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Arzneimittel und Therapie
Erhöhte Gefahr für Oxycodon-Überdosierungen
Wechselwirkung mit CYP2D6-Inhibitoren hat klinische Folgen
Opioide sind wirksam und sicher, wenn sie richtig angewendet werden. Trotzdem muss an die Gefahr einer Überdosierung gedacht werden, die gekennzeichnet ist durch Atemdepression, Bewusstseinsverlust und Miosis.
Zu den am häufigsten verordneten stark wirksamen Opioiden gehört Oxycodon. 2019 wurden in Deutschland 24,6 Millionen definierte Oxycodon-Tagesdosen verordnet, hinzu kamen weitere 16,7 Millionen Tagesdosen in Kombination mit dem Opioid-Rezeptorantagonisten Naloxon.
Oxycodon wird hauptsächlich über die Isoenzyme CYP2D6 und CYP3A4 verstoffwechselt. Bislang wurde vermutet, dass Wechselwirkungen mit Arzneimitteln, die diese Enzyme hemmen, klinisch vernachlässigbar sind. Einige Patienten nehmen zusätzlich zu Opioiden selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) ein, unter anderem Paroxetin und Fluoxetin, die potente CYP2D6- und milde CYP3A4-Inhibitoren sind.
Klinische Pharmazeuten aus den USA sind mithilfe einer Kohortenstudie der Frage nachgegangen, ob bei Patienten, die zeitgleich Oxycodon und Paroxetin oder Fluoxetin eingenommen hatten, mehr Überdosierungen aufgetreten sind als bei gleichzeitiger Therapie mit anderen SSRI. Ausgewertet wurden die Verordnungsdaten von über zwei Millionen Amerikanern unter SSRI-Therapie, bei denen Oxycodon neu verordnet worden war. Rund 619.000 der Patienten nahmen die CYP2D6-inhibierenden Antidepressiva Fluoxetin oder Paroxetin ein, die übrigen Patienten erhielten zum Zeitpunkt der Opioid-Neuverordnung Citalopram, Escitalopram, Sertralin oder Fluvoxamin. Im Durchschnitt waren die Patienten 50 Jahre alt, 72% von ihnen waren Frauen.
Als Endpunkt definierten die Autoren Hospitalisierungen oder Notfallbehandlung aufgrund einer Opioid-Überdosierung innerhalb eines Jahres nach dem Ansetzen von Oxycodon. In der Studienpopulation erlitten 1035 Patienten eine Überdosierung, also rund einer von 2000.
CYP2D6-Hemmer meiden
Mit dieser Studie wurden erstmals Real-World-Daten über die klinischen Konsequenzen einer potenziellen Interaktion von Oxycodon mit CYP2D6-Inhibitoren ausgewertet.
Die Ergebnisse wurden im Februar 2022 im Journal „JAMA Network open“ veröffentlicht.
Die Analyse zeigte, dass eine zeitgleiche Verordnung von Oxycodon und CYP2D6-inhibierenden SSRI im Vergleich zu anderen SSRI mit einem signifikant höheren Risiko für Überdosierungen einherging (adjustierte Hazard Ratio [HR] = 1,23; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,06 bis 1,31). Bei Patienten über 65 Jahre war das Risiko am stärksten erhöht (HR = 1,38; 95%-KI: 1,02 bis 1,86).
Den Autoren zufolge ist daher Oxycodon für Patienten, die Fluoxetin oder Paroxetin einnehmen, keine geeignete Wahl. Da die verschiedenen SSRI ähnliche Wirkprofile haben, sind Vertreter dieser Wirkstoffklasse ohne enzymhemmende Eigenschaften zu bevorzugen.
Insgesamt war das Risiko für Überdosierungen sehr niedrig. Aber die Autoren betonen: In der Studie wurde der Endpunkt so gewählt, dass Überdosierungen nicht berücksichtigt wurden, wenn sie keinen Krankenhausaufenthalt oder eine notfallmedizinische Maßnahme zur Folge hatten. Zusätzlich könnte die Wechselwirkung zwischen Paroxetin bzw. Fluoxetin und Oxycodon andere Opiat-Nebenwirkungen wie Obstipation oder Schwindel verstärkt haben. |
Literatur
Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020
Schröder M, Telschow C. Arzneiverordnungsreport 2018: Lieblinge der Pharmabranche. Gesundheit und Gesellschaft, Ausgabe 9, 2019
Yunusa I et al. Risk of Opioid Overdose Associated With Concomitant Use of Oxycodone and Selective Serotonin Reuptake Inhibitors. Jama Netw Op 2022, doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.0194
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