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Aus den Ländern
Gedisa: unversöhnliche Extrempositionen?
Wie die standeseigene Digitalgesellschaft in Westfalen-Lippe doch noch punkten kann
DAZ: Herr Dr. Fehske, Ihr Apothekerverband in Westfalen-Lippe hat dem Beitritt zur standeseigenen Digitalgesellschaft Gedisa kein bedingungsloses „Go“ erteilt. Es gibt Bedenken und über diese wird seit dem Mitgliedervotum intensiv und bundesweit diskutiert. Ist das ein wichtiger, vielleicht sogar der wichtigste Beitrag, den Sie aus Westfalen-Lippe in dieser Angelegenheit leisten konnten?
Fehske: Ja – ich finde die Diskussion dazu wichtig, auch wenn sie aktuell wirklich viel Kraft kostet. Gestatten Sie mir eingangs zumindest diesen kurzen verbalen „Seufzer“, dass die Gesamtsituation für Apothekeninhaber aktuell erst mal grundsätzlich herausfordernd ist mitten in einer Pandemie, in dem wir uns bis an die Belastungsgrenze im gefühlten „pandemischen pharmazeutische Fünfkampf“ engagieren: Masken verteilen, Testen, Impfstoffe verteilen, Zertifikate ausstellen, selber Impfen. Trotzdem nimmt man sich natürlich die Zeit, um sich auch für wichtige Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Plattformen zu engagieren.
DAZ: Mit dem Ergebnis, dass man nicht allen Angeboten und Projekten hundertprozentig zustimmt und sich nicht bei allen Plattforminitiativen engagiert?
Fehske: Jede der Plattformen hat ihre Stärken – ich bin ja unter anderem im Apothekerbeirat von gesund.de, und war bei der AVWL-Abstimmung über Gedisa Anfang Februar mit dabei – und habe übrigens pro Gedisa-Beitritt gestimmt! Und wir diskutieren dieses Thema auch im Kreis von Kollegen aus dem eigenen und anderen Kammer- bzw. Verbandsgebieten. Denn die Idee einer standeseigenen Digitalgesellschaft, die für uns eine Apothekenplattform aufbaut und betreibt, ist unbestreitbar gut – das aber darf keine Entschuldigung dafür sein, inhaltlich nachvollziehbare Bedenken nicht ernst zu nehmen, bzw. diese nicht als Chancen zur Verbesserung eines bereits guten Ansatzes zu verstehen.
DAZ: Inhaltlich nachvollziehbare Bedenken waren für den Apothekerverband Westfalen-Lippe der fehlende Businessplan und Gesellschaftervertrag. ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold beteuerte im Rahmen von „AKWL-TV“, dass den Landesverbänden alle Unterlagen vorgelegt wurden, die man auch in Berlin kennt. Arnold ermunterte die Inhaberinnen und Inhaber zu mehr unternehmerischem Risiko.
Fehske: Das Statement von Herrn Arnold hat mich darin bestätigt, dass die Lösung des bestehenden Konfliktes nicht einfach wird. Dabei kann ich offen gestanden beide Parteien irgendwo verstehen. Gleichzeitig habe ich aber mit den aktuell unversöhnlichen „Extrempositionen“ auch meine Schwierigkeiten. Ganz im Sinne des Schlusswortes von Dr. Hannes Müller bei „AKWL-TV“ würde ich mir ein versöhnliches Ende dieses Streits wünschen, damit auch bei diesem wichtigen Zukunftsthema der Berufsstand „mit einer Stimme sprechen kann“.
DAZ: ABDA-Vizepräsident Arnold hat darauf hingewiesen, dass es bei Digitalprojekten schwierig wäre, Zukunftsprognosen abzugeben. Microsoft-Gründer Bill Gates hätte dies auch nicht im Rahmen eines Businessplans gemacht und im Hinblick auf das Verbändeportal könnte man weder jegliche positive noch negative Entwicklungen vorhersehen.
Fehske: Das ist für mich eine zum Teil nachvollziehbare Haltung, zugleich existiert nun mal eine unterschiedliche Erwartungshaltung zur Begründung der Höhe der geplanten Mittel und somit Konfliktsituation, mit der man professionell umgehen sollte. Aus der Reaktion von Herrn Arnold habe ich aber erkennen können, dass zumindest die Bereitschaft von Seiten der ABDA bzw. des DAV da ist, doch noch einmal aufeinander zuzugehen, und miteinander in den Dialog zu treten. Das erwarte ich im konkreten Fall auch von allen Akteuren.
DAZ: Also auch vonseiten Ihres Apothekerverbands Westfalen-Lippe?
Fehske: Sie werden sicherlich wissen, dass es Bestrebungen unter den AVWL-Mitgliedern gibt, für eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu werben, um ein zweites Mal über dieses wichtige Thema abzustimmen.
DAZ: Darüber haben wir berichtet. Auch darüber, dass es bezüglich einer Neuabstimmung ohne veränderte Ausgangsbedingungen juristische Bedenken gibt.
Fehske: Abgesehen von juristischen Bedenken soll es ja nicht unbedingt ein Anzeichen geistiger Frische sein, immer wieder das genau gleiche zu tun und unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten. Doch im Fall von Gedisa würde ich mir wünschen, dass bei einer möglichen erneuten Abstimmung mit hoffentlich deutlich mehr Stimmberechtigten ein wenig mehr auf die für mich nachvollziehbaren Bedenken des AVWL-Vorstandes eingegangen wird. Mehr als beim letzten Mal!
DAZ: Sie wären also dafür, neu und dann auch womöglich positiv für den Beitritt des AVWL zu Gedisa abzustimmen?
Fehske: Ich wäre der Erste, der sich dafür stark machen würde – allerdings nicht unter vollkommen unveränderten Ausgangsbedingungen.
DAZ: Blicken wir abschließend auf die anderen Plattformprojekte im Markt. Sie selbst sind im gesund.de-Beirat. Werden und wurden an diese Initiativen dieselben Erwartungen und Anforderungen gestellt wie an Gedisa, oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Konkret: Haben Sie von gesund.de Businessplan und Gesellschaftervertrag vorgelegt bekommen, bevor Sie sich für Ihre Beteiligung entschieden haben?
Fehske: Ich habe auch von den anderen keine Businesspläne oder Gesellschafterverträge vorgelegt bekommen – finde aber trotzdem nicht, dass mit „zweierlei Maß“ gemessen wird. Denn bei den anderen Plattformen habe ich lediglich über meine eigene Teilnahme entschieden, und nicht über eine langfristige Beteiligung aller Mitglieder meines Verbands an einer „standeseigenen Lösung“. Bei der sind Verbindlichkeit und vielleicht auch Risiken etwas höher – dafür potenziell aber auch die eigenen Möglichkeiten zur Einflussnahme.
DAZ: Welche wären das exemplarisch?
Fehske: An wen wende ich mich denn in Zukunft zu welchen Konditionen bei unfairen/unangemessenen Kundenbewertungen meiner Apotheke, wenn Plattformen auch dieses beliebte Feature anbieten werden? Und welche Funktion wird zuerst entwickelt – eine Integration von Werbefunktionen für die Industrie oder eine Unterstützung für mögliche neue pharmazeutische Dienstleistungen, wenn vielleicht etwas kommen mag beispielsweise der im Vereinigten Königreich bereits vergütete NMS, New Medicines Service?
DAZ: Und diese Möglichkeiten zur Einflussnahme böten Plattforminitiativen aus der Privatwirtschaft eher nicht?
Fehske: Natürlich werden Apotheker auch zum Beispiel bei gesund.de in die Weiterentwicklung der Plattform eingebunden, dort eben auf freiwilliger Basis. Und auch dort eint uns der gemeinsame Wunsch, die bestehende Struktur stationärer Apotheken zukunftsfähiger und digital besser erreichbar zu machen. Daher beteilige ich mich auch an mehreren Plattformen, weil ich den Wettbewerb untereinander begrüße, der belebt nun mal das Geschäft. Welche Plattform aus welchem Grund langfristig die erfolgreichste werden mag, ist für mich noch nicht vorherzusagen. Bekanntheit und Anwenderfreundlichkeit werden eine wichtige Rolle für die Apothekenkunden spielen – aber auch, wie viele Apotheken damit erreichbar sind. Hier hat das DAV-Portal durch die Impfzertifikate einen strategischen Vorteil, den man als Gedisa weiter ausbauen könnte. Aus meiner Sicht sollte „die beste Plattform“ jedenfalls möglichst vielen stationären Apotheken und ihren Gästen möglichst viel echten Zusatznutzen bieten – und ich bin gespannt welche das sein wird!
DAZ: Herr Dr. Fehske, vielen Dank für das Gespräch. |
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