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DAZ aktuell
Wie funktioniert die Honorierung?
Analyse zum Schiedsspruch und zur Vertragsregelung
Bei der Honorierung der neuen Dienstleistungen sind zwei Hauptaspekte zu unterscheiden: die Honorarhöhe und die Verteilung des Geldes.
Wie kommt es zu den Vergütungsbeträgen?
Gemäß der Schiedsstellenentscheidung werden die komplexen Leistungen (erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation, Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten bzw. bei oraler Tumortherapie) jeweils mit 90 Euro netto honoriert – plus 17,55 Euro netto für eine Folgeberatung. Für die standardisierte Inhalator-Einweisung sind 20 Euro netto und für die standardisierte dreimalige Blutdruckmessung 11,20 Euro netto angesetzt. In der Begründung des Schiedsspruchs erklärt die Schiedsstelle, sie gehe bei den komplexen Leistungen von einem Zeitbedarf von 80 Minuten aus, von denen 5 bis 10 Minuten nicht durch Apotheker erbracht werden müssen. Für die Einweisung zur Inhalation werden 25 Minuten und für dreifache Blutdruckmessung 14 Minuten angesetzt. Dabei geht die Schiedsstelle davon aus, dass diese Leistungen zu 80 Prozent von PTA und zu 20 Prozent von Apothekern erbracht werden. Die Schiedsstelle äußert sich umfassend zur Frage, mit welchem Betrag eine Beratungsminute eines Apothekers zu honorieren ist. Dazu habe der Deutsche Apothekerverband in Anlehnung an die Ziffer 03120 (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung) des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) eine Bewertung von 1,73 Euro pro Minute gefordert. Der Schiedsspruch orientiere sich hingegen an der Ziffer 03230 (problemorientiertes ärztliches Gespräch). Dies ergebe 1,44 Euro pro Minute einschließlich eines Gemeinkostenanteils. Dieser Betrag müsse wegen des unterschiedlichen Unternehmer- bzw. Arbeitslohns korrigiert werden. Der GKV-Spitzenverband habe dabei eine Orientierung am Gehalt eines angestellten Apothekers gefordert. Der Schiedsspruch orientiere sich hingegen am kalkulierten Arbeitslohn eines Krankenhausapothekers von etwa 90.000 Euro pro Jahr. Dies ergebe 1,17 Euro pro Minute einschließlich anteiliger Gemeinkosten. Für PTA würden 60 Prozent davon angesetzt.
Wie realistisch sind die Daten?
Die wirtschaftlichen Folgen der Honorarentscheidung werden davon abhängen, inwieweit die Annahmen dieser Kalkulationen realistisch sind. Der tatsächliche Zeitbedarf für die komplexen Leistungen wird vor allem von der Komplexität des jeweiligen Einzelfalls abhängen. Es geht hier ohnehin nur um potenziell problembehaftete Fälle, aber auch dabei gibt es Abstufungen. Die Medikationsberatung wird daher auf einer neuen Mischkalkulation aufbauen. Dass gerade in besonders schwierigen Fällen der größte Bedarf besteht, könnte problematisch werden. Die langfristig entstehende Arbeitsroutine wirkt auf jeden Fall günstig für die Apotheken. Bei den einfacheren Leistungen erscheinen die Zeitangaben realistisch, aber hier ist die Deckelung der Finanzierung zu bedenken. Vermutlich werden die angegebenen Honorare für die einfachen Leistungen mittelfristig nur selten in den Apotheken ankommen – siehe unten!
Apothekenminute: Verschiedene Berechnungsansätze
Die Bewertung einer Apothekerminute mit 1,17 Euro liegt weit unter dem Ansatz des Deutschen Apothekerverbandes von 1,73 Euro. Aufgrund einer Fortschreibung einer früheren Berechnung (siehe „Dienstleistungen im Schwebezustand. Wo stehen wir? Was ist zu tun? – Eine Analyse der Pläne, Chancen und Risiken“ DAZ 2020, Nr. 9, S. 24 ff.) kann auf der Grundlage von Daten aus dem Apothekenwirtschaftsbericht für Apotheker Teilkosten von 0,74 Euro, Vollkosten ohne Gewinnzuschlag von 1,23 Euro und Vollkosten mit Gewinnzuschlag von 1,86 Euro, jeweils pro Minute ermittelt werden. Bei den Vollkosten geht es nicht nur um die Arbeitskosten, sondern auch um die Kosten des Apothekenbetriebs als Ganzes. Ausgehend von dieser Rechnung würde der Schiedsspruch bedeuten, dass das vorgesehene Honorar sehr knapp kalkulierte Vollkosten ohne Gewinnzuschlag finanziert, sofern es nicht der Deckelung zum Opfer fällt. Das ist ein Anreiz, um überhaupt beginnen zu können. Doch erscheint allenfalls unter sehr günstigen Bedingungen vorstellbar, dass die neuen Leistungen mit der Arzneimittelabgabe konkurrieren können und einen gleichwertigen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg der Apotheke leisten. Daher schaffen die neuen Leistungen keinen Ansatz für ein neues wirtschaftliches Standbein der Apotheke – und das ist nicht das einzige Problem.
Mehrstufige Honorarverteilung
Denn die Vertragspartner standen vor der großen Herausforderung, den Apotheken bei einer gedeckelten Finanzierung eine verlässliche Honorierung zu bieten. Je erfolgreicher die Leistungen werden, umso mehr könnte die Nachfrage zunehmen und damit das Honorar sinken – der gefürchtete Hamsterradeffekt. Daher haben der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband in der Anlage 11 zum Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 SGB V einen Abrechnungsmechanismus mit einem gesicherten und einem ungesicherten Honorarteil etabliert. Dieser Mechanismus war nicht Gegenstand des Schiedsspruchs. Einen ähnlichen Ansatz wurde bereits vor etwa einem Jahr in der DAZ vorgeschlagen (siehe „So könnte es laufen – Vorschlag für ein Abrechnungskonzept zum Dienstleistungshonorar“ DAZ 2021, Nr. 22, S. 20 ff.).
Die Apotheken sollen ihre Sonderbelege über die erbrachten Dienstleistungen an die Rechenzentren senden, die sie wiederum quartalsweise beim Nacht- und Notdienstfonds einreichen. Sofern die für das jeweilige Quartal verfügbaren Mittel ausreichen, zahlt der Fonds alle Beträge aus. Wenn das Geld nicht ausreicht, erhält jede Apotheke bis zu 1000 Euro pro Quartal ohne Kürzungen. Da die 1000-Euro-Grenze unabhängig vom Arzneimittelumsatz für alle Apotheken gilt, werden damit kleine Apotheken begünstigt. Für Beträge über 1000 Euro pro Quartal gilt ein Anpassungsmechanismus, der sich an Prioritäten für die verschiedenen Leistungen orientiert. Das verfügbare Geld wird zunächst für Leistungen der höchsten Priorität ausgezahlt. Der Rest wird für die nächste Prioritätsstufe verwendet. Reicht das Geld nicht für alle Leistungen einer Prioritätsstufe aus, werden die Zahlungsbeträge anteilig gekürzt. Weitere Prioritätsstufen gehen dann leer aus. Es kann also vorkommen, dass Leistungen überhaupt nicht vergütet werden. Außerdem kann die 1000-Euro-Grenze gesenkt werden, wenn nur so verhindert werden kann, dass der Fonds einen Kredit aufnehmen muss.
Drei Prioritätsstufen
Die Schiedsstelle hatte über die Prioritäten für die Dienstleistungen zu entscheiden. Sie hat dafür drei Stufen gebildet. Die Medikationsberatung und die Pharmazeutische Betreuung bilden die erste Stufe, die Inhalator-Schulung die zweite Stufe und die Blutdruckmessung die dritte Stufe. Der Sinn der 1000-Euro-Grenze ist, dass jede Apotheke mit einem bestimmten sicheren Honorarumfang kalkulieren kann. Für die darüber hinausgehenden Beträge bewirkt die Priorisierung ein unterschiedliches Kürzungsrisiko für verschiedene Leistungen.
Analyse: Die Folgen für Apotheken
Dieser Mechanismus hat folgende Konsequenzen für die Apotheken: Aus der gesicherten Honorarsumme von 1000 Euro könnte jede Apotheke 11 Patienten pro Quartal mit einer der komplexen Leistungen versorgen. Wenn die Apotheken insgesamt durchschnittlich mehr als 22 komplexe Leistungen pro Quartal erbringen, droht der Topf jedoch leer zu laufen. Dann gäbe es für die einfacheren Leistungen gar nichts mehr. Dieser Fall erscheint durchaus realistisch und könnte sich als erhebliches Problem erweisen. Insbesondere das Honorar für die Blutdruckmessung steht damit sehr infrage. Allerdings gibt es offenbar eine Ausnahme. Wenn eine Apotheke nur die einfacheren Leistungen erbringt, sollten diese bis zur 1000-Euro-Grenze honoriert werden. Denn nach Interpretation des Verfassers bezieht sich die Priorisierung an dieser Stelle ausnahmsweise nur auf die Leistungen der einzelnen Apotheke und nicht auf alle Apotheken zusammen.
Daneben ist anfangs ein Sondereffekt zu bedenken. Solange der Honorartopf noch mit den Geldern aus der Zeit seit dem 15. Dezember 2021 gefüllt ist und solange noch nicht alle interessierten Apothekerinnen und Apotheker geschult sind, wird voraussichtlich noch genügend Geld für die einfacheren Leistungen zur Verfügung stehen. Wenn diese Leistungen zu dieser Zeit in großem Stil angeboten werden, könnte dies Erwartungen bei den Patienten auslösen, die später nicht mehr einzulösen sind. Wenn hingegen zunächst eine Reserve im Fonds verbleibt, dürfte dies später vorteilhaft sein. |
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