Arzneimittel und Therapie

Sartane und das Krebsrisiko

Metaanalyse entfacht die Diskussion zur Sicherheit erneut

Die Diskussion, ob die Einnahme von Sartanen mit einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen in Verbindung steht, wurde durch eine Metaanalyse neu entfacht [1].

2010 wurde der Zusammenhang zwischen der Einnahme von Sartanen und einem erhöhten Krebsrisiko erstmals untersucht. Sipahi et al. fanden ein signifikant erhöhtes Risiko für Lungenkrebs nach Einnahme von Sartanen [2]. Eine weitere Metaanalyse aus dem Jahr 2011 konnte diese Ergebnisse jedoch nicht bestätigen, sodass weder von den zuständigen Behörden noch von den Arzneimittelherstellern Konsequenzen gezogen wurden [3].

NDMA in Sartanen

2018 kam es zu einem chargenbezogenen Rückruf von Valsartan wegen einer als mutagen eingestuften Verrunreinigung mit N-Nitrosodimethyl­amin (NDMA). Als strukturelle Einheit, die zur Entstehung geführt hat, wurde eine Tetrazolgruppe identifiziert. Diese Ringstruktur findet sich bei Candesartan, Irbesartan, Losartan und Olmesartan, jedoch nicht bei Azilsartan, Eprosartan und Telmisartan.

Die Rolle der Tetrazolgruppe

Ob Sartane unabhängig von vorhandenen Tetrazolgruppen das Krebsrisiko steigern können, ist nach wie vor unklar. In einer neuen Metaanalyse von 2022 wurden dazu jedoch Hinweise gefunden. Anhand von 15 klinischen Studien und insgesamt 74.021 Patienten wurden die Zusammenhänge mittels Meta-Regression neu analysiert. Der Autor der Studie, Ilke Sipahi, war auch schon Verfasser der ersten Studie von 2010. Zwar gab es zwischen 2010 und 2022 weitere Studien, in denen der Zusammenhang zwischen Krebsrisiko und Sartanen untersucht wurde, jedoch nicht im Hinblick auf kumulative Expositionen. Dies sind wichtige Faktoren für die Entstehung von Krebserkrankungen. Sipahi hat in seiner aktuellen Metaanalyse also insbesondere die kumulativen Effekte, also die Langzeitexposition, untersucht.

Übeltäter Hilfsstoffe

Mutagene Nitrosamine überall: in Sartanen, ­Ranitidin, Rifampicin, Metformin, Vareniclin, Quinapril … Die Liste von Arzneimittel-Chargen, die wegen entsprechender Verunreinigungen zurückgerufen werden müssen, wird immer länger. Und nicht immer ist die Synthese verantwortlich für die Entstehung der gefürchteten Nitrosamine. Auch die Lagerung kann eine Quelle sein und – was bislang kaum beachtet wird: Nitrite und Nitrate in Hilfsstoffen.

Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, Würzburg, hat sich in DAZ 24 auf Spurensuche begeben. Sie erklärt nicht nur, wie und was Nitrite und Nitrate bei der Synthese von Arzneistoffen und während der Lagerung ­alles anrichten. Sie prognostiziert weitere Rück­rufe, sollte nicht proaktiv mit konsequenter Qualitätsanalytik reagiert werden.

Holzgrabe U: Nitrosamin-Bildung: Übeltäter Hilfsstoffe, DAZ 2022, Nr. 24, S. 46 ff

Risiko generell erhöht

Die Daten zeigen ein generell erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen bei kumulativer Einnahme von Sartanen in hohen Dosierungen über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren (7,3% im Gegensatz zu 6,2% bei einer Kontrolltherapie; relatives Risiko [RR] 1,11; 95% Konfidenzintervall [KI] 1,03 – 1,19). Für Lungenkrebs zeigte sich eine signifikante Erhöhung des Risikos nach einer Einnahme von mindestens 2,5 Jahren (1,2% gegenüber. 0,9%; RR 1,21; 95%-KI 1,02 – 1,44). Verschiedene Faktoren wie Alter und Raucherstatus konnten bei der Auswertung der Studien nicht berücksichtigt werden. Am häufigsten wurde mit Telmisartan (38,9%) ein Sartan ohne Tetrazolgruppe verwendet, gefolgt von Valsartan mit 33%. Wie solche Sartane eine Krebsentstehung begünstigen können, bleibt unklar. Ob Nitrosamin-Verunreinigungen eventuell eine Rolle spielen, konnte durch die Metaanalyse nicht geklärt werden.

In diesem Zusammenhang betont die Zeitschrift Arzneitelegramm, dass AT1-Antagonisten als Reservetherapeutika einzustufen sind für den Fall, dass ACE-Hemmer nicht vertragen werden [5]. |
 

Literatur

[1] Sipahi I. Risk of cancer with angiotensin-receptor blockers increases with increasing cumulative exposure: Meta-regression analysis of randomized trials. PLoS One. 2022 Mar 2;17(3):e0263461. doi: 10.1371/journal.pone.0263461. PMID: 35235571

[2] Sipahi I, Debanne SM, Rowland DY, Simon DI, Fang JC. Angiotensin-receptor blockade and risk of cancer: meta-analysis of randomised controlled trials. Lancet Oncol 2010;11:627-636. doi: 10.1016/S1470-2045(10)70106-6

[3] FDA Drug Safety Communication: No increase in risk of cancer with certain blood pressure drugs – Angiotensin Receptor Blockers (ARBs). 2011. http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm257516.htm (aufgerufen am 12.04.2022).

[4] EMA finalises opinion on presence of nitrosamines in medicines. https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-finalises-opinion-presence-nitrosamines-medicines

[5] Neue Metaanalyse: Angiotensin-II-Antagonisten und Krebsrisiko. arznei-telegramm. a-t 2022;53:24. publiziert am 18. März 2022

Laura Kneller, MSc Toxikologie

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