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Standespolitik
Noch vieles auf der Wartebank
Das Schicksal der Anträge vom Deutschen Apothekertag 2021
Wie in jedem Jahr beschrieb die ABDA als Vorbereitung für ihre sommerliche Mitgliederversammlung – diesmal am 29. Juni, wie sie selbst den Stand der Bearbeitung der Anträge vom vorigen Deutschen Apothekertag sieht. Zu einigen Themen ist die Entwicklung politisch vorangekommen. Zu vielen Anträgen berichtet die ABDA über ihre Bemühungen, seien sie erfolgreich oder nicht. Bei manchen Anträgen wartet die ABDA hingegen nach eigener Aussage auf geeignete Gesetzgebungsverfahren, um das Thema anzubringen. Warum die ABDA manchmal aus eigener Initiative tätig wird und in anderen Fällen abwartet, bleibt offen. Die folgende Darstellung fasst die Stellungnahmen der ABDA zusammen und vermittelt an ausgewählten Stellen kritische Anmerkungen des Verfassers. Die Gliederung ergibt sich aus dem Antragsheft zum Deutschen Apothekertag 2021. Inhaltlich bezieht sich die Stellungnahme der ABDA auf den Stand von Mitte Juni 2022.
Gute Aussichten bei Dienstleistungen und Corona-Sonderregeln
Bei den pharmazeutischen Dienstleistungen hat die Realität die ABDA-Stellungnahme bereits eingeholt. Denn der Schiedsspruch liegt nun vor. Auch bei Grippe- und Corona-Impfungen wurden die gewünschten Ziele erreicht. Die weiteren Anträge im ersten Abschnitt des Antragsheftes zur „Sicherstellung der Versorgung“ stellen überwiegend Aufforderungen an den Gesetz- oder Verordnungsgeber dar, beispielsweise der Antrag zur „Weiterentwicklung des Gesundheitswesens“. Dazu berichtet die ABDA, Positionierungen würden „erarbeitet und geschärft, um die Notfallversorgung im Bereich der Arzneimittelversorgung weiter zu verbessern“. Damit greife die ABDA ein Anliegen aus dem Koalitionsvertrag auf. Allerdings beschreibt die ABDA diese Positionierungen nicht, obwohl berufsintern viel über den Notdienst diskutiert wird. Weiter heißt es, die ABDA verfolge das Ziel, eine Reihe von Corona-Sonderregeln in die Regelversorgung zu überführen. Die Herstellung von Desinfektionsmitteln solle auf europäischer Ebene behandelt werden. Zur missbräuchlichen Verordnung und Distribution von Arzneimitteln im digitalen Raum berichtet die ABDA, wettbewerbsrechtliche Maßnahmen gegen solche Internetangebote würden „soweit auf der Basis geltenden Rechts möglich, erwogen bzw. umgesetzt“. Außerdem stehe die ABDA dazu mit ärztlichen Berufsorganisationen in Verbindung.
Zu den meisten anderen Anträgen in diesem Abschnitt erklärt die ABDA, es gäbe bisher kein geeignetes Gesetzgebungsverfahren, um das Thema dort einzubringen. Dies betrifft beispielsweise den „ordnungsrechtlichen Rahmen“, die Trennung von Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln, die Verhinderung des „frühen Zugriffs“ auf E-Rezepte durch Drittanbieter und wettbewerbsrechtliche Klärungen zur Nutzung des Papierausdrucks des E-Rezept-Tokens.
Ein Schritt zur neuen Approbationsordnung
Beim Thema „Pharmazeutische Kompetenz“ bezieht sich der erste Antrag auf die neue Approbationsordnung, zu der nun ein Positionspapier vorliegt. Darüber hinaus würden die Apothekerkammern der Länder das gemeinsame Lernen der Studierenden von Pharmazie und Medizin bei ihren Gesprächen mit den pharmazeutischen Instituten und die Forderung nach mehr Studienplätzen bei den Landesministerien thematisieren. Zur Forderung nach mehr Ausbildungsstätten für das praktische Jahr verweist die ABDA nur auf das Positionspapier zur Approbationsordnung.
Keine Chance im Lebensmittelrecht
Einen Antrag, der darauf zielt, die Verwendung arzneilich wirksamer oder sogar verschreibungspflichtiger Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln zu unterbinden, hatte die Hauptversammlung in einen Ausschuss verwiesen. Der Geschäftsführende ABDA-Vorstand habe der Mitgliederversammlung empfohlen, den Antrag nicht weiter zu verfolgen, berichtet die ABDA. Denn das angestrebte Verwendungsverbot arzneilich wirksamer Stoffe in Lebensmitteln würde „tiefgreifende Modifikationen des europarechtlich geprägten Lebensmittelrechts erfordern“, deren Durchsetzung unrealistisch sei. Zu den weiteren drei Anträgen des Abschnittes „Pharmazeutische Kompetenz“ erklärt die ABDA, sie seien „in Bearbeitung“.
Viel Mühe rund um die Digitalisierung
Zum Antrag über die „Digitalisierung zur Zukunftssicherung der deutschen Apotheken“ verweist die ABDA auf die Gründung der Gedisa und die Vergütung für digitale Impfzertifikate. Außerdem befinde sich der Deutsche Apothekerverband in ständigen Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband zur Refinanzierung von Kosten für die Telematik und die ABDA sei mit politischen Entscheidungsträgern in Gesprächen zu künftigen Vergütungen. Zur apothekereigenen Versorgungsforschung habe sich noch kein geeignetes Gesetzgebungsverfahren ergeben, aber dazu sei auch eine Ermächtigung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI) oder der Arzneimittelkommission denkbar. Zur strukturierten Datenerhebung über die Apotheken vor Ort werde derzeit untersucht, welche Daten sinnvoll zentral gesammelt und verknüpft werden könnten. Außerdem plane die ABDA weitere Maßnahmen, „um die Gewinnung und Auswertung von apothekenbezogenen Daten auf längere Sicht neu zu strukturieren“.
Der Bericht der ABDA zum E-Rezept bietet im Nachhinein eine zusätzliche Erklärung für die zwischenzeitlichen Verzögerungen des Projekts. Denn zu den Folgen für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) habe die ABDA im Rahmen der Ersterprobung des E-Rezepts einen zusätzlichen Evaluationsarm beantragt und durchgeführt. Mit drei Testszenarien sei das Zusammenspiel des E-Rezepts mit dem elektronischen Medikationsplan und der elektronischen Gesundheitskarte untersucht worden. Dies habe technische Probleme und Mängel gezeigt, die an die Gematik kommuniziert worden seien. Auch der Handlungsbedarf zur AMTS sei bei einer Veranstaltung im Februar 2022 deutlich gemacht worden. Daher habe die ABDA eine diesbezügliche Maßnahme in den 5. Aktionsplan 2021 – 2024 zur Verbesserung der AMTS eingebracht. Außerdem sei unter Beteiligung des DAPI ein apothekenübergreifendes pharmazeutisches Dossier entwickelt worden. Allerdings habe sich bisher keine Gelegenheit ergeben, das Anliegen in ein Gesetz einzubringen. Zur „aktiven Gestaltung der Telepharmazie“ verweist die ABDA nur auf die Arbeit ihres „Digital Hub“. Mit dem Antrag zur Zertifizierung telepharmazeutischer Angebote werde sich der Geschäftsführende ABDA-Vorstand befassen. Im Zusammenhang mit der interprofessionellen Zusammenarbeit berichtet die ABDA über Aktivitäten zum Aktionsplan zur AMTS (siehe oben) und zur Auswertung des ARMIN-Projekts. Die Ergebnisse seien zur Publikation eingereicht. Zu Ausfällen von Elementen der Telematikinfrastruktur befinde sich die ABDA im Austausch mit den Softwarehäusern. Das Ziel sei, den Apotheken Pakete für unterschiedliche Back-up-Level anzubieten. Weiter berichtet die ABDA, die sehr umfangreiche Datenbank des BfArM zu DiGAs könne „nicht eins zu eins“ im Artikelstamm abgebildet werden. Allerdings könnten den Softwarehäusern Verknüpfungen zur BfArM-Datenbank angeboten werden.
Engagement für DiGAs – wirklich so gemeint?
Im Zusammenhang mit Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) erklärt die ABDA, inhaltlich würde die Unterstützung von Patienten in der Apotheke bei der Nutzung von DiGAs im Vordergrund stehen, die Versorgung mit DiGAs durch die Apotheke wäre hingegen von geringerer Relevanz. Bei kritischer Betrachtung erscheinen allerdings Zweifel angebracht, ob der letzte Aspekt die Intention des Antrags trifft. Geht es nicht gerade darum, den Markt der DiGAs für die Apotheken zu erschließen?
Unbestimmtes zur Honorierung, …
Zur „Weiterentwicklung des Apothekenhonorars“ verweist die ABDA insbesondere auf die zusätzliche Belastung durch Lohnerhöhungen und die Inflation. Über eine „Strategie zur Anpassung der Apothekenvergütung“ sei „in diversen Gremien informiert und diskutiert“ worden. Allerdings sind dazu nach Kenntnis des Verfassers keine substanziellen Ergebnisse nach außen berichtet worden und auch in der Stellungnahme zum diesbezüglichen Antrag berichtet die ABDA keine Ergebnisse, mahnt aber, das Entgelt dürfte nicht auf der Basis der Corona-Sondereffekte von 2020 und 2021 angepasst werden. Die ABDA berichtet, in den sich bietenden Gesetzgebungsverfahren würden Vorschläge zur Verringerung der Bürokratie und zur Bepreisung neuer Tätigkeiten und Pflichten eingebracht, beschreibt diese Vorschläge aber nicht. Die ABDA räumt ein, dies seien nur Zwischenschritte für die Ertragsverbesserung. Von den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen erwartet die ABDA in den ersten Jahren keine kurzfristigen Effekte auf die Betriebsergebnisse, aber auf lange Sicht hätten sie das Potenzial, „sich zu einer zusätzlichen Säule der Apothekenvergütung zu entwickeln“. Dieses Statement stammt allerdings aus der Zeit vor Veröffentlichung des diesbezüglichen Schiedsspruchs. Zum Antrag, Mittel aus dem Dienstleistungsfonds für den Aufbau einer organisatorischen Infrastruktur zu nutzen, erklärt die ABDA, dies werde bei einem sich bietenden Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen. Dazu ist kritisch anzumerken, dass dies wohl schon jetzt zu spät wäre.
… aber viel Arbeit in Detailfragen
Zur Versorgung mit Grippeimpfstoffen erklärt die ABDA, sie werde in Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband auf eine „auskömmliche Vergütung der Apotheken bei der Beschaffung von Grippeimpfstoffen hinwirken, die Signalwirkung auch für die Vergütung der Apotheken bei der Versorgung von Ärzten mit Grippeimpfstoffen haben dürfte“. Die ABDA berichtet außerdem über Gespräche mit dem Bundesgesundheitsministerium und dem Paul-Ehrlich-Institut über die Vergütung für Grippeimpfstoffe und zur Versorgungssicherheit bei Hochdosis-Grippeimpfstoffen. Zum Antrag gegen Null-Retaxationen verweist die ABDA auf die Verlängerungen der pandemiebedingten Ausnahmen für die Arzneimittelabgabe. Dies dürfte die praktische Relevanz der Null-Retaxationen zwar mindern, aber nach Einschätzung des Verfassers nicht den Kern des Antrags treffen, weil dieser wohl generell gegen Null-Retaxationen gerichtet ist.
Bezüglich einheitlicher Prüfkriterien für E-Rezepte beschreibt die ABDA die kürzlich viel diskutierte Arbeit am Referenzvalidator. Zur geforderten Neuaufstellung der Rezeptabrechnung verweist die ABDA auf die Neuregelung in § 300 Abs. 2 SGB V, nach der Rechenzentren vereinnahmte Gelder auf Treuhandkonten einzahlen müssen. Dies entschärfe das Insolvenzrisiko deutlich, folgert die ABDA. Zum Verbot der Rechnungslegung durch Kassendienstleister und zur Vereinfachung der Präqualifizierung habe sich noch kein geeignetes Gesetzgebungsverfahren ergeben. Zum Bürokratieabbau werde die Forderung nach der Beendigung der Präqualifizierung für die Hilfsmittelversorgung nicht „handwerklicher Natur“ intensiv beworben. Intern gehe die Bewertung von Regeln im Spannungsfeld zwischen Patientenschutz und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Systems einerseits und unnötiger Bürokratie andererseits weiter.
Bei dem Antrag, die Einzelerlaubnisse zur Datenerhebung in Apotheken zusammenzufassen, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen, sieht die ABDA „enorme Herausforderungen“. Insbesondere wäre eine solche Formulierung wegen des schnellen Wandels bei der Digitalisierung schnell überholt, fürchtet die ABDA. Allerdings würden auf europäischer und deutscher Ebene derzeit Rahmengesetze für die breitere Nutzung von Gesundheitsdaten vorbereitet. In diesem Zusammenhang werde die ABDA das Anliegen berücksichtigen.
Anträge zur Arbeit der ABDA auf der langen Bank
Der Antrag für ein Konzept zur Nachwuchsgewinnung und -förderung ist nach Angaben der ABDA „in Bearbeitung“. Der Antrag zur Errichtung eines Hilfswerks der Apotheker befinde sich noch in der „Prüfung und Beratung“. Ob die Mitgliederversammlung am 29. Juni diese oder andere Themen vorangebracht hat, ist bisher nicht bekannt. Weniger Zeit hatte die ABDA beim Antrag zur thematischen Ausrichtung des Deutschen Apothekertages 2022 auf „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“. Dieser Antrag wird offenbar umgesetzt. |
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