Weitere Antibiosen gibt es ebenfalls nicht in flüssiger Form (Nitrofurantoin, Nitroxolin), oder sie sind erst ab zwölf Jahren indiziert (Fosfomycin als Granulat) oder dürfen nur bei komplizierten Harnwegsinfektionen oder einer Pyelonephritis eingesetzt werden (Ciproflox­acin 5% oder 10%).

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Lieferengpässe bereiten derzeit an vielen Stellen Probleme. Es fehlen Elotrans und Oralpädon ebenso wie Paracet­amol- und Ibuprofen-Säfte. Mit Rezepturen könnten sich Lücken schließen lassen, so denn die Grundsubstanzen zu beziehen sind. Die DAZ hat sich diesen Themen gewidmet. 

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Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen

Auch die S3-Leitlinie „Interdisziplinäre Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten“, die bei der Diagnose und Therapie von Harnwegsinfektionen im Erwachsenenalter unterstützt, empfiehlt Cotrimoxazol nur dann als Antibiotikum, wenn die Resistenzlage gegen E. coli günstig ist – also unter 20% liegt. Zudem raten die Leitlinienautoren ebenfalls, wie auch bei Kindern, eher zu einer Monotherapie mit Trimethoprim, statt zur antibiotischen Kombination mit einem Sulfonamid – einfachste Alternative dürfte bei günstiger Resistenzlage damit Infectotrimet-Saft sein. Zu den Mitteln der ersten Wahl bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen (bei erwachsenen Frauen) zählen Pivmecillinam, Nitroxolin, Nitrofurantoin (nicht in flüssiger Darreichungsform) oder Fosfomycin. Letzteres liegt nach Auflösung des Granulats in flüssiger Form vor. Anders als bei Kindern empfehlen die Leitlinienautoren zur Langzeitrezidivprophylaxe von Harnwegsinfekten neben Trimethoprim als Monotherapie auch Cotrimoxazol. Hier kann man bei Nichtverfügbarkeit von Cotrimoxazol folglich auf Infectotrimet ausweichen. Einzige flüssige Alternative stellt sonst Fosfomycin dar.

HNO-Infektionen

Wo Cotrimoxazol regelmäßig zu finden ist, wenn auch nicht als Mittel der ersten Wahl, sondern eher als antibiotische Alternative, sind Infektionen des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs – laut S2k-Leitlinie „Antibiotikatherapie bei HNO-Infektionen“ bei akuter Otitis media oder Sinusitis. Die Leitlinien­experten sind sich aber einig: „Bei ­Infektionen des Ohres und der Nasennebenhöhlen sowie der unteren Atemwege sollte der Einsatz von Trimethoprim/Sulfonamid-Kombinationen auf mittelschwere Fälle beschränkt werden, bei denen die als Erstlinientherapie empfohlenen Betalactam-Antibiotika nicht eingesetzt werden können.“ Damit zählen zu den Mitteln der Wahl bei diesen Infektionen vor allem Amoxicillin oder ein Aminopenicillin plus Betalactamase-Inhibitor – beide sind als Saft verfügbar, zugelassen in diesen Anwendungsgebieten und auch lieferbar.

Sonderfall PcP

Relevant ist Cotrimoxazol vor allem bei der Behandlung der Pneumocystis-carinii-Pneumonie (PcP), einer durch Pneumocystis jirovecii ausgelösten Lungenentzündung, die vor allem bei HIV-Infizierten auftritt und häufig erster Hinweis für eine HIV-Diagnose ist. Hier wird Cotrimoxazol regelhaft als Mittel der ersten Wahl eingesetzt – bei schweren Fällen für mindestens 21 Tage, intravenös in hoher Dosierung. Nur bei leichteren Fällen ist eine orale Therapie indiziert. Als Alternative kommen Trimethoprim plus Dapson (Tabletten) oder eine Pentamidin-Monotherapie (nur parenteral oder zur Inhalation verfügbar) infrage. In der PcP- Prophylaxe hat sich ebenfalls die Einnahme von täglich Trimethoprim plus Sulfamethoxazol (80 mg/400 mg) oder alternativ dreimal wöchentlich Trimethoprim plus Sulfamethoxazol (160/800 mg) etabliert – Alternativen in flüssiger Form gibt es für Atovaquon, nicht aber für Dapson oder Pentamidin. |

 

Literatur

S2k-Leitlinie Harnwegsinfektionen im Kindesalter. Diagnostik, Therapie und Prophylaxe. AWMF-Register-Nr. 166-004, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/166-004l_S2k_Harnwegsinfektionen_im_Kindesalter_2021-08_1.pdf

Interdisziplinäre S3-Leitlinie Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen. AWMF-Register-Nr. 043/044, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf

S2K-Leitlinie Antibiotikatherapie bei HNO-Infektionen. AWMF-Register-Nr. 017/066, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-066l_S2k_Antibiotikatherapie_der_Infektionen_an_Kopf_und_Hals_2019-11_1.pdf

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