Arzneimittel und Therapie

Mit Birkenrinden-Extrakt gegen Epidermolysis bullosa

CHMP empfiehlt Zulassung von Filsuvez-Gel

cel/mab | Blasen, Wunden, Hautablösung sind die typischen Symptome einer Epidermolysis bullosa. Eine kausale Therapie existiert nicht. Die EMA hat nun ein Gel mit Birkenrinden-Extrakt zur Zulassung empfohlen: Filsuvez® soll die Wundheilung fördern. Die FDA verweigerte im Februar 2022 die Zulassung.

Der Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) der Euro­päischen Arzneimittel-Agentur (EMA) spricht sich für die Zulassung eines Arzneimittels zur Behandlung von Epidermolysis bullosa (s. Kasten) aus: Filsuvez®, ein Birkenrinden-Extrakt, der als Gel auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen wird. Am 22. April 2022 empfahl der Ausschuss, Filsuvez® zur „Behandlung von partiellen Wunden im Zusammenhang mit dystrophischer und junktionaler Epidermolysis bullosa (EB) bei Patienten ab sechs Monaten“ zuzulassen. Bereits 2011 war dem Extrakt der Orphan-Drug-Status von der EMA attestiert worden.

Foto: Dmitriy Syechin/AdobeStock

Als Episalvan® bereits bekannt

Ursprünglich wurde das Gel von der Birken AG entwickelt, später von Amaryt Pharma übernommen und bereits 2016 in Europa zur Behandlung partieller Hautwunden aufgrund von Verbrennungen oder Hauttransplantationen unter dem Handelsnamen Episalvan® (in Deutschland nicht erhältlich) zugelassen.

Filsuvez® wird als Gel auf der Haut angewendet, es enthält einen Birkenrinden-Extrakt (als Trockenextrakt, raffiniert; ehemals bekannt als Oleogel-S10) aus Betula pendula Roth/Betula pubescens Ehrh. (entspricht 0,5 bis 1,0 g Birkenrinde), einschließlich 84 bis 95 mg Triterpene (berechnet als Summe von Betulin, Betulinsäure, Erythrodiol, Lupeol und Oleanolsäure). Als Wirkmechanismus „wird angenommen“, dass Filsuvez® Entzündungsmediatoren moduliert, die Keratinozyten zur Differenzierung und Migration anregen und auf diese Weise die Wundheilung und den Wundverschluss fördern. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Wundkomplikationen, Reaktionen an der Applikationsstelle, Wundinfektionen, Pruritus und Überempfindlichkeitsreaktionen.

Wenn die Europäische Kommission der Empfehlung des CHMP folgt, darf Filsuvez® künftig nur bei zwei von vier Formen der Epidermolysis bullosa angewendet werden, die zusammen etwa 30% der Erkrankten ausmachen. Doch gehen Wissenschaftler davon aus, dass es – wenn die Zulassung erst vorliegt – in der breiten EB-Population eingesetzt wird. Auf Grundlage der Daten der Zulassungsstudie EASE sei Oleogel-S10 jedoch am besten für Patienten mit ­rezessiver Epidermolysis bullosa dystrophica geeignet, sagte Dr. Jemima Mellerio, Leiterin des EB-Teams für Erwachsene am St John‘s Institute of Dermatology, St Thomas‘ Hospital (London, UK) im März 2021 im Gespräch mit der „Clinical Trials Arena“.

FDA verweigerte Zulassung

In den Vereinigten Staaten wird es Filsuvez® in absehbarer Zeit nicht geben. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA lehnte Ende Februar 2022 die Zulassung des Gels mit Birken­rinden von Amaryt Pharma ab und forderte das Unternehmen auf, zusätzliche Nachweise für die Wirksamkeit von Oleogel-S10 bei Epidermolysis bullosa vorzulegen. Amaryt Pharma will nun eng mit der FDA zusammenarbeiten, um eine Zulassung von Filsuvez® zu ermöglichen.

Wundverschluss in 45 Tagen?

Amaryt Pharma untersuchte Filsuvez® in einer randomisierten klinischen Phase-III-Studie (EASE, NCT03068780), die das Birkenrinden-Extrakt-haltige Gel mit einem Placebo-Gel verglich. Von den 223 Teilnehmern waren 156 Kinder und 67 Erwachsene, die an ­Epidermolysis bullosa dystrophica, ­Epidermolysis bullosa junctionalis oder dem Kindler-Syndrom litten. Um an der Studie teilnehmen zu dürfen, mussten alle Probanden eine EB-Wunde von 10 bis 50 cm2 aufweisen, die mindestens 21 Tage und höchstens neun Monate bestand. Sie erhielten dann für drei Monate entweder Filsuvez® oder das Placebo-Gel, um ihre Wunde zu behandeln. Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patienten, deren Zielwunde sich innerhalb von 45 Behandlungstagen (45 ± 7) verschloss. Dabei zählte als vollständiger Wundverschluss, wenn eine vollständige Re-Epithalisierung des Gewebes vorlag.

 

Was ist Epidermolysis bullosa?

Epidermolysis bullosa (EB) ist eine vererbbare Multisystemerkrankung. Durch Mutation in bestimmten Genen kommt es zu Defekten bei der mechanischen Verbindung der unterschiedlichen Hautschichten, was die Haut der Betroffenen äußerst verletzlich macht: Feinste Berührungen führen zu Wunden, Blasen, dem Ablösen der Haut und starken Schmerzen. Kinder mit Epidermolysis bullosa bezeichnet man deswegen auch als „Schmetterlingskinder“, da ihre Haut so empfindlich wie die Haut eines Schmetterlings ist. Die Wunden betreffen auch Schleimhäute in Augen, Mund, Speiseröhre und im Magen-Darm-Trakt. Je nach Ausprägung kann eine Epidermolysis bullosa auch zu schweren Behinderungen führen, es kann zu Minderwuchs, Finger- und Zehenverwachsungen und Bewegungsbehinderungen kommen. Betroffene können ­zudem an Karies, Haarverlust und Hautkrebs leiden.

Foto: crystal kirk/AdobeStock

Je nach Genmutation, betroffenen defekten Hautproteinen und der klinischen Erscheinung unterscheidet man verschiedene Formen der Erkrankung: Epidermolysis bullosa simplex (70%), Epidermolysis bullosa junctionalis (25%), Epidermolysis bullosa dystro­phica (5%), Kindler-Syndrom (< 1%). Alle Subtypen zählen zu den seltenen Erkrankungen (Orphan Disease). Eine kausale Behandlung existiert nicht, es wird versucht, die Haut vor Traumen zu schützen, zudem müssen die Wunden versorgt werden, um Infektionen zu vermeiden.

Besonders wirksam bei rezessiv vererbter Erkrankungsform

Das Ergebnis: Mit Filsuvez® behandelte Patienten hatten häufiger innerhalb von 45 Tagen einen vollständigen Wundverschluss als die Patienten in der Placebogruppe (41,3% vs. 28,9%), womit Amaryt Pharma das primäre Studienziel erreichte. Allerdings gab es innerhalb der Studiengruppe Unterschiede: Eine signifikante Wirkung mit einer 72% höheren Wahrscheinlichkeit für einen Wundverschluss wurde lediglich in der Gruppe der Patienten mit rezessiver Epidermolysis bullosa dystrophica (n = 175) festgestellt (44% vs. 26,2%). Litten die Patienten hingegen an dominanter Epidermolysis bullosa dystrophica oder Epidermolysis bullosa junctionalis, gab es keinen signifikanten Unterschied im Anteil der Patienten mit vollständigem Wundverschluss: Bei Patienten mit dominanter Epidermolysis bullosa dystrophica schnitten Filsuvez® und Placebo gleich gut ab (jeweils 50% der Patienten), während bei Patienten mit Epidermolysis bullosa junctionalis Filsuvez® sogar schlechtere Ergebnisse erzielte als Placebo (18,2% vs. 26,7%). Eine rezessive Epidermolysis bullosa verläuft in der Regel schwerer als eine dominante Epidermolysis bullosa.

Verbesserung der Wundbelastung

Eine Infektion trat unter Filsuvez® bei zwei Behandelten auf, in der Placebogruppe wurden fünf Fälle berichtet (sekundärer Endpunkt). Auch schloss sich die Wunde unter Filsuvez® innerhalb von drei Monaten mit höherer Wahrscheinlichkeit und schneller als unter Placebo, jedoch ohne statistische Signifikanz. Zudem berichteten Patienten unter Filsuvez® über eine stärkere Verbesserung der Gesamt-Wundbelastung, gemessen am EB Disease Activity and Scarring Index (EBDASI), was sich allerdings auch nicht statistisch signifikant unterschied. Juckreiz verbesserte sich in beiden Gruppen, die Nebenwirkungen waren vergleichbar. Das Fazit der Studienautoren: „Oleogel-S10 zeigte in der größten randomisierten Doppelblindstudie, die jemals bei dieser Patientengruppe durchgeführt wurde, Hinweise auf eine beschleunigte Wundheilung bei schweren Subtypen von EB. Oleogel-S10 war sicher und gut verträglich und stellt eine potenzielle Behandlung für Patienten mit dieser schwer behandelbaren Krankheit dar.“ |

Literatur

EU/3/10/845: Orphan designation for the treatment of epidermolysis bullosa. Informationen der EMA, Stand 23. Februar 2011

Epidermolysis bullosa? Informationen der DEBRA Austria, www.debra-austria.org/schmetterlingskinder/epidermolysis-bullosa/#:~:text=Epidermolysis%20bullosa%20(kurz%20EB)%20ist,wie%20die%20Fl%C3%BCgel%20eines%20Schmetterlings, Abruf 26. April 2022

Episalvan. Informationen der EMA, Stand 27. Oktober 2020

FDA Rejects Filsuvez Gel for Treating Skin Wounds in JEB, DEB. Informationen der BioNews, Inc, https://epidermolysisbullosanews.com/2022/02/28/fda-rejects-filsuvez-gel-eb-skin-wounds/, Abruf am 26. April 2022

Filsuvez. Informationen der European Medicine Agency (EMA), Stand 22. April 2022

Jo-David Fin. Epidermolysis bullosa, hereditäre. Informationen von orphanet, www.orpha.net/consor/www/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=79361 Stand: Juni 2011

Kern J et al. Oleogel-S10 Phase 3 study “EASE” for epidermolysis bullosa: study design and rationale. Trials (2019) 20:350 doi: 10.1186/s13063-019-3362-z

R Castañeda. Amryt’s Oleogel-S10 approvable in epidermolysis bullosa but initial burst of market momentum likely to stall with real-world experience. Informationen der Clinical Trials Arena, 26. März 2022

Das könnte Sie auch interessieren

EMA-Zulassungsempfehlung für Filsuvez

Ein Birkenextrakt gegen Epidermolysis bullosa

Mit Filsuvez® steht ab sofort ein Arzneimittel zur Wundversorgung zur Verfügung

Hilfe für die Schmetterlingskinder

Erstmals ein Phytopharmakon bei Epidermolysis bullosa zugelassen

Wundheilung mit Birkenrinden-Extrakt

Wirkstoff Betulin beschleunigt die Reepithelisierung

Birkenrindenextrakt zur Wundheilung

Topische Gentherapie fördert ­Wundheilung

Erfolg bei Schmetterlingskrankheit

Welche Wirkstoffe für die Apotheke besonders relevant sind

Neue Arzneimittel 2022 im Rückblick

Trinationaler Kongress zur Phytotherapie in Bonn

Phytopharmaka - beliebt und auch evidenzbasiert?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.