Apothekenpraxis

Ibuprofen für die Rezeptur nicht verfügbar?

Antworten auf aktuelle Fragen zur Rezepturherstellung

Bereits in der DAZ 2022, Nr. 29, S. 20 - 24 war die offizinelle Herstellung von Paracetamol- und Ibu­profen-Säften ein Thema, um die Versorgungslücke zu schließen, die durch die derzeit bestehenden Lieferschwierigkeiten der Pharma­industrie bei diesen Arzneimitteln entstanden ist. Insbesondere zu den Ibuprofen-Rezepturen tauchten in der Praxis noch einige Fragen auf, die nachfolgend beantwortet werden sollen.
Foto: goldbany/AdobeStock

Inzwischen erreichen die Redaktion vermehrt Meldungen aus Apotheken, dass mittlerweile Ibuprofen auch als Rezepturausgangsstoff nur sehr schwer oder gar nicht mehr verfügbar ist, sodass Rezepturen derzeit nur aus Fertigarzneimitteln hergestellt werden können. Im Vergleich zu Paracet­amol wird die Situation bei Ibuprofen dadurch erschwert, dass es sich bei Ibuprofen-Tabletten ausnahmslos um Filmtabletten handelt, bei denen stets abzuwägen ist, ob bzw. inwieweit die Filmbildner bei der Weiterverarbeitung problematisch sein könnten. Aus diesem Grund wird von der Weiterverarbeitung von Filmtabletten in Pulvermischungen zur Kapselbefüllung tendenziell abgeraten, was auch im Hinblick auf die Verarbeitung als dispergierte Phase in Suspensionen für Verunsicherung sorgt. Laut NRF lässt sich der Filmüberzug marktüblicher Ibuprofen-Tabletten jedoch gut zerkleinern, sodass ein gleichmäßiges Pulver für die Weiterverarbeitung entsteht, auch eine Agglomeratbildung durch den Filmbildner wurde bislang nicht beschrieben. Dementsprechend empfiehlt das NRF diese, derzeit von den Lieferengpässen (noch?) nicht betroffenen Darreichungsformen als Ausgangsstoff einzusetzen, ohne dabei bestimmte Handelspräparate namentlich zu empfehlen. Granulate und Pulver waren bisher nicht Gegenstand der Untersuchungen des NRF. Vieles spricht jedoch dafür, dass sich Präparate wie Ibuprofen AL direkt, Ibu-­Ratiopharm direkt oder Ibuprofen Puren Granulat auch als Ausgangsstoff zur rezepturmäßigen Herstellung einer Ibuprofen-Lösung oder -Suspension eignen – möglicherweise sogar besser als die untersuchten Film­tabletten.

Fertigarzneimittel mit niedrigen Dosierungen bevorzugt!

Bei der Verarbeitung von einzeln dosierten Fertigarzneimitteln stellt sich grundsätzlich die Frage, ob aus Gründen der Wirtschaftlichkeit von wenigen hoch dosierten Arzneiformen ausgegangen werden soll oder aus Gründen der Qualitätssicherung von einer größeren Zahl relativ niedrig dosierter Einzeldosen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine einzelne Tablette nicht zwangsläufig die deklarierte Wirkstoffmenge enthalten muss, sondern ihr Wirkstoffgehalt zumindest innerhalb der vom Arzneibuch vorgegeben Grenzen schwanken kann. Bei der Verarbeitung weniger oder gar einzelner Tabletten, die bereits bei der Herstellung am unteren oder oberen Akzeptanzlimit des Arzneibuchs lagen, können die erlaubten Grenzen für die Dosiergenauigkeit der daraus hergestellten Rezepturarzneimittel infolgedessen leicht überschritten werden. Zu empfehlen ist daher – insbesondere bei Arzneimitteln für die Pädiatrie – Ansätze zu wählen, die die Verarbeitung von wenigstens 15 bis 20 Tabletten erfordern. Durch die Verwendung dieser Mindestanzahl von Tabletten werden die Extremwerte der Gehalte einzelner Tabletten nivelliert.

Wenn die empfohlene Suspen­sionsgrundlage zur Neige geht …

Das NRF empfiehlt die Verarbeitung von Ibuprofen-Rezeptursubstanz (sofern verfügbar) bzw. der pulverisierten Fertigarzneimittel-Tabletten in der „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC“, die über den Ausgangsstoffhandel fertig bezogen werden kann, aber auch hier sind aufgrund einer sprunghaft steigenden Nachfrage Lieferengpässe nicht auszuschließen. Alternativ kann die nahezu inhaltsgleiche „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen NRF S.52.“ in den Apotheken selbst hergestellt werden. Hierzu wird allerdings ein Gelbildner mit vergleichsweise hoher Nominalviskosität benötigt (Hydroxyethylcellulose 10.000); eine Substanz, die im Ausgangsstoffhandel nicht sehr weit verbreitet ist, weshalb Kleinpackungen dem Vernehmen nach bereits ausverkauft sind. Größere Packungen sind wohl noch erhältlich, rechnen sich aber vermutlich nur, wenn sich mehrere Apotheken zusammen­schließen.

Sollte auch die zur Eigenherstellung benötigte Hydroxyethylcellulose 10.000 (Handelsprodukt „Natrosol 250 HX Pharm“) nicht verfügbar sein, kommen ersatzweise die nachgenannten nichtionischen bzw. anionischen Celluloseether in der jeweils angegebenen Konzentration zur Viskositätserhöhung infrage:

  • Hydroxyethylcellulose (5000 mPa ⋅ s), Produkt Natrosol 250 M Pharm: etwa 0,75%
  • Hypromellose (5000 mPa ⋅ s), Produkt Methocel E4M pharm: etwa 1%
  • Carmellose-Natrium (600 mPa ⋅ s), Produkt Blanose 7MFC: etwa 1,5%
  • Hydroxyethylcellulose (250 mPa ⋅ s), Produkt Natrosol 250 G Pharm: etwa 2%

Da es sich bei den übrigen Bestand­teilen der „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen NRF S.52.“ um gängige und häufig gebrauchte Rezepturausgangsstoffe handelt (Glucose-Monohydrat, Kaliumsorbat, Citronensäure und gereinigtes Wasser), dürfte angesichts der oben genannten Auswahl prinzipiell geeigneter Viskositäts­erhöher die Möglichkeit zur Herstellung einer zweckdienlichen Suspensionsgrundlage bis auf Weiteres gegeben sein.

Was ist mit fertigen Suspensionsgrundlagen?

Aufgrund des hohen Zeitaufwands bei der Eigenherstellung eines geeigneten Suspensionsmediums bevorzugen viele Apotheken die Verwendung vorgefertigter Grundlagen, in denen der Wirkstoff bzw. die pulverisierten Tabletten lediglich dispergiert werden müssten. Während für Paracetamol Stabilitätsdaten für die weit verbreitete Suspensionsgrundlage SyrSpend® vorliegen, ist dies bei Ibuprofen nicht der Fall. Insofern kann keine verbindliche Aussage getroffen werden, ob und vor allem wie lange Ibuprofen in SyrSpend® gegebenenfalls stabil ist. Die gilt jedoch für die Verarbeitung in der vom NRF favorisierten „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (oder NRF S.52.)“ gleichermaßen. Auch dort wurden chemische Stabilitäts­daten bisher nicht erhoben. Eine Laufzeit bzw. Aufbrauchfrist von vier Wochen ist auf Basis theoretischer Überlegungen für diese Rezeptur laut NRF jedoch plausibel. Eine Suspen­sionsgrundlage, die bislang auf dem deutschen Markt wenig Bekanntheit erlangte und nur direkt bezogen werden kann, ist Medisca Oral Mix (www.medisca.com). Hierfür wurde seitens des Anbieters folgende Formulierung veröffentlicht:

Ibuprofen 2,0 g

Glycerin 5,0 ml

Tutti Frutti Aroma 1,0 ml

Medisca Oral Mix ad 100,0 ml

Die Haltbarkeit dieser Rezeptur beträgt laut Herstellerangaben bei Lagerung im Kühlschrank zwei Wochen und liegt damit noch unter der NRF-Empfehlung für die Verarbeitung in der NRF-Stammzubereitung S.52., dafür entfällt bei Verwendung von Medisca Oral Mix die Herstellung der Suspensionsgrundlage.

Defekturherstellung?

In Summe ist festzuhalten, dass für Ibuprofen-Zubereitungen kaum verlässliche Stabilitätsdaten vorliegen, weshalb die Haltbarkeit auf wenige Wochen begrenzt werden muss. Folglich sind Ibuprofen-Zubereitungen nur bedingt für die Defekturherstellung geeignet, da die im Voraus hergestellte Zubereitung nicht nur binnen zwei bis vier Wochen abgegeben, sondern auch verbraucht sein muss. Insofern eignen sich die hier vorgestellten Rezepturen nur für den Akut-Bedarf und sollten sinnvollerweise allenfalls in der Größenordnung eines Ein- bis Zwei­wochenbedarfs im Voraus hergestellt werden. Anders stellt sich die Lage bei den offizinell hergestellten Paracetamol-Säften dar, hier gibt es Formulierungen mit Laufzeiten von bis zu 15 Monaten und Aufbrauchfristen von bis zu drei Monaten, sodass hier eine Vorratsherstellung weniger engen Restriktionen unterworfen ist. |

 

Mit der ZRB gegen den Lieferengpass

Um den Apotheken die Herstellung von Paracetamol- und Ibuprofen-Säften so leicht wie möglich zu machen, wurden den Nutzern des Dr. Lennartz Laborprogramms für Apotheken im Rahmen der Ziegler Rezepturbibliothek® (ZRB) kurzfristig vollständige Herstellungsanweisungen zur Ver­fügung gestellt. Die Dokumente enthalten neben einer ausführlichen Beschreibung der einzelnen Herstellungsschritte, rezepturspezifische Hinweise und Kommentare, sowie alle relevanten Angaben für das Rezepturetikett. Die Standardvorschriften lassen sich auf eine beliebige Ansatzmenge skalieren und alle Angaben mit wenigen Mausklicks in das Herstellungsprotokoll übernehmen, sodass die hier beschriebenen Paracetamol- und Ibuprofen-Säfte (und einige weitere) kurzfristig sehr einfach und unkompliziert in der Apotheke hergestellt werden können, um die derzeit klaffende Versorgungslücke zu schließen. Die einschlägigen Rezepturen finden Sie in der ZRB unter folgenden Bezeichnungen:

  • Paracetamol 50 mg/ml in SyrSpend® SF PH4 (NEO) (ZRB O13-06)
  • Paracetamol-Saft 1000mg/15 ml (ZRB O13-17)
  • Paracetamol-Suspension 40mg/ml (ZRB O13-18)
  • Ibuprofen-Suspension 20 mg/ml bzw. 40 mg/ml (ZRB O13-19)
  • Ibuprofen-Saft 20 mg/ml (ZRB O13-20)

Apotheker Dr. Andreas S. Ziegler

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