Arzneimittel und Therapie

Unsere schwierige Rolle im Umgang mit der Homöopathie

Ein Kommentar

Julia Borsch, DAZ-Chefredakteurin

Beim Thema Homöopathie scheiden sich die Geister. Während die einen aufgrund von guten Erfahrungen darauf schwören, rollen sich bei den anderen nur bei der Erwähnung dieser „besonderen Therapierichtung“, wie das Arzneimittelgesetz die Homöopathie bezeichnet, die Zehennägel noch. Für Apotheker greift diese Schwarz-Weiß-Denke aber zu kurz: Gedanken zur schwierigen Rolle der Apothekerschaft im Umgang mit der Homöopathie.

Wie gehe ich als Apothekerin, als Apotheker mit dem Thema Homöopathie um? Diese Frage haben sich wohl die meisten Kolleginnen und Kollegen im Laufe ihres Berufslebens gestellt. Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach – wie so oft, wenn wir die verschiedenen Rollen, die wir nun mal haben, unter einen Hut bringen müssen.

Fakt ist: Homöopathische Arzneimittel sind in Deutschland nach geltendem Recht registriert oder sogar zugelassen auf dem Markt. Auch wenn vielfach kritisiert wird, dass an diese Präparate für den Markt­zugang nicht dieselben Standards angelegt werden wie an „richtige“ Arzneimittel, stehen sie rechtmäßig in Apotheken, werden dort verkauft, ja sogar auf Rezept abgegeben.

Für den Naturwissenschaftler in uns ist die Sache klar: Die Wirkweise ist wissenschaftlich nicht zu erklären. Homöopathie und Naturwissenschaft gehen nicht zusammen. Ebenso nüchtern kann der Kaufmann in uns die Frage nach der ­Homöopathie beantworten. Es lohnt sich oder eben nicht.

Apotheker sind aber nicht nur Naturwissenschaftler oder Kaufleute, sondern auch (oder vielleicht sogar vor allem?) Heilberufler. Also stellt man sich unweigerlich die Frage nach der wissenschaftlichen Evidenz. Hier kommt die Homöopathie schlecht weg. Die ohnehin recht wenigen Studien, auf die sich die Anhänger von Hahnemanns Lehre gerne berufen, entsprechen einer aktuellen Metaanalyse zufolge den üblichen wissenschaftlichen und ethischen Standards nicht (siehe Seite 26). Vor diesem Hintergrund ist für viele die aktive Empfehlung von Globuli und Co. ganz ohne Initiative des Patienten schwierig. Allerdings kommt unter dieser Maßgabe eine ganze Reihe von anderen Produkten aus der Apotheke auch nicht infrage.

Aber zu einem Heilberuf gehört es auch, die Bedürfnisse der Patienten ernst zu nehmen – den Wunsch nach Selbstwirksamkeit oder sich selbst etwas Gutes zu tun. Möglicherweise eben mit einem homöopathischen Arzneimittel. Statt einfach nur abzuraten, sollte das pharmazeutische Personal abwägen, ob sich die Person in diesem Moment mit einem Homöopathikum schaden würde. Bedürfen die Beschwerden einer schulmedizinischen Abklärung und Behandlung, muss man darauf hinweisen und vor der (alleinigen) Einnahme der Globuli warnen. Möchte der Patient oder die Patientin aber lediglich irgendetwas tun, spricht im Regelfall nichts gegen die Abgabe eines homöopathischen Mittels. Wer sich aufgrund von guten Erfahrungen explizit ein solches Präparat wünscht, benötigt auch nicht jedes Mal einen Hinweis, dass die Wirkung wissenschaftlich nicht belegt ist und er genauso gut nichts nehmen kann. Man darf dabei nicht vergessen: Fühlen sich Betroffene mit ihren Bedürfnissen in der Apotheke nicht ernst genommen, besteht die Gefahr, dass sie die Offizin beim nächsten Mal nicht mehr aufsuchen, sondern lieber den Heilpraktiker fragen oder gleich im ­Internet bestellen. Da ist dann aber niemand mehr da, der eingreift, wenn eine schwere Erkrankung vorliegt.

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