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- DAZ 28/2022
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Hintergrund
Steigende Gefahr
Infektionsrisiken bei Überflutungen (er)kennen
Den offensichtlichsten Effekt von plötzlich auftretenden, enormen Wassermassen haben wir durch die verheerende Unwetter-Katastrophe 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wahrscheinlich noch alle vor Augen: Absolutes Chaos und allgegenwärtige Zerstörung aufgrund der unglaublichen Kräfte, mit denen das Wasser sich seinen Weg durch Gebäude und andere Hindernisse bahnte. Was die eindrucksvollen Bilder dieses Sommers jedoch nicht zeigten, sind die zunächst unsichtbaren Gefahren, die wahrscheinlich gleichermaßen durch die betroffenen Gebiete hindurchgespült wurden: pathogene Mikroorganismen. Und mit ihnen wächst auch das Risiko für das Auftreten von Seuchen. Gemäß Fachwörterbuch Infektionsschutz des Robert-Koch-Instituts (RKI) wird das Wort „Seuche“ heutzutage hauptsächlich als Synonym für bedrohliche, infektiöse Krankheiten verwendet, welche sich rasch in der jeweiligen Population verbreiten [1]. Im folgenden Beitrag wird der Begriff als Sammelbezeichnung für solche gehäuften Infektionsgeschehen verwendet, wie beispielsweise Epidemien und Pandemien.
Nagetiere, Vektoren und Wasser als Überträger
Bereits durch die – mittlerweile wieder an Fahrt aufnehmende – COVID-19-Pandemie rückten die Themen Infektionsschutz und -Prävention lange vor der Flutkatastrophe vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit. Dennoch dürften sich nur die wenigsten Betroffenen ausreichend gewappnet gefühlt haben für den Kampf gegen zusätzliche Seuchenerreger. Und dies, obwohl es bereits eine Vielzahl an Daten zu Unwetterereignissen dieses Jahrhunderts sowie den damit einhergehenden Infektionskrankheiten gibt [2, 3]. Immerhin stellen Überflutungen die weltweit häufigste Umweltkatastrophe dar. Schwere Überflutungen treten in Europa außerdem leider auch immer öfter auf. Somit steigt also stetig die Gefahr an Flut-assoziierten Infektionserkrankungen und daraus womöglich resultierenden Seuchen [3].
Im Kontext schwerer Überflutungs- oder Starkregenereignisse lassen sich insbesondere drei übergeordnete Übertragungswege feststellen, durch welche pathogene Erreger auf den Menschen übergehen können: Durch das Wasser selbst (wasserbürtig), durch Nagetiere und mittels Vektoren [2]. Teilweise findet die Übertragung auch mittels einer Kombination aus diesen Wegen statt (z. B. Kontamination von Lebensmitteln durch infizierte Nagetiere), sodass eine scharfe Abgrenzung der Auslöser untereinander nicht immer möglich ist [2, 4]. Einige der in Flutgebieten vorkommenden Erreger sind dazu in der Lage, sich schnell in einer Bevölkerung auszubreiten. Dieses epidemische Potenzial stellt in Krisengebieten eine zusätzliche Gefahrenlage dar, sodass die betroffene Bevölkerung auch noch lange nach Rückzug der Wassermassen nicht beruhigt aufatmen kann. Tabelle 1 zeigt anhand einer Auswahl innereuropäisch vorkommender Erreger, welche Ausbrüche im Rahmen von Unwetterkatastrophen auch in Deutschland möglich wären.
Haupt-Übertragungsweg | In Europa vorkommende Erreger (Auswahl) | Hervorgerufene Erkrankungen bzw. Symptome |
---|---|---|
Wasser (insbesondere verunreinigtes Trinkwasser, hygienische Probleme infolge der Naturkatastrophe) | Noroviren [2] Rotaviren [2] Campylobacter [2] pathogene E. coli [2] Salmonellen1 [2] | Infektiöse Gastroenteritiden |
Cryptosporidium Parasiten [2, 13] | Kryptosporidiose: Fieber, Schwindel, Gewichtsverlust, (bei Immunsuppression) chronischer Durchfall | |
Leptospiren2 [2, 4, 6, 14] | Leptospirose: oft mild verlaufend mit grippeähnlichen Symptomen. Jedoch auch tödlicher septischer Verlauf möglich. Manifestation als Morbus Weil, Meningitis/Meningoenzephalitis oder pulmonale Hämorrhagie. | |
Legionellen3 [2, 3] | Pneumonie, Pontiac-Fieber [4] | |
Kontakt mit Nagetieren (Berührung, Biss, Kontamination von Lebensmitteln oder Lebensbereichen) | „Emerging pathogens“ (= neue Erreger bzw. neue Humanpathogenität) [4] | Neue Zooanthroponosen |
Hantaviren [4, 7] | Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom | |
Lymphozytäres Choriomeningitis-Virus [4] | grippeähnliche Symptomatik, Manifestation als aseptische Meningitis oder Meningoenzephalitis | |
Leptospiren2 [2, 4, 6, 14] | s. o. | |
Francisellen4 [4] | Tularämie | |
Vektoren | West-Nil-Virus (zunehmend) [2, 3, 8, 9] | West-Nil-Fieber: oft asymptomatisch. Sonst fieberhaft und grippeähnlich; 1% der Fälle mit neuroinvasiver Form. |
Chikungunya-Virus [3, 8, 21] | Chikungunya-Fieber: fiebrige Erkrankung mit Muskel- und Knochenschmerzen, die über Monate bis Jahre bestehen bleiben können | |
1 Insbesondere durch mangelnde Hygiene und kontaminierte (tierische) Lebensmittel, durch Fäkalien und Kontakt mit infizierten Tieren [4, 15, 16] 2 Übertragung durch Kontakt mit Flutwasser oder Schlamm (auch Aerosole), welche durch Urin oder Gewebe infizierter (Nage-)Tiere kontaminiert sind sowie durch direkten Kontakt zwischen Mensch und Tier [2, 3, 4] 3 Aufnahme durch Atemwege (Aerosole kontaminierten Wassers), Bakterien selbst kommen im Erdboden und in Wasserquellen vor [3] 4 Durch direkten Kontakt von Mensch und Tier, oral und auch aerogen [4] |
Infektionsgefahr auch nach Rückzug des Wassers
Die extremen Wassermassen durchdringen während der Überflutung Orte, durch die gewöhnlicherweise kein Wasser fließt. So wird auch verschiedenstes biologisches Material mit fortgeschwemmt und gelangt ungehindert unter anderem in nahegelegene Gewässer. Innerhalb dieser steigt infolgedessen die Gesamtanzahl an Mikroorganismen. Zudem versickert das kontaminierte Wasser mit der Zeit im Boden. Die enthaltenen Bestandteile werden so auch in das Grund- und Trinkwasser der Region eingetragen. Gerade Verunreinigungen durch menschliche oder tierische Fäkalien können bei Kontakt mit dem betroffenen Wasser Infektionen hervorrufen [2, 3, 5]. Zu den häufig in Europa auftretenden wasserbürtigen Erregern gehören neben Enteroviren und Noroviren auch Bakterien der Gattungen Salmonella, Vibrio, Shigella und Campylobacter. Ein Flutereignis kann also eine Vielzahl infektiöser Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes auslösen [2, 3]. Jedoch lässt sich auch eine Zunahme an Flutwasser-assoziierten Infektionen durch Leptospiren [2, 6], Hepatitis A-Virus und sogar Leishmanien innerhalb Europas beobachten [2]. Da im betroffenen Gebiet das verfügbare Trinkwasser oft binnen kurzer Zeit verunreinigt ist, und die Menschen durch die allgegenwärtigen Wassermassen auch auf andere Weise viel Kontakt mit dem kontaminierten Wasser haben, handelt es sich bei solchen wasserbürtigen Infektionen um akute Folgen einer Überflutung [2]. Laut Robert Koch-Institut (RKI) gab es in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit keine Hinweise auf außergewöhnliche Infektionsgeschehen infolge einer Flutkatastrophe. Für den Ausbruch einer Seuche bedarf es demnach anscheinend mehr als der vorhandenen Wassermassen. Eine grundlegende Entwarnung stellt die Aussage des RKI allerdings ebenfalls nicht dar. Das Institut weist vielmehr auf die persönliche Infektionsgefahr beim Kontakt mit dem potenziell kontaminierten Wasser hin. Zusätzlich legt es den Fokus auf die Gefahren, die erst nach dem Rückzug des Wassers zutage treten. Bei den auf die Flut folgenden Aufräumarbeiten besteht ein intensiver und längerer Kontakt zu den womöglich infektiösen Wasserresten und verunreinigten Flächen. Die damit einhergehende Infektionsgefahr kann daher noch mehrere Monate nach dem Unwetter fortbestehen [5]. Hinzu kommt in dieser zweiten Phase der Überflutung, dass gigantische Mengen an Müll und Unrat anfallen. Durch die eingebrochene Infrastruktur im Flutgebiet werden diese während der Aufräumarbeiten oft längere Zeit im Freien gesammelt. Je nach Wetterlage stellen die durchnässten Müllberge ideale Wachstumsbedingungen für weitere Mikroorganismen dar. Zusätzlich werden, vor allem bei einem hohen Anteil an Lebensmittelresten im Müll, auch Nagetiere angezogen. Durch die plötzliche Verfügbarkeit großer Mengen an Nahrung können ihre Populationen während dieser Zeit stark anwachsen. Die Tiere suchen vermehrt Unterschlupf in durchfluteten Häusern. So kommt es in wohlhabenderen Ländern zu unüblich häufigen Interaktionen zwischen Mensch und Nagetier [2, 3]. Letztere zeigen in solchen Situationen eine erhöhte Aggressivität, sodass Nagetierbisse in Flutgebieten keine Seltenheit sind [3]. Entsprechend steigt auch das Risiko von Zoo(anthropo)nosen, also der Übertragung von Pathogenen bzw. Erkrankungen durch Tiere auf den Menschen [2, 4]. Die daraus resultierenden Infektionserkrankungen zählen zu den mittelfristigen Folgen von Überflutungen. Sie treten meist mit oder kurz nach dem Rückzug der Wassermassen auf, also etwa ein bis vier Wochen nach dem Unwetter [2]. Zu den in Deutschland vorkommenden Nagetier-assoziierten Erregern gehören beispielsweise die Hantaviren [4, 7]. Einige Vertreter dieser Familie sind Auslöser des Hämorrhagischen Fiebers mit renalem Syndrom. Ein Großteil der in Deutschland auftretenden Fälle dieser infektiösen Fiebererkrankung verläuft dank der guten medizinischen Versorgungsstrukturen mild. Es treten grippeähnliche Symptome und schließlich eine akute Nierenfunktionsstörung auf. Die Erkrankung verläuft bei optimaler Therapie sehr selten tödlich, in weniger als 10% der Fälle ist eine Dialyse erforderlich [7, 8]. Auch weitere Krankheitserreger können durch Nagetiere auf den Menschen übertragen werden. Nennenswerte Vertreter sind unter anderem das Lymphozytäre Choriomeningitis-Virus, die Leptospiren und Francisellen (s. Tab. 1). Die Übertragung der Pathogene vom Tier auf den Menschen kann einerseits direkt erfolgen, also durch einen Biss oder eine Berührung des Tieres. Andererseits ist auch eine indirekte Transmission möglich, z. B. durch Kontakt mit infektiösen Ausscheidungen [4, 6].
Immer noch Hilfe nötig
Die Flut im Ahrtal vor einem Jahr hat neben Wohnhäusern auch Arztpraxen und Apotheken zerstört. Um einer mangelnden medizinischen Versorgung entgegenzuwirken, hat der Verein Apotheker ohne Grenzen (AoG) mit Spendengeldern und viel Engagement damals Notfallhilfe geleistet: Eine Personalvermittlungsplattform wurde eingerichtet, bei der pharmazeutisches Personal aus den Reihen der AoG-Mitglieder in die Flutgebiete vermittelt wurde. Hygiene-Sets, Arznei- und Hilfsmittel wurden ins Katastrophengebiet gebracht und verteilt. Herbeigeschaffte Container wurden zu Arztpraxen oder Apotheken, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. In solchen Notcontainern konnten die Menschen auch psychologische Hilfe bekommen oder Hilfestellung bei der Antragstellung erhalten. Schnell wurde jedoch klar, dass es mit der akuten Hilfe nicht getan ist. Der Wiederaufbau der 65 zerstörten Apotheken in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist heute noch nicht abgeschlossen. AoG steht den Betroffenen nach wie vor Ort zur Seite und eruiert laufend neue Möglichkeiten, um bedarfsgerecht und zielgerichtet zu unterstützen.
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Vektor-bedingte Infektion als Spätfolge der Flut
Gleichermaßen können die auf oder in den Nagetieren beheimateten Erreger durch sogenannte Vektoren auf den Menschen übertragen werden. Als Vektoren kommen unter anderem Milben, Mücken, Zecken oder Flöhe infrage [4, 8]. Sie können nicht nur aus Nagetieren stammende Mikroorganismen auf den Menschen übertragen, sondern grundsätzlich Pathogene aus jeder erdenklichen Quelle. Entsprechend vielfältig sind auch die durch sie übertragbaren Erkrankungen.
Durch Überflutungsereignisse werden zwar zunächst die vorhandenen Vektoren und ihre Brutstätten weggespült, nach Rückzug des Wassers verbleibt jedoch sehr lange Zeit ein feucht-nasses Klima. Dieses stellt insbesondere in den warmen Sommermonaten eine hervorragende Brutstätte für Mücken und andere am Wasser lebende Vektoren dar [3, 8]. Mit der Zeit wachsen die Populationen im betroffenen Gebiet also wieder und nehmen unter optimalen Bedingungen enorme Größen an. Vektor-bedingte Infektionen stellen somit Spätfolgen von Flutkatastrophen dar. Ein Vektor-übertragenes Virus, welches im Rahmen von Flutkatastrophen erstmalig in Europa nachgewiesen wurde, ist das West-Nil-Virus [2]. Wie sein Name nahelegt, stammt es ursprünglich aus den Tropen. Es wird angenommen, dass das Virus durch Zugvögel nach Europa und auf andere Erdteile gelangte. Vor allem in Südeuropa werden immer wieder Infektionen festgestellt. Mittlerweile treten auch wiederholt Fälle in Deutschland auf, zumeist jedoch unabhängig von Unwetter-Katastrophen. Das Virus nutzt eine Vielzahl an Mückenspezies als Vektor, unter anderem die in Deutschland vorkommende Gemeine Stechmücke. Die Infektion verläuft nur bei rund jeder fünften Person symptomatisch als fiebrige, grippeähnliche Erkrankung. In etwa 1% der Fälle tritt die neuroinvasive Form der Erkrankung auf. Bei diesem schweren Verlauf entwickelt sich meist eine gutartige Meningitis, gelegentlich auch eine Enzephalitis, mit entsprechender Symptomatik. Dennoch verläuft die Infektion hierzulande nur selten tödlich (circa 5 – 10% der neuroinvasiven Form) [8, 9]. Auch weitere, gewöhnlicherweise in tropischen Gebieten endemische Krankheitserreger wurden in Europa im Zuge von Starkregen und anderen extremen Wetterlagen nachgewiesen. Seuchenartige Ausbrüche wurden jedoch glücklicherweise noch nicht beobachtet [3].
Beengte Notunterkünfte erhöhen Infektionsrisiko
Neben den genannten Erkrankungen weist das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) anlässlich der Flutkatastrophe im Sommer 2021 in seinem Rapid Risk Assessment auch auf die Übertragungen weiterer Infektionserkrankungen hin. Eine davon ist der potenziell tödliche Wundstarrkrampf Tetanus. Beim direkten Kontakt mit Flutwasser sei zwar laut ECDC die Gefahr einer Tetanus-Infektion nicht erhöht, diese bestehe jedoch insbesondere bei den Aufräumarbeiten [3, 10]. Da in Deutschland jedoch rund Dreiviertel (Stand 2015) der Erwachsenen über eine vollständige Immunisierung gegen das auslösende Bakterium Clostridium tetani verfügen, ist eine Durchseuchung infolge eines Unwetterereignisses unwahrscheinlich [10, 11]. Aufgrund der Schwere der Erkrankung wurden allerdings in vielen der von der Flutkatastrophe 2021 betroffenen Gebieten spontane Auffrischungsimpfungen an mobilen Impfstationen angeboten und von der Bevölkerung bereitwillig angenommen [12]. Auch andere Infektionen, die insbesondere durch Verletzungen und Kontakt mit infektiösem Geröll ausgelöst werden, stellen potenzielle Gefahren dar. Diese lokal begrenzten Wundinfektionen besitzen jedoch wenig epidemisches Potenzial.
Mit Blick auf das von der Flutkatastrophe 2021 betroffene Gebiet in Westeuropa geht das ECDC davon aus, dass vornehmlich der fehlende Zugang zu sauberem Trinkwasser den Ausbruch einer Seuche begünstigt. Das Risiko für ein Seuchengeschehen sieht das ECDC daher hauptsächlich durch Noro- und Rotaviren sowie pathogene Escherichia coli, Salmonella und Kryptosporidien [3]. Auch durch die Notwendigkeit, viele Menschen schnell und über lange Zeit in Notunterkünften oder ähnlich beengten Verhältnissen zu beherbergen, kann es zu Krankheitsausbrüchen kommen. Vermehrte Infektionen durch die parasitische Krätzmilbe (Skabies) werden beispielsweise immer wieder in Wohneinrichtungen für polymorbide ältere Menschen, Obdachlose oder Geflüchtete beobachtet. Die Übertragung der Parasiten erfolgt durch direkten Hautkontakt von Mensch zu Mensch [17]. Ebenso ist die Durchseuchungsgefahr an Orten mit einer niedrigen Impfdichte gegen impfpräventable Erkrankungen erhöht. Dies betrifft z. B. aktuell COVID-19 sowie auch Infektionen mit Influenza-, Herpes-, Masern- und Varizella-Zoster-Viren oder Meningokokken [3]. Schutz-Impfungen, die persönliche Basishygiene und Desinfektionsmaßnahmen leisten hierbei einen wichtigen Beitrag zur Prävention [3, 17, 18].
Hygiene nach Überschwemmung umso wichtiger
Nicht nur in Notunterkünften sind Präventionsmaßnahmen ein enorm wichtiger Faktor, um das Auftreten von Seuchen zu verhindern. Auch Infektionen mit Erregern, die durch das Wasser, durch Nagetiere oder Vektoren übertragen werden, können mittels einer Reihe an Vorsichtsmaßnahmen oftmals vermieden werden.
Eine zentrale Rolle bei der Prävention von Infektionserkrankungen nach Überschwemmungen spielt die grundsätzliche Hygiene. Der direkte (Schleim-)Hautkontakt mit dem Flutwasser sollte vermieden werden, ebenso der Kontakt mit Schlamm und Unrat nach Rückzug des Wassers. Idealerweise werden bei den Aufräumarbeiten also stabile, wasserabweisende Schutzhandschuhe getragen. Zusätzlich bieten Mund-Nasen-Masken (z. B. FFP2-Masken) hier Schutz vor eventuellen infektiösen Aerosolen. Ebenfalls essenziell ist eine konsequente Hände- und Körperhygiene, die gegebenenfalls mit abgekochtem Leitungs- oder abgefülltem Mineralwasser erfolgt. Wie wir es aus der aktuellen Coronavirus-Pandemie mittlerweile gewohnt sind, sollten insbesondere das Gesicht sowie die Schleimhäute ausschließlich mit sauberen Händen berührt werden. Vor dem Verzehr von Lebensmitteln und Trinkwasser ist außerdem deren Unbedenklichkeit kritisch zu prüfen. Die ortsansässigen Behörden und Gesundheitsämter informieren in den betroffenen Flutgebieten regelmäßig zum Status des örtlichen Trinkwassers, sodass man sich laufend über die aktuelle Lage informieren sollte. Ergibt sich der Verdacht, dass Lebensmittel mit Flutwasser oder davon verunreinigten Oberflächen in Kontakt gekommen sind, so sollten diese nicht mehr verzehrt werden. In Tabelle 2 sind diese und weitere wichtige Präventionsmaßnahmen für einen wirksamen Infektionsschutz im Krisengebiet dargestellt [5, 19].
Maßnahmen | |
---|---|
Hygiene |
|
Persönlicher Schutz |
|
Verhaltensweise |
|
Auftreten einer Seuche durch Hochwasser in Europa unwahrscheinlich
Zum derzeitigen Stand ist das Auftreten einer Seuche infolge einzelner, wenn auch schwerwiegender, Unwetter innerhalb Europas nicht sehr wahrscheinlich [3, 5]. Dennoch verdient dieses Thema schon jetzt deutlich mehr Aufmerksamkeit. Es mehren sich nämlich die Hinweise, dass wir künftig immer häufiger solchen Unwetterkatastrophen ausgesetzt sein werden [2, 3, 20]. Damit werden Flut-assoziierte Seuchen auch immer wahrscheinlicher [2, 8]. Der ungebremste Klimawandel befördert das Auftreten von Extremwetterlagen und sorgt gleichzeitig dafür, dass in den Tropen beheimatete Vektoren sich zunehmend auch in unseren Breitengraden ansiedeln. Weiterhin verändern sich ökologische Dynamiken, wie z. B. die Lebenszyklen von Vektoren oder deren bevorzugte Wirte [7, 21 – 23]. Durch den globalen Temperaturanstieg werden sich also langfristig auch tropische Erreger, wie z. B. Plasmodien oder Leishmanien weiter auf der Welt verbreiten [22, 23]. Wir müssen daher insgesamt mit mehr Unwetterkatastrophen rechnen, bei denen auch deutlich infektiösere und gefährlichere Erreger eine Rolle spielen werden.
Auch die höhere Temperatur als solche wirkt verstärkend. Durch die Hitzeeinwirkung auf die in einem Flutgebiet stehenden Wassermassen wird das mikrobielle Wachstum beschleunigt [24]. Dies wiederum erhöht die Infektionsgefahr, da wir den Erregern in höherer Menge ausgesetzt sind.
Je öfter entsprechende Unwetter auftreten, desto mehr Infrastruktur kann dabei nachhaltig beschädigt oder zerstört werden. Dies betrifft auch Einrichtungen der Gesundheitsdienste. Längerfristig sollten wir uns also nicht allein auf die gute Verfügbarkeit unserer gewohnt hochqualitativen Gesundheitsversorgung verlassen. Durch den Einbruch der medizinischen Versorgung können auch gewöhnlicherweise gut behandelbare Erkrankungen schwerwiegende Verläufe aufweisen. Zusätzlich werden womöglich Strukturen der Wasser- oder Elektrizitätsversorgung beschädigt, sodass auch der Zugang zu sauberem Trinkwasser und unbedenklicher Nahrung in wiederholt durchfluteten Gebieten immer herausfordernder wird. Dies wiederum geht ebenfalls mit einer erhöhten Infektionsgefahr einher, ein Ausbruchsgeschehen wird wahrscheinlicher [3, 23].
Ein weiterer erwartbarer Effekt infolge der Klimakrise wird die weltweite Zunahme an Flüchtenden sein. Durch Hitze und Dürre, durch die Erhöhung des Meeresspiegels und weiteren direkten Folgen der Erderwärmung werden einige Gebiete künftig nicht mehr bewohnbar sein [6, 23, 24]. Hieraus resultiert, dass langfristig mehr Menschen auf engerem Raum gemeinsam leben werden. Durch hinzukommende Überflutungen werden also auch Krankheitsausbrüche, wie wir sie aus Sammelunterkünften kennen, immer häufiger. Gleichzeitig brechen durch die Massenmigration die medizinische Versorgung sowie die Infrastruktur in weniger dicht besiedelten Gebieten ein [23]. Die Folgen der Erderwärmung wirken sich also auch verstärkend aufeinander aus. Einige gute Gründe mehr, um dem Klimawandel aktiv und entschieden entgegenzuwirken.
Apotheken als Fels in der Brandung
Die Apotheke der Zukunft wird auch zu Themen wie dem Infektionsschutz ein immer wichtigerer Ansprechpartner werden. Bei der Flut-Katastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren es auch die Apotheken, die den Betroffenen vor Ort unermüdlich zur Seite standen. Trotz ihrer eigenen direkten Betroffenheit. Im nächsten Schritt sollten wir aus dieser Katastrophe und den düsteren Zukunftsaussichten nun sinnvolle Konsequenzen ziehen. |
Literatur
[1] Kiehl W. RKI-Fachwörterbuch Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie. 2021 Robert Koch-Institut, www.rki.de/DE/Content/Service/Publikationen/Fachwoerterbuch_Infektionsschutz.pdf?__blob=publicationFile, letzter Zugriff: 17. November 2021
[2] Brown L, Murray V. Examining the relationship between infectious diseases and flooding in Europe. Disaster Health 2013;1:2:117-127. doi: 10.4161/dish.25216
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[4] Ulrich RG. Nagetiere und Nagetier-assoziierte Krankheitserreger. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2009;52(3):352-369, doi: 10.1007/s00103-009-0798-4
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[6] Naing C et al. Risk factors for human leptospirosis following flooding: A meta-analysis of observational studies. plos one 2019;14(5):1-15, doi: 10.1371/journal.pone.0217643, https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0217643
[7] Robert Koch-Institut. Hantavirus-Erkrankung. 13. November 2020, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Hantaviren.html;jsessionid=18DFC159E474401CB259B6462C3B538A.internet072#doc2397634bodyText2, letzter Zugriff: 17. November 2021
[8] Frank C et al. Wichtige, durch Vektoren übertragene Infektionskrankheiten beim Menschen in Deutschland. Bundesgesundheitsbl 2014;57(5)557-567, doi: 10.1007/s00103-013-1925-9
[9] Robert Koch-Institut. West-Nil-Fieber im Überblick. 10. September 2021, www.rki.de/DE/Content/InfAZ/W/WestNilFieber/West-Nil-Fieber_Ueberblick.html, letzter Zugriff: 17. November 2021
[10] Robert Koch-Institut. Tetanus. 27. November 2018, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tetanus.html;jsessionid=D0C593A9EFFE522AD0D4D0EF5F44EECB.internet072#doc2398266bodyText8, letzter Zugriff: 17. November 2021.
[11] Bödeker B et al. Impfquoten unter Erwachsenen in Deutschland für die Impfungen gegen saisonale Influenza, Tetanus und Pertussis. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2015;58(2):174-181, doi:10.1007/s00103-014-2097-y
[12] Deutsche Presse Agentur. Viele Tetanus-Impfungen in Flutregion. 28. Juli 2021, www.n-tv.de/regionales/rheinland-pfalz-und-saarland/Viele-Tetanus-Impfungen-in-Flutregion-article22708388.html, letzter Zugriff: 17. November 2021
[13] Robert Koch-Institut. Kryptosporoidose. 8. Februar 2019, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Kryptosporidiose.html;jsessionid=21C5A23D8E091E66DD52A083BC1164E1.internet111#doc2398518bodyText2, letzter Zugriff: 17. November 2021
[14] Robert Koch-Institut. Leptospiren. 19. Oktober 2015, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Leptospirose.html, letzter Zugriff: 17. November 2021
[15] World Health Organization. Salmnonella (non-typhoidal). 20. Februar 2018, www.who.int/en/news-room/fact-sheets/detail/salmonella-(non-typhoidal), letzter Zugriff: 17. November 2021
[16] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Salmonellen Informationen über Krankheitserreger beim Menschen – Hygiene schützt! 24. April 2018, www.infektionsschutz.de/erregersteckbriefe/salmonellen/#c4099, letzter Zugriff: 17. November 2021
[17] Robert Koch-Institut. Skabies (Krätze). 01. Juni 2016, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Skabies.html, letzter Zugriff: 17. November 2021
[18] Robert Koch-Institut. Impfungen A-Z. 25. August 2014, www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/ImpfungenAZ_node.html;jsessionid=14E58F54C77DA6A3F368F0165AC85FB7.internet112, letzter Zugriff: 17. November 2021
[19] Amtsärztlicher Dienst/Hygiene des Landkreises Oberhavel. Hinweise zum Umgang mit Hochwasser. Juli 2017, www.oberhavel.de/media/custom/2244_39729_1.PDF?1499094011, letzter Zugriff: 17. November 2021
[20] United Nation Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Climate Change 2014 Synthesis Report Summary for Policymakers. 2014, www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/AR5_SYR_FINAL_SPM.pdf, letzter Zugriff: 17. November 2021
[21] Roiz D et al. Autochthonous Chikungunya Transmission and Extreme Climate Events in Southern France. PloS Negl Trop Dis 2015;9(6):1-8. doi: 10.1371/journal.pntd.0003854
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[23] Coates SJ et al. The Effects of Climate Change on Infectious Diseases with Cutaneous Manifestations. IJWD 2021;7(1):8-16, doi: 10.1016/j.ijwd.2020.07.005
[24] Michalak AM. Study Role of Climate Change in Extreme Threads to Water Quality. Nature 2016;535:349-350, doi: 10.1038/535349a
[25] CNA Military Advisory Board of the United States of America. National Security and the Accelerating Risks of Climate Change. Mai 2014, www.cna.org/cna_files/pdf/MAB_5-8-14.pdf, letzter Zugriff: 17. November 2021
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