Arzneimittel und Therapie

Seltener Demenz dank Blutdrucksenker?

Auf den Wirkstoff kommt es an

Neue Daten lassen vermuten, dass die Einnahme bestimmter Blutdrucksenker das Risiko für Demenz erniedrigt. Aber Achtung: Nicht bei allen Wirkstoffgruppen ließ sich dieser Benefit erkennen. Und um aus den Ergebnissen therapeutische Konsequenzen zu ziehen, ist es noch zu früh.

Nachdem Beobachtungsstudien auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Blutdruck – vor allem im mittleren Alter – und einem verminderten Demenz-Risiko hingewiesen hatten, wurde diese ­Assoziation weiter untersucht. Unter anderem war unklar, ob es auf die Blutdrucksenkung per se ankommt oder ob der Wirkmechanismus des Antihypertensivums entscheidend ist. Dass unterschiedliche Blutdrucksenker das Demenz-Risiko und kognitive Beeinträchtigungen unterschiedlich beeinflussen, konnte bereits 2021 gezeigt werden: Patienten, die Typ-2- und Typ-4-Angiotensin-II-Rezeptorstimulierende Antihypertensiva (Sartane, Dihydropyridin-Calciumkanalblocker und Thiazide) eingenommen hatten, wiesen geringere Demenz-Raten auf als Probanden, die Typ-2(AT2)- und Typ-4(AT4)-Rezeptor-hemmende Antihypertensiva (ACE-Hemmer, Beta-Blocker und Nicht-Dihydropyridin-Calciumkanalblocker) eingenommen hatten. Im Tierversuch konnte zudem gezeigt werden, dass die stimulierenden Antihypertensiva einen günstigen Effekt auf das Gehirn aufwiesen, der auf eine verringerte Ischämie, eine verstärkte zerebrale Durchblutung und eine Verbesserung des räumlichen Gedächtnisses zurück­zuführen war. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde nun untersucht, ob und wie sich eine Therapie mit AT2- und AT4-Rezeptor-stimulierenden oder -hemmenden Wirkstoffen auf die Kognition auswirkt.

Foto: LuckyStep/AdobeStock

Vergleich stimulierender und hemmender Wirkstoffe

Die erforderlichen Daten wurden der SPRINT-Studie entnommen und einer Sekundäranalyse unterzogen. In der SPRINT-Studie hatten Probanden mit erhöhtem kardiovas­kulärem Risiko entweder eine intensivierte oder eine konventionelle Blutdrucktherapie erhalten, um kardiovaskuläre Risiken zu senken. Das Ergebnis war eine Risikoreduktion durch die intensivierte Therapie. Aus dem SPRINT-Datenpool mit knapp 8700 Probanden lagen genügend Angaben vor, um die Frage nach dem Einfluss Typ-2- und Typ-4-Angiotensin-II-Rezeptor-stimulierender und -blockierender Pharmaka auf eine kognitive Einbuße oder wahrscheinliche Demenz zu untersuchen. In der Studie waren folgende AT2- und AT4-Rezeptor-stimulierende Wirkstoffgruppen eingesetzt worden: AT1-Blocker (Sartane), Dihydropyridin-Calciumkanalblocker und Thiaziddiuretika. An AT2- und AT4-Rezeptor-hemmenden Stoffen kamen ACE-Hemmer, Beta-Blocker und Nicht-Dihydropyridin-Calciumkanalblocker zum Einsatz. Rund 30% der Studienteilnehmer hatten stimulierende Substanzen eingenommen, knapp 18% hemmende Wirkstoffe, und der Rest hatte eine gemischte Therapie erhalten. Die mediane Nachbeobachtungszeit lag bei 4,8 Jahren.

Risikoreduktion um knapp 25%

In der Gruppe, die eine Therapie mit stimulierenden Blutdruckmitteln erhalten hatte, waren auf 1000 Personenjahre bezogen 45 Fälle einer geringen kognitiven Einbuße oder einer wahrscheinlichen Demenz aufgetreten. In der Gruppe mit hemmenden Antihypertensiva waren es 59 Fälle. Das entspricht einer Risikoreduktion um 24% (Hazard ratio [HR] 0,76; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,66 bis 0,87). Untersuchte man das Auftreten geringer kognitiver Einbußen und einer wahrscheinlichen Demenz getrennt, so ergab sich ein ähnliches Bild. Milde kognitive Beeinträchtigungen machten sich in 40 Fällen unter der stimulierenden Therapie und bei 54 unter der hemmenden Therapie bemerkbar (jeweils auf 1000 Personenjahre bezogen); das entspricht einer Risikoreduktion um 26% (HR 0,74; 95%-KI 0,64 bis 0,87). Bei den Demenz-Fällen waren es 8 versus 10 (HR 0,80; 95%-KI 0,57 bis 1,14), was einer 20%igen Risikoreduktion entspricht.

Den Studienautoren zufolge müssen diese Ergebnisse noch in randomisierten klinischen Studien überprüft werden. Sollten diese Resultate bestätigt werden, könnten stimulierende Antihypertensiva bevorzugt eingesetzt werden, um kognitive Einschränkungen vorzubeugen. Angesichts der hohen Zahl an Hypertonikern wäre mit der Auswahl eines entsprechenden Blutdruckmittels eine bemerkbare Abnahme kognitiver Einbußen und von Demenz-Erkrankungen zu erwarten. |

Literatur

Marcum ZA et al. Association of Antihypertensives That Stimulate vs Inhibit Types 2 and 4 Angiotensin II Receptors With Cognitive Impairment. JAMA Netw Open. 2022;5(1):e2145319. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2021.45319

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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