Arzneimittel und Therapie

Gallenprobleme unter Inkretin-Mimetika

Besonders Liraglutid und Dulaglutid fallen auf

Glucagon-like-petide(GLP)-1-Rezeptoragonisten, auch Inkretin-Mimetika genannt, sind heutzutage nicht mehr aus der Diabetes-Therapie wegzudenken – zunehmend kommen sie auch zur Gewichtsreduktion zum Einsatz. Nun kommt eine aktuelle Metaanalyse zu dem Ergebnis, dass GLP-1-Rezeptoragonisten das Risiko für Erkrankungen der Gallenblase und andere Gallenerkrankungen erhöhen können.

GLP-1-Rezeptoragonisten imitieren die Wirkung des körpereigenen Inkretinhormons GLP-1 – es kommt zur Stimulation der Insulin-Sekretion und Hemmung der Glucagon-Freisetzung. Neben der blutzuckersenkenden ­Wirkung verlangsamen sie auch die Magenentleerung, der Appetit lässt nach. Neben der Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend ein­gestelltem Typ-2-Diabetes sind zwei Vertreter dieser Klasse – Liraglutid (Saxenda®) und Semaglutid (Wegovy, in Deutschland bisher nicht erhältlich) – als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und körperlicher Aktivität zur Gewichtsreduktion bei Patienten mit erhöhtem Body-Mass-­Index (BMI) zugelassen.

Relatives Risiko erhöht – absolutes Risiko niedrig

Im Rahmen einer Metaanalyse wurde nun ein möglicher Zusammenhang zwischen Gallenblasenerkrankungen oder anderen biliären Erkrankungen und der Einnahme von GLP-1-Rezeptor­agonisten untersucht, der seit Längerem diskutiert wird. In die Analyse wurden die Daten aus 76 randomisierten kontrollierten klinischen Studien mit 103.371 Probanden (mittleres Alter 57,8 Jahre; 40% weiblich) eingeschlossen. 63 Studien untersuchten den Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten zur Behandlung von Typ-2-­Diabetes, die übrigen 13 zur Gewichts­reduktion. Insgesamt hatten Patienten unter Einnahme eines GLP-1-Rezeptoragonisten im Vergleich zur Kontrollgruppe ein um 37% erhöhtes relatives Risiko (RR) für Erkrankungen der Gallenblase und andere biliäre Erkrankungen (RR = 1,37; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,23 bis 1,52). Insbesondere zeigte sich ein signifikanter Risikoanstieg für Gallensteine (RR = 1,27), Gallenblasenentzündungen (RR = 1,36) und biliäre Erkrankungen (RR = 1,55). Auch das Risiko einer Cholezystektomie war erhöht (RR = 1,70) – nicht aber das Risiko für Gallengangskarzinome. Dennoch betonen die Forscher, dass das absolute Risiko für Gallenerkrankungen gering sei: So sahen sie pro Jahr eine Zunahme von 27 Fällen pro 10.000 Patienten.

Foto: RAJCREATIONZS/AdobeStock

Dosis und Dauer entscheidend

Wurden die Ergebnisse genauer nach Indikation, Dosierung, Therapiedauer und Substanz untersucht, zeigten sich relevante Unterschiede. So hatten Patienten, die GLP-1-Rezeptoragonisten zur Diabetes-Behandlung einnahmen, ein um 27% erhöhtes relatives Risiko für das Auftreten von Erkrankungen der Galle – zur Gewichtsreduktion war das Risiko deutlich höher (RR = 2,29). Darüber hinaus war der Zusammenhang dosisabhängig: Nur bei höheren Dosierungen war das Risiko erhöht (RR = 1,56; 95%-KI: 1,36 bis 1,78). Auch die Dauer der Einnahme war entscheidend. So war nur eine längere Einnahme (> 26 Wochen) eines GLP-1-Rezeptoragonisten mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Erkrankungen der Galle assoziiert (RR = 1,40; 95%-KI: 1,26 bis 1,56). Unterschiede gab es auch zwischen den einzelnen Wirkstoffen: So zeigte sich nur unter Liraglutid (RR = 1,79) und Dulaglutid (Trulicity®, RR = 1,35) ein statistisch signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko. Exenatid (z. B. Bydureon®) und Semaglutid s.c. waren zwar auch mit einem erhöhten Risiko verbunden, jedoch ohne statistische Signifikanz. Hingegen war die Anwendung von Semaglutid oral, Lixisenatid (Suliqua®) und Albiglutid (in Deutschland nicht erhältlich) nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden.

Ein Erklärungsversuch

Die Autoren der Metaanalyse nennen zwei mögliche Erklärungen für den Zusammenhang zwischen GLP-1-­Rezeptoragonisten und dem Auftreten von Erkrankungen der Galle. So hemmen GLP-1-Rezeptoragonisten die Motilität der Gallenblase und verzögern deren Entleerung, indem sie die Sekretion von Cholecystokinin supprimieren. Ein anderer Erklärungsversuch basiert auf der vermehrten Bildung von Gallensteinen durch den durch GLP-1-Rezeptoragonisten ver­ursachten Gewichtsverlust. |

Literatur

GLP-1-Rezeptor-Agonist; Informationen der DocCheck Flexikon GmbH, https://flexikon.doccheck.com/de/GLP-1-Rezeptor-Agonist, Abruf am 18. April 2022

Fachinformation Ozempic®, Stand: Januar 2022;

Fachinformation Saxenda®, Stand: Dezember 2021

Liyun He et al. Association of Glucagon-Like-Peptide-1 Receptor Agonist Use With Risk of Gallbladder and Biliary Diseases. JAMA Intern Med 2022; doi:10.1001/jamainternmed.2022.0338

Produktinformation Wegovy® (Semaglutid); www.ema.europa.eu/en/documents/overview/wegovy-epar-medicine-overview_de.pdf, Abruf am 19. April 2022

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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