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Hornhaut für die Seele
Mit Resilienz Krisen und Herausforderungen meistern
Resilienz (von lateinisch resilire „zurückspringen, abprallen“) bezeichnet in der Psychologie die Fähigkeit der Menschen, auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens zu reagieren. Der Begriff ist der Materialkunde entlehnt, wo er z. B. anschaulich die Fähigkeit eines gedrückten Schwammes illustriert, in seine Ausgangsform zurückzukehren.
Soziale Beziehung als stärkender Faktor
Was Kinder in schwierigem sozialem Umfeld „resilient“ fürs Leben macht, konnte die deutschstämmige Amerikanerin Emmy Werner erstmals an einer Kohorte von 700 Kindern des gleichen Geburtsjahrgangs auf der Insel Kauai untersuchen. Nur ein Drittel der Kinder fand den Weg heraus aus Armut, Kriminalität und sozialen Problemen. Bei ihnen identifizierte Werner als stabilisierenden Faktor das Vorhandensein einer Bezugsperson, die Sicherheit, Rückhalt und soziale Fähigkeiten vermittelte. „Das Allerwichtigste im Leben ist Bindung – das ist sozusagen der Ur-Slogan der Resilienzforschung“, erklärte Berndt. Dabei gehe es nicht nur um die Bindung in der frühen Kindheit und Jugend. Jeder Erwachsene brauche lebenslang Freunde, mit denen ein enger menschlicher Austausch möglich ist. Wer sich etwa in eine deprimierende Situation eines Freundes/einer Freundin hineinversetze und das Problem durchdenke, bereite auch sich selbst auf Ähnliches vor, entwickle einen Krisenplan. Wichtig sei, solche emotional tragenden Kontakte über die Zeit zu bewahren und zu pflegen. Was nicht selbstverständlich ist, da jenseits des 25. Lebensjahres die Zahl der Freundschaften – von virtuellen Kontakten abgesehen – meistens stetig abnimmt.
Selbstwirksamkeit üben!
Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein ist ein weiterer Resilienz-fördernder Faktor, der indes nicht jedem in die Wiege gelegt ist. Psychologen sprechen eher von Selbstwirksamkeit(serwartung), als dem Glauben an sich selbst und dem Vertrauen darin, dass man in seinem sozialen Umfeld – sei es Betrieb, Familie, Verein – etwas bewirken kann, dass man gehört wird. Wo das nicht hinreichend gegeben ist, sei es dem Umfeld oder eigenen Defiziten geschuldet, könne man versuchen, sich mehr Einflussmöglichkeiten zu schaffen. Um Selbstwirksamkeit und damit Resilienz zu steigern, können Ratgeber, Mitstreiter, Freunde, unter Umständen auch Therapeuten hilfreich bzw. vonnöten sein. „Wir schaffen das“, laute der Schlachtruf der Resilienten gegenüber den Verzagten. Umgekehrt fördere das Gewähren von Mitspracherecht z. B. im Betrieb das Gefühl der Selbstwirksamkeit bei Mitarbeitern. Auch hat man gesehen, dass Altenheimbewohner seltener krank werden, wenn sie mehr Mitsprachemöglichkeiten in ihrem Alltag haben.
Schult die Resilienz: Das Gute im Alltag wahrnehmen
Die erste Frühlingssonne, das Zwitschern der Vögel, das letzte frische Brötchen beim Bäcker ergattert – die erfreulichen kleinen Dinge des Alltags sollte man sich permanent bewusst machen. „Jeden Tag das Gute wahrnehmen und feiern, bringt uns mit der Welt in Einklang“, formulierte Berndt und schlug eine Übung vor, die jeder für sich machen kann. Sich fünf – oder mehr – Steinchen oder Kichererbsen in eine Hosentasche stecken und bei jedem positiven Erlebnis ein Steinchen in die andere Tasche wandern lassen. Tatsächlich hätten Studien weltweit gezeigt, dass es mit solchen kleinen Bewusstmachungen gelingt, depressive Symptomatiken zu bessern – anders ausgedrückt, Resilienz zu fördern.
Optimismus hochhalten!
Ähnlich förderlich wie der Glaube an sich selbst sei der grundsätzliche Glaube an einen guten Ausgang der Dinge, eine optimistische Grundhaltung, die auch in der Krise eine Chance sieht. Es gehe nicht darum, so Berndt, sich die Dinge schönzureden, sondern darum, sich nicht auf das Negative zu fokussieren. Die Steigerung dieser Haltung spiegele sich in dem Wort „Wer weiß, wofür es gut ist?“ Wer sich nicht von den Katastrophennachrichten des aktuellen europäischen Krieges erschlagen lässt, kann sehen, dass er den Ausstieg aus fossilen Energien beschleunigen kann und den Wert liberaler Demokratie wieder ins Bewusstsein rückt. Auch die Pandemiesituation habe ihr Gutes, wo Menschen etwa die Vorteile von Homeoffice, virtuellen Treffen und einer allgemeinen Entschleunigung für sich und die Gesellschaft entdecken. Solche Art Optimismus lasse sich lernen; und das zumindest zeitweilige Ausblenden von Sorgen sei nicht nur erlaubt, sondern gerade in Krisenzeiten richtig und ein Kennzeichen von Resilienz, übrigens auch von Intelligenz.
Der grundlegende Unterschied zwischen einem Optimisten und einem Nörgler liege nicht darin, was Ihnen widerfährt, sondern, wie sie mit Glück und Pech umgehen. Wer einmal beschlossen habe, die Welt als seinen Freund zu betrachten, und freundlich auf Menschen zugehe, bekommt eher Entsprechendes zurück: „Insofern haben wir es sogar in der Hand, wie sich andere Menschen uns gegenüber verhalten,“ so Berndt.
Neugierig bleiben!
Die Anpassung an Belastungen lasse sich im Alltag auch durch eine offene Haltung gegenüber dem Unerwarteten trainieren. Sich auf Neues und Unvorhersehbares einlassen, neue Dinge auszuprobieren, Routinen zu verändern, bezeichnete Berndt als lebensbejahende Neugier, eine Art Flexibilitätstraining für die Seele. Weitere Ressourcen lägen im Rückblick auf bewältigte Krisen und erlebte eigene Stärke. Fordert man beispielsweise einen schmerzgeplagten Rheumatiker auf, sich an positiv besetzte Situationen eigener Stärke zu erinnern, geht dies mit niedrigen Werten auf der Schmerzskala einher. „Wir tragen ein Riesenpotenzial für Resilienz gegen Krisen und Herausforderungen in uns.“ Um es zu erwecken, brauche es – man ahnt es – Krisen und Herausforderungen. Wer diesen nicht notorisch aus dem Weg geht, erfährt im Laufe des Lebens eine permanente „Stressimpfung“. Diese führe mit den Jahren auch ohne besonderes Zutun zu einer Zunahme der Resilienz. |
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